hesh on don winslow

HESH rezensiert Das Kartell von Don Winslow.

Intro

Am 22.05.2015, einem Freitag, erschien in Deutschland die Fortsetzung von Don Winslows großem Roman Tage der Toten, unter dem Namen: Das Kartell.

Am 07.06.2015, einem Sonntag, schrieb der stellvertretende Ressortleiter des Feuilletons der Welt, ein Mann namens Elmar Krekeler, in der Rezension des Buches: “Das Kartell” ist reine Unterhaltung. Und manchmal ertappt man sich dabei, dass man es – so gut es gemeint ist, es ist sogar den unzähligen Journalisten gewidmet, die im Kampf für die Wahrheit ihr Leben ließen – für zynisch hält.

Am 11.07.2015, einem Samstag, entkam einer der mächtigsten Drogenbarone der Welt, Archivaldo Guzmán Loera alias „El Chapo“, aus der Anstalt El Altiplano in der Stadt Almoloya de Juárez im zentralgelegenen Bundesstaat Mexiko. Es handelte sich um seinen zweiten Ausbruch aus einem mexikanischen Hochsicherheitsgefängnis innerhalb eines Jahrzehnts.

Am 01.08. 2015, ebenfalls an einem Samstag, wurde der mexikanische Fotoreporter Rubén Espinosa gefoltert und ermordet aufgefunden — zusammen mit der Menschenrechtsaktivistin Nadia Vera und drei weiteren Frauen.

Freitag, Samstag, Sonntag.

Und wieder beginnt eine Woche für die Unberührten …

1.)

In einem Land mit überdurchschnittlich vielen Rassisten in der Mittelschicht – die sich trotzdem fast ausschließlich von Döner ernähren wenn sie sich mal für “Außer Haus” entscheiden, überrascht es nicht sonderlich, bei McDonalds eine lange Schlange vorzufinden. Schließlich ist hierzulande auch der Antiamerikanismus tief verwurzelt.

Im Rest der Welt, ist McDonalds ziemlich out.

Der amerikanische Schriftsteller Don Winslow läuft seit geraumer Zeit schuldlos Gefahr, das selbe Schicksal zu erleiden.
Todesursache: Veröffentlichungsfrequenzerhöhung bis der Arsch platzt. Alle Bücher, die der Mann geschrieben hat, sind gut. Ganz egal, wann sie eigentlich geschrieben wurden. Das Impressum verrät es: Einige seiner Werke wurden bereits Anfang der Neunziger Jahre erstmals publiziert. Ohne dass sie damals besonders aufgefallen wären …
Die herrliche “Hau-die-Dschihadi’s-weg-!-Brandschrift” namens Vergeltung, geriet vor zwei Jahren dermaßen US-Government-kritisch, dass kein Verleger in den USA den Arsch in der Hode, ich meine natürlich, in der Hose hatte, das Buch herauszubringen. Zum Glück für Mr. Winslow und mich als seinen Leser, ist die deutsche Verlagswelt – zumindest was berühmte amerikanische Autoren angeht – ein Hort ungezügelter Bereitschaft zum Unternehmerrisiko. Das Buch war ein Hochgenuss.

Ich warte schon gespannt auf den allerneuesten Winslow gegen Ende Oktober, vielleicht in Zusammenarbeit mit Lee Child als Co-Autor, in dem Co-Star Jack Reacher als Anführer einer internationalen Einheit von Bodentruppen – unter Verzicht auf jegliche Luftunterstützung – dem IS im Irak und Syrien derart einheizt, dass der sich am Ende der 500 Seiten nur noch schlicht “I” nennen kann, “I” wie Incirlik, weil er umplanen und in der Türkei neu auferstehen muss. Was natürlich den Stoff für eine grandiose Fortsetzung auch dieses Buchprojektes liefern würde – voraussichtlicher Veröffentlichungszeitraum hier allerdings wohl erst Ende März 2016 – selbst Mr. Winslow muss schließlich abwarten was passiert, sollte Herr Erdogan sein großes, stolzes Land vollends vor die Wand fahren …

So viel Spaß wie es macht, es geht auch kürzer: Seit gefühlt jeden dritten Monat ein neuer oder wieder aufgelegter Don Winslow in den Läden dümpelt, war auch bei mir irgendwann die Luft raus.

Um noch einmal auf McDonalds zurückzukommen: Am besten ist der Fraß, wenn du lange nicht dort warst.

