HESH rezensiert Der Anschlag  – JIMLA von Stephen King

 

Harry Dunning, Hausmeister an einer Highschool irgendwo im Mittelwesten der USA, besucht den Schreibkurs für Analphabeten. Gerade hat er seinen ersten Aufsatz beendet. In ungewöhnlich klaren, beinahe kindlich naiven Worten erzählt der alte Mann, wie sein eigener Vater eines Tages plötzlich ausgerastet, und zum Mörder an Frau und Kindern geworden war. Nur er selbst hatte überlebt. Das war irgendwann, gegen Ende der Fünfziger gewesen. Der Lehrer Jake Epping, welcher den Schreibkurs betreut, fühlt sich seltsam berührt …

Jake hat einen Kumpel, den Besitzer von AL’s Diner. Steaks und Burger in dem Laden sind riesig, das Fleisch ist zart und saftig wie in alten Zeiten. Lediglich der Preis für die Schlemmerei gibt Anlass zu Spekulationen, er ist dermaßen niedrig, dass er sich wie ein schlechter Witz anhört. Weshalb ihn auch niemand glauben will – die Bude hat einen miesen Ruf und steht kurz vor der Pleite.

Eines Abends gebärdet sich Al wie Rumpelstilzchen. Er springt im Kreis, die dünnen Glieder fliegen hin und her. Die Gäste beginnen ihn zu mustern, wechseln vielsagende Blicke, welche tatsächlich aber rein gar nichts aussagen: ”Nun wissen wir endlich, was wir schon immmer geahnt haben, auch wenn wir keine Ahnung haben, was wir schon immer geahnt haben …”.

Al bittet Jake, nach Ladenschluss auf einen Drink zu bleiben. Ohne Umschweife kommt er zur Sache: Im Lager seines Restaurants gäbe es eine Art Tor in die Vergangenheit des Jahres 1958. Al behauptet allen Ernstes, bereits seit langer Zeit in den Fünfzigern und Sechzigern zu leben … woher bitteschön – hält er dem verdutzten Jake unter die Nase – würde wohl sonst das grandiose Rindfleisch kommen, welches er seit Jahren so günstig anböte? Nun ja, die Lebensmittelpreise im Jahre ‘58 …, aber egal, denn eigentlich sei er ja – fährt Al fort – in einer Art einsamer Mission unterwegs: Eines Tages hätte der Gedanke von ihm Besitz ergriffen, dass die Welt heute eine bessere wäre, wenn JFK damals in Dallas nicht ermordet worden wäre. Weil, zum Beispiel, jemand beherzt eingegriffen, und das Attentat verhindert hätte. Jemand der genau wusste was passieren würde, hätte doch zumindest eine kleine Chance, oder etwa nicht …?

Al gesteht Jake, dass er es noch nie bis ins Jahr 1963 geschafft hat. Jeder weitere Versuch, da drüben, würde leider immer wieder im Sommer ‘58 beginnen. Wieder und immer wieder.  Nur Bill Murray wisse, wie belastend so etwas werden könne, mit der Zeit-

Ziemlich lästig sei zudem, dass bei jeder Rückkehr in die Neuzeit, stehts nur zwei Minuten vergangen seien, er selbst aber all die Jahre auf dem Buckel habe, die er tatsächlich in der Vergangenheit verbrachte. Auch sei ihm, bedauerlicher Weise, die schlechte Luft nicht sonderlich gut bekommen, erklärt er hustend.

Samt blutigem Auswurf spuckt Al die bittere Wahrheit aus: Er hat Lungenkrebs im Endstadium. Seine letzte Reise wird kein Ziel mehr haben. Er bittet, appeliert, am Ende fleht er: Jake solle an seiner statt da ‘rüber gehen, sich einleben und um Gottes Willen durchhalten, bis Ende November ‘63. An diesem, diesem Schicksalstag, müsse er einen Weg finden Lee Oswald’s Treiben ein Ende zu bereiten. Und alles, alles werde gut werden-

Jake ist skeptisch. Er verspürt eher Mitleid für das hustende Wrack, was da vor ihm an seinem Eistee nippt und diese abstruse Grütze vom Stapel lässt …

… und damit, ist der Mann nicht allein. Hesh erging es ähnlich, wärend der ersten Seiten von Stephen King’s neuem Schocker. Zeitschranken und all der übersinnliche Spuk … na, aber sicher doch. Außerirdische auf dem Hochhausdach, vor allem aber diese niedlichen kleinen, grünen Zombies im Briefkasten, lösen beim Verfasser unweigerlich Teilnahmslosigkeit bis hin zum Strömungsabriss aus.  In diesen Zeiten lauert der wahre Horror zwischen den Seiten der Financial Times, jede Nachrichtensendung wird zum Kriegstagebuch.