2.)

Tage der Toten.

Ganz und gar kein Fast Food.

Das Buch stach im Werkkatalog von Don Winslow schon damals heraus. Auf den ersten Blick klang die Sprache von Winslow leicht wie immer, die Leserin oder der Leser wurden auch diesmal, wie von einem stufenlos verstellbarem Duschkopf, ohne Chancen auf Gegenwehr in den Leitstrahl von Winslow’s süffigem Erzählstil gezogen. Auch die Eigenart des Autors, wie nebenher Fakten zur Geograpie und Geschichte seiner Thematiken zu vermitteln, fütterte gewohnt zuverlässig selbst das TWITTER-versauteste, geistiger Degeneration sowie dem Verlust jeglicher Orthographie gefeite Hirn, mit Informationen von Gehalt. Nur, sozusagen der Lehrstoff in diesem Buch, war eine ganz andere Nummer:

Mexiko. Drogenkrieg. Tausende von Toten. Die den Tagen, von denen im Buch die Rede ist, ihre Namen samt Buchtitel einbrannten. In jedem einzelnen Satz des dicken Wälzers schwang eine unverhohlene Wut die Rute, die damit verbunden Hitze machte das Buch zu einem unsterblichen Werk der Weltliteratur – Tage der Toten gilt als das Krieg und Frieden des 21. Jahrhunderts. In dem wunderbaren Essay in der Süddeutschen Zeitung vom 7. Oktober 2012, verfasst von Tobias Kniebe, beschreibt jener die Wirkung der Figuren in Tage der Toten auf sich:

“Zugleich aber blickt Winslow tiefer in die Seelen seiner Figuren, als ein Reporter das je könnte. Er sucht eine Wahrheit darin und besteht darauf, gerade die schockierendsten Details eben nicht zu erfinden, sondern eins zu eins aus der Wirklichkeit zu übernehmen.”

Das Kartell

Beide Bücher hintereinander, lesen sich wie in einem Stück durchgeschrieben. Ok, du hast 2000 Seiten, mach‘mer zweimal 800 draus, bißchen Schwund gibts ja immer – der Rest ist Marketing. Schönes Bild, aus mehreren Gründen aber Bullshit: Wie im Intro angeklungen, im Falle von Don Winslow verströmt die Marketingstrategie seines Verlags, wenn überhaupt vorhanden, einen welken Geruch, der an den einnehmenden Charme von multiplem Organversagen erinnert.

Auch: Viele der komplexen Handlungsstränge aus den Tagen der Toten, werden im Kartell nicht wieder aufgenommen, stattdesssen wirkt Don Winslow’s Schreibe wie das zunehmend einsame Agieren seines Art Keller: Fiebrig und verbissen.

Und schließlich: Zu dem Zeitpunkt als die Tage der Toten erschienen, lebten viele der Toten im Kartell noch fröhlich unter der Sonne Mexikos und hatten höchstens hin und wieder wässrigen Blähdurchfall von ‘nem fettigen Burrito.

Zum Buch:

Es geht also weiter mit Art Keller, dem Jäger der Top-Narcos, und mit Adan Barrera, dem so sanft auftretenden Erbarmungslosesten unter den Erbarmungslosen.
Die ultimative Chronik des mexikanischen Drogenkriegs nimmt ihren blutigen Lauf: Blende alle persönliche Geschichten und Handlungsstränge aus, und du hast eine klare Aufstellung aller eingegangenen Bündnisse unter den wichtigsten Kartellen, sowie jener unter großem Blutzoll wieder aufgekündgten.

Es fällt schwer über dieses Buch zu reflektieren. Steht alles drin. Den Opfern wird gehuldigt, die Täter haben das Wort bei der Wahl der eingesetzten Mittel, was die Herzen derer, die sie jagen für immer verändert. Die Schuld ist nicht wählerisch, sie bedient sich auf beiden Seiten. Manche der menschlichen Tötungswerkzeuge sind selbst nichts als Opfer, bar jeder Menschlichkeit bleiben sie dennoch Menschen, und werden zu Tätern in der Darkzone.

Darth Vader. Vom Clown bis zum Priester, er lauert in jedem von uns.

Don Winslow hat sein Buch den Journalisten gewidmet, die ihren Mut und ihre Zivilcourage mit ihrem Leben bezahlten. Der Blutzoll unter ihnen ist gewaltig. Besonders schmerzlich und für mich kaum zu ertragen ist, dass – wenn im Buch auch am Extrembeispiel beschrieben – ausgerechnet der anonyme Blog am wehrfähigsten erscheint. Zumindest für den Erhalt des nackten Lebens seiner Betreiber. Weil die offiziell agierenden Presseverteter regelmäßig zum Schweigen gebracht werden. Und kaum noch jemand bereit ist die Dinge offen anszusprechen, wenn ein Großteil der Redaktion bereits bestialisch ermordet unter der Erde verschimmelt.

Was man in all diesen Jahren so hörte und las aus der bunten Narco-welt:

Die meiste Zeit verläuft alles ruhig, kein Wort steht in der Zeitung, es wird richtig Geld verdient.
Bad news are …

Von Zeit zu Zeit dreht ein Narco-Papst, der niemandem erzählen kann, dass er letzte Woche die 100 Millionen Dollar Marke geknackt hat, komplett durch in seinem goldenen Käfig, fängt an zu rasen und will irgendjemandes Blut trinken. Z.B. wenn der nagelneue Flachbildschirm urplötzlich den Geist aufgibt, oder die aufmüpfige Fotze von undankbarer Ehefrau höllisch abnervt mit ihrem Gequengel.

Apropo Frauenhass und perverse Freizeitvergnügen reicher Yuppies aus dem Drogenmilieu: Von 1993 bis 2010 verschwanden in der Gegend um Ciudad Juarez an die 2000 junge Mädchen und Frauen, ihre Leichen wurden in der Wüste verscharrt. Bekannt geworden ist diese Tragödie unter dem Namen Feminizido. Zumindest ein Teil dieser Frauen passen laut Marisela Ortiz von der Organisation Nuestras Hijas de Regreso a Casa (Für die Rückkehr unserer Töchter nach Hause, NHRC) in das Mordschema der Drogenmafia.

Der Rest, ist die dunkle Seite vom Tagesgeschäft:
… abgeschnittene Köpfe, die durch die Restaurants von Ciudad Juárez im Bundesstaat Chihuahua rollen, Priester, Polizisten und Bürgermeister, die ermordet werden, dito Hunderte von Journalisten und diversem Fußvolk, jeder der im Weg steht und noch dessen Brüder und Schwestern und alle Babys und die eine Mutter; nur der Vater überlebt, er verkauft Chicken-Nachos mit Käse und schwarzen Bohnen in El Paso, Texas.

Zurück ins Land der Massenmorde in offiziellen Friedenszeiten und zur Abwechslung einmal brandaktuell: 43 Studenten, welche mit ihren Protesten dem Bügermeister von Iguala, Jose Luis Abarca samt Ehefrau etwas zu sehr auf die Eier- & Stöcke gingen: Allesamt ab auf die Müllkippe und vorher noch flux ein Snuffvideo gedreht. Eine Begegnung mit einer Truppe ZETAs überlebt nur ein ZETA: Alle anderen baumeln von der Brücke und haben keinen Sinn mehr für die Aussicht auf den Highway.

Zurück in die Vergangenheit und einem gigantischen Paukenschlag: Präsident Calderon setzte zur Zerschlagung der Kartelle das Militär im Inland ein.

Wow!

Später kam heraus: nicht zur Zerschlagung aller Kartelle, sondern nur derjenigen, welche einem ganz bestimmten Kartell im Weg standen, welches seinerseits die Regierung samt Militär in der Tasche hatte. Traffic, das Meisterwerk von Steven Soderbergh lässt grüßen, der Film ist 15 Jahre alt.

Also alles nichts neues: die Vernetzung der Mächtigen. Business as usual. Politik, Industrie, organisiertes Verbrechen. Gerade “El Chapo” Guzman’s Story ist exemplarisch: Der große Sohn aus Badiraguato, welcher immer mal im Knast landet und spektakulär wieder ausbricht …, oder heimlich freigelassen wird? Die wahren Bosse mit US-ID, so mächtig, dass niemand ihre Namen kennt, würden es wohl nicht wirklich gern sehen, wenn der Mann in den Staaten zum Kronzeugen würde …