Und dann auch noch so heilige Kühe wie der Kennedy-Mord!?

Aber genau wie wir begierig weiterlesen, wenn ein verbeulter Flugschreiber seine schrecklichen Geheimnisse offenbart, so fühlen sich auch Jake und Heshie von der Möglichkeit angezogen, dass alles wahr sein könnte …

Mr. King hat uns am Haken.

Also mixt Hesh sich’n Drink, und Jake unternimmt seinen ersten kurzen Trip in die Vergangenheit. Wie zum Beweis, dass Al’s Story stimmt, holt er sich prompt eine Magenverstimmung von einer Limo aus dem Jahre ‘58.

Was solls, in der Gegenwart hält ihn nichts, seine Schüler nerven, er ist einsam, seine Frau hat ihn verlassen. Einem Geflecht aus den Ranken verblühter Rosen gleich, hält die Verbitterung Einzug in seinem Leben, was er sich ebenso widerwillig eingesteht wie die Tatsache, dass er drauf und dran ist, seine innere Mitte von kauzig, auf zunehmend wunderlich umzustellen: Er vermisst seine Ex-Frau, obwohl er verdammt nochmal froh sein müsste, diese neurotische Kuh endlich los zu sein.

In der Vergangenheit, ist da eindeutig mehr los. Durch Zufall entdeckt Jake, wie man mit dem Wissen von heute – beispielsweise was den Ausgang bestimmter Sportereignisse angeht – zu Geld kommen kann. Er nimmt sich vor, zuerst den Mord an der Familie von Harry Dunning, dem Hausmeister, zu verhindern. Und wenn er schon einmal dort, beziehungsweise, da ist, spräche auch nichts dagegen, sich anno ‘63 ein wenig um Mr. Oswald kümmern.

Aber die Vergangenheit wehrt sich. Sie will um keinen Preis geändert werden …

Ein Virus, mitten aus dem Busch Afrikas, nimmt heutzutage den Flieger nach Frankfurt, krabbelt auf eine unserer guten, deutschen Gurken und tobt sich in unseren Därmen aus. Eine Dürre in Nordamerika, multipliziert mit dem – nur kannibalisch zu nennenden Geschäftsinn der Rohstoffbörsen – löst unfassbare Hungersnöte in den Ländern der dritten Welt aus. Und der sichere Fluss russischen Erdöls, für die Volvos der Wutbürger, scheint allemal 3-7 Jahre Knast für Pussy Riot wert zu sein. (Was nicht heißt – in diesem Punkt bleibt Hesh als glühender Atheist eisern – dass die Entweihung des Altars einer Kirche, auch nur im Ansatz akzeptabel wäre.)   

Abzuschweifen, ist vom Spaßfaktor her höllenhündisch, solange die Boots den Weg zurück nach Hause finden …

Also: In der Synergie einer globalen Welt, spiegelt sich unser aller Verbundenheit wie Abhängigkeit.

Ganz ähnlich verhält es sich mit dem Strom der Gezeiten. Entlang der Timeline durch die Jahrzehnte, sind die Positionen klar verteilt: Vergangenheit und Gegenwart stecken die Köpfe zusammen, sie halten zusammen gegen die Zukunft.

Stephen King beschreibt den Schmetterlingseffekt, wenn sich sein Held mit der heutigen Vergangenheit, in ihrer eigenen Gegenwart anlegt.

Mr. George Amberson, so nennt sich Jake in den Swinging Sixties, merkt recht schnell, dass, indem er guten Gewissens Schreckliches verhindert, sich die Dinge plötzlich auch an vielen anderen Stellen völlig unkontrolliert verändern. Zu Beginn sind es die Lebenswelten einzelner Protagonisten, am Ende ist es der gesamte Planet, welcher in den Strudel einer fast mystischen Instabilität gezogen wird.

Das kaputte Fundament eines Hauses kann man nicht einfach unter 20 weiteren Stockwerken hervorziehen. Der daraus resultierende Trümmerhaufen ist ebenso gewiss, wie die komplette Veränderung unserer Gegenwart, wenn jemand – aus welchen Gründen auch immer – in die Vergangenheit eingreift. Stephen King verweist an dieser Stelle auf den ewigen Bestand der Naturgesetze und warnt vor den Gefahren, diese eines Tages allzu stark herauszufordern, sollten wir – allein fokussiert auf unsere technischen Möglichkeiten – Gefahr laufen, auch noch den letzten, kläglichen Rest an Ethik aus den Augen zu verlieren.