Droht Octavio Paz’s El laberinto de la soledad, sein so gewaltiges Labyrinth der Einsamkeit, heutzutage seine Herrlichkeit zu verlieren und sich in eine Melodie des Schreckens zu verwandeln? Aber nicht doch. Die zynische Wahrheit ist: All die rational nicht mehr fassbare Gewalt, ist nichts als eine überaus rationale Angelegenheit. Sie hilft, ein Klima der Angst zu erzeugen. Und Angst ist schlicht der Hauptgewinn, wenn man anderen Leuten seinen Willen aufzwingen will. Keines der Opfer sollte das allzu persönlich nehmen, zugegeben, nicht ganz einfach, wenn man bereits tot ist. Das besondere, ja mystische Verhältnis der Mexikaner zu Schmerzen bringt gute Boxer hervor. Und das besondere, ja mystische Verhältnis zum Tod, sorgt für eine besonders saftige Augen und Köpfe rollende Variante im Kampf der Herrschenden um die alleinige Macht.

2

Es gibt Leute die sagen, Das Kartell wirke flach, fast kalkuliert. Trotz all der beschriebenen Realitätsnähe würde es eher einem Blockbuster Marke “Stirb langsam” Teil 7, 8, oder 9 ähneln, den kein Mensch mehr sehen will. Es wäre viel zu wenig Abwechslung in den Sujets, nur noch Gemetzel, keine Spur von dem feingewebten Kaleidoskop rund um die Welt aus Tagen der Toten …
Wird ein Mann zu seinem eigenen Anachronismus, wenn er immer weiter schreibt, weil der Kampf niemals aufhört? Beginnt die Welt sich zu langweilen, wenn sie Zeuge der immer gleichen Horrormeldungen wird?

Natürlich.

Diverse Katastrophen sollten sich bitteschön auch voneinander unterscheiden. Solange sie nicht zu nah heranrücken, an meinen Primark-behängten Kadaver, hab ich eh’ festen Stuhlgang, und gebe dir drei bis vier Sekunden. Ab 1000 Toten aufwärts auch mal fünf, mit Katzenbild garniert sogar bis zu sieben, will ja das Bild ‘runterladen, und an Franziska schicken …

Ergeht es also dem fiktiven Drogenfahnder Art Keller nicht anders, als seinem Schöpfer, dem Schriftsteller Don Winslow? Zu verbissen, hatten wir doch schon. Früher warst du cool, alles war so …, so aufregend!

Das Gewinsel diverser Literaturpäpste und fettgefressener Konsumenten übersetzt, lautet die Frage: War eine Fortsetzung von Tage der Toten wirklich notwendig? Und wenn ja, darf es auf jene Art unterhaltsam sein, welche ein Amerikaner zu bieten hat? Eine Gattung Mensch, die der gebildete Europäer verabscheut und für alles Übel in der Welt verantwortlich macht, Omaha Beach ist schließlich echt lange her. Wir gehen gern mal in ‘nen Schwarzenegger, aber huldigen können wir nur einer Herta Müller.

Und plötzlich kommt ein Typ wie Winslow daher – Error.

Es soll dir zu den Ohren ‘raus kommen. Und wenn es danach immer noch weiter geht, BIS DU ES NICHT MEHR AUSHALTEN KANNST, dann wird es vielleicht anfangen weh zu tun. Dein fucking limbisches System ist nichts als eine träge Sau, sie brauch’ immer und immer wieder voll auf die Fresse, bis sie aufwacht. Wenn dir nicht klar ist, ob du zu wenig oder gar zu viel unterhalten wirst, und wenn der Autor das ahnt, weil er deiner Larve samt ausgestelltem Unterkiefer einmal die Woche im WALMART begegnet, dann muss er eben die gestochen scharfen Bilder toter und zerfetzter Kinderkörper noch oben ‘drauf packen.

Embedded press sucks.
Eine smarte Scheißidee der US-Armee, eingeführt nach Vietnam, nicht ohne Grund. Die Bestie will in Ruhe werkeln, die Millionen von protestierenden Studenten, welche damals auf den Marmorstufen vor dem Kapitol herumlungerten, hielt ja keiner aus. Dito der Granit in Moskau, oder die grauen Platten unter den Wolken von Berlin. Back in the rear, with the gear.

Der Schlüsselmoment im Roman kommt ohne jedes Pathos aus:

“‘Das ist kein Spiel’, meint Ana.
‘Nein, das ist Krieg’, erwidert Jimena. “Der Krieg den es immer gab.’ Pablo versteht. Der Krieg zwischen Arm und Reich, zwischen den Mächtigen und den Ohnmächtigen. Die einzige Waffe der Schwachen ist es, die Mächtigen zu beschämen. Wenn sie denn der Scham fähig sind.”

Mit diesem Gedanken leistet sich Mr. Winslow einen seltenen Moment ultimativer Hoffnungslosigkeit. Die Mächtigen geben einen Scheiß auf das Fußfolk. Der amerikanische Finanzhai Warren Buffet schwadroniert: “Natürlich ist es ein Klassenkampf. Und wir sind dabei ihn zu gewinnen.” Nick Hanauer, Milliardär und Amazonmitbegründer, widerspricht: “Ich sehe die Mistgabeln!” Mr. Buffet hat eine kleine Wampe, er sollte besser hinhören …
… oder auch nicht. Es interessiert ihn einen Dreck – Hanauer ist der Außenseiter, nicht er.

Wie gesagt, auch Don Winslow ist Amerikaner: Die guten unter ihnen könnte man als romantische Realisten bezeichnen. Der Mann wird seine Zweifel haben, ob die Scham der Reichen reichen wird, uns vor der Hölle auf Erden zu bewahren.
Genau das ist der Grund, warum er sich und uns dieses Buch antut.

Outro:

What about us?

Wie begegnet man der Tatsache, dass wir in der Externalisierungsgesellschaft letztendlich alle Täter sind, in dem Sinne, dass wir uns der unterlassenen Hilfeleistung und des Schmarotzertums schuldig machen, jeden Tag, mit jeder Panik bzw. Konsumrausch-Attacke, mit jedem beschissenen Plastefussel T- Shirt eines Billig-Discounters, dass unfassbar arme Menschen unter maßlos schlechten Arbeitsbedingungen herzustellen gezwungen sind, dass sie jeden einzelnen Tag heilfroh darüber sind, wenn ihre Textilfabrik mal nicht über ihnen zusammenkracht.

Wir stellen uns kriminellem Handeln nicht entgegen. Den Regierenden, den CEO’s der Konzerne, den Ratingagenturen, die die Geldflüsse kontrollieren, oder dem IWF – der unseren Reichtum erst ermöglicht, weil er armen Ländern weltweit nur dann Kredite gewährt, wenn sie internationalen Konzernen den Zugang zu ihren Ressourcen gewähren, so dass sie förmlich ausbluten. Die Regierungen weltweit sind schwach, oder korrupt. Meist sind sie beides. Abhängig von der Gnade der Lobbyisten, weil sie sich von Leuten Geld leihen, deren Tun sie zum Wohle der Allgemeinheit in die Schranken weisen müssten. Hoheitsaufgaben und die damit verbunden Sicherheits-, Kontroll- und Einnahmemöglichkeiten landen im privaten Sektor. Den militärisch-industriellen Komplex gab es aber nicht nur in der Abdankungsrede von Präsident Eisenhower …

All den Mächtigen, also auch den Drogenbossen, all jenen die im Hintergrund die Fäden ziehen, ermöglichen diese Regierungen – sowie auch wir, die wir sie wählen – erst ihr Tun.
Weil wir schwach und leer, und einfach nicht glücklich zu kriegen sind. Weil wir uns leisten uns einzubilden, dass Kampf-shoppen daran etwas ändern kann. Weil wir alles sofort haben müssen, und anstelle von Geld was wir nicht haben, mit einem bunten Plastekärtchen bezahlen, welches direkt aus der Hölle kommt.

Weil wir uns unbedingt ablenken müssen!
Mit Dauerkonsum, und – mit allen Arten von Drogen. Der weiße Rauch der alten Indianer Nordamerikas wird zum kristallglitzernd betäubenden Rausch für die Sinne, weil wir es ja ansonsten hier unten nicht ertragen. Ein weiteres Allheilmittel klingt vom Namen her abstrakt, aber jeder scheint sich etwas tolles darunter vorstellen zu können: Wachstum. Wir denken: Super, Kaufkraft für mich und dich und unseren süßen Kleinen! In Wahrheit ist dieses Wachstum wohl eher das Wachstum des Reichtums all derer, die uns jene Matrix erschaffen, mit der wir unser Leben aushalten.

“Yep!”, sagt da natürlich auch die mexikanische Drogenmafia: “Wir sind dabei!”