Diese Erkenntnis lässt er seinen ambitionierten Helden mit zunehmender Intensität spüren, Hesh regt es an darüber nachzudenken, welche seiner heutigen Macken wohl etwas mit einem Streit mit Sylvio auf dem Schulhof so zirka um 1980 zu tun haben könnten, oder inwieweit einige seiner angeblichen Erinnerungen überhaupt jemals der Realität entsprachen …

Der Anschlag ist zugleich ein Anschlag auf jede Form der Kategorisierung: Übernatürlich und realistisch, philosophisch und reißerisch – ein wahrhaft historischer Roman, inklusive der fast perfekten Illusion einer tatsächlichen Begehbarkeit der Vergangenheit. Mr. King lässt uns fast körperlich eintauchen in die Welt der Fünfziger und Sechziger Jahre: Er beschreibt die Aromen eines Root Beers so plastisch und geschmacksintensiv, dass es einen unbändig danach verlangt, daran zu nippen; nicht zu reden von der Vorstellung in einen 55iger Chevy einzusteigen, dessen Inneres vom Geruch  nagelneuer Ledersitze durchdrungen ist  …

Aber, von wegen ‘früher war alles besser’: Mr. King verschweigt sie nicht, die Schattenseiten: Rückständiges Denken, medizinische Steinzeitmethoden, immerwährender Tabak- und Benzingestank. Schlussendlich benennt er Konstanten menschlichen Sozialverhaltens: Ach, sieh’ an, is’ ja nich’ wahr: Rassismus und Fremdenhass weilen schon sehr lange, und frisch wie eh und je unter uns.

Ein anderer Bereich in der DNA dieses Romans, dreht sich um die Fragen des Vertrauens zueinander, wenn wir lieben. George veknallt sich in Sadie – an einem Tag, an dem er, technisch gesehen, noch nicht einmal geboren ist. Die hochaufgeschossene junge Frau blickt auf eine traumatische Vergangenheit zurück – in früher Jugend aufgrund der Ignoranz und Gefühlskälte ihrer Eltern seelisch zurechtgeschossen, war sie direkt in ihrer ganz persönlichen, bereits auf Erden zu durchlebenden Hölle gelandet – einer von körperlicher Gewalt geprägten Ehe mit einem sadistisch veranlagten Mann. Jeder Muskel in Sadie’s Körper ist übersäuert von Anspannung und abgrundtiefem Misstrauen. Zu letzterem bekommt sie auch bei ihrem neuen, so geheimnisvollen Liebhaber reichlich Gelegenheit. Dessen beinahe hellseherischen Vorahnungen, sein unerklärliches Wissen über den Verlauf geschichtlicher Ereignisse, an jedem einzelnen morgendlichen Tag – von dessen Verlauf sie, so wie alle anderen auch – am Abend zuvor natürlich noch keinen Schimmer hat-

Frauen erwarten, belogen zu werden. Manchmal, erscheint ihnen das sogar als das kleinere Übel, nichts auf der Welt verabscheuen sie mehr, als den zäh dahinfließenden Schleim aus Halbwahrheiten. Andererseits bestehen sie eher selten darauf, mit der Ganzen, der Ungeschminkten … behelligt zu werden. Vielleicht wenn die Flut kommt, oder an Tagen, deren Datum dem einer Primzahl entspricht. Aber auch da gibt es Ausnahmen … will sagen: Gerade weil George ernsthaft versucht, Sadie einen ehrlichen Einblick, zumindest in einige Abschnitte seiner seltsamen Situation als Zeitreisender zu geben; andererseits aber – aus Angst sie zu verlieren und um sie zu schützen – lange nicht mit der vollen Wahrheit herausrückt, wächst ihre Unsicherheit an seiner Seite zu einer von Eifersucht befeuerten Verzweiflung heran, die zu einer ernsten Bedrohung für die Liebe wird.

Und irgendwo da draußen, treibt auch noch Lee sein Unwesen.

Im Vorwort schreibt Stephen King, er wäre über Jahre davon ausgegangen, dass JFK einem Staatsstreich zum Opfer fiel. In einer wahren Sturzflut an Romanen und sogenannten Sachbüchern mit speziell diesem historischen Hintergrund, unter anderem von Norman Mailer, Anthony Summers oder dem ehemaligen Bezirksstaatsanwalt von New Orleans, Jim Garrison, balgen sich abwechselnd die CIA, die Exilkubaner, das US-Militär in friedlicher Symbiose mit der Waffenindustrie, die Mafia – welche auch die gesammelte Gegnerschaft seines Bruders Robert umfasst – und natürlich Fidel Castro, der, was die zwar dilettantischen, auf jeden Fall aber äußerst lästigen Mordpläne der CIA anging, rotzfrech und voll verwegen, irgendwann einfach den Spieß herumgedreht habe, denn, immerhin, sollen diese Machenschaften von der US-Regierung autorisiert gewesen sein, also von JFK höchstpersönlich …

Man freut sich fast für Marylin, dass sie es vorher geschafft