Und eine Drogenbaronin aus Mexiko City raunt Art Keller zu:

“‘Sie wissen wie die Dinge laufen’, sagt sie. ‘Vielleicht dienen wir nicht dem Gemeinwohl, aber wir sind das kleinere Übel.’
Wenn sie mich für so katholisch hält, denkt Keller, müsste sie wissen, dass es für mich kein kleineres Übel gibt, nur das Böse an sich, ohne Abstriche.”

Womit wir zum Schluss den Umgang mit dem Terror streifen, eingedenk des immer blutigeren, immer verbissener geführten Kampfes des Drogenfahnders Art Keller, welcher langsam aber sicher dessen Seele zerstört, und ihn beim Nachdenken über den Preis für diese ganze Scheiße, schier verzweifeln lässt:

Entweder: Auge um Auge, gezielt die Köpfe der Hydra abschlagen, immer und immer wieder. Ups. Die Köpfer köpfen? Sondergesetze! Eine spezielle Rechts-, oder besser Schnellgerichtssprechung! Demokratie? Fuck it, ist doch zu deren Schutz, du Scheißliberaler! Zugeschnitten für Terroristen, Narcos, Mafiosi, und was uns bald sonst noch einfällt …
Oder sagen wir: Das machen wir nicht mit, so wollen wir nicht sein. So weit wollen wir uns nicht verändern. Dann hätten die Drecksäcke, die das World Trade Center in die Luft jagten, ja gewonnen. Terrorismus, Drogenhandel, Viren: Sie entdecken heutzutage ihre Möglichkeiten. Sie agieren global. So oder so, sie kommen. Alle miteinander. Mit einer 747 nach Frankfurt.

Flugzeugabstürze und Terroranschläge sind das ultimative Grauen, aber jährlich kommen mehr Leute im Straßenverkehr zu Tode.
Aber damit nicht genug. Zumindest an der Höhe der Opferzahlen, können wir drehen: Jeder Drohnenmord, erhöht die Zahl der Feinde der Sonne, die über unseren Köpfen scheint. Jeder Namenlose im Jemen hat einen Sohn oder eine Tochter, deren Hass auf uns wir gottverdammt nochmal ernst nehmen sollten.

Von Krieg und Terror einmal abgesehen: Die Menschen, an deren Chancen auf ein Leben in Würde, wir uns mit unserem als selbstverständlich empfundenen, nicht hinterfragten Reichtum versündigen, kommen nun über stürmische See und mit dem Zug aus Budapest. Hallo, Erde! München hat ein Problem! Seehofer wird nicht durchgestellt, Merkel zeigt zum ersten Mal Eier in ihrer Regentschaft, und siehe da, die sind viel größer, und auch nicht so haarig, wie die vom Horst.

Spaß beiseite: Den falschen Flüchtling gibt es nicht. Menschen haben zu allen Zeiten schweren Herzens ihre Heimat auch dann verlassen, wenn zwar das Haus noch stand, sie aber am verhungern waren. So etwas nennt man Völkerwanderung, und die brachten schon so manches Imperium ins Wanken. Wenn es allzu starr war, sogar zum Einsturz. Wir haben die Welt komplett vernetzt. In fast jeder Beziehung.

Nun hängt auch alles miteinander zusammen.
Hatte olle Struck mit seinem verqueren Bild von der “Freiheit Deutschlands, die am Hindukusch verteidigt werde”, am Ende recht? Ein Gedanke der meinen geliebten Vater, wenn er kein so glühender Atheist wäre, auf seine alten Tage noch hinter die dicken Mauern eines Klosters treiben könnte …

Sollten wir uns eines Tages aufmachen, den Gedanken an ein wucherndes Wachstum als Definitum unserer heilen Welt zu korrigieren, indem wir Gesellschaften aufbauen, die einem neuen Zauberwort folgen – und zwar dem der Lebensqualität und der Bewahrung der Würde eines jeden einzelnen Menschen, dann braucht sich auch niemand mehr zuzudröhnen, um über die Runden zu kommen. Den Drogenbossen dieser Welt wäre die Geschäftsgrundlage entzogen, die bärtigen mexikanischen Jungs aus Culiacan würden wieder zu Bauern, wühlten in ihrer Ahnen Erde, huldigten der Lady of Guadalupe und wären am Ende vielleicht sogar ganz glücklich dabei. Wie sagte doch die Mutter eines von den ZETAs getöteten Elitesoldaten zu Keller:

“Arturo – Sie vergelten einen Mord nicht durch Töten – Sie vergelten ihn durch Leben.”

Heiko Hesh Schramm

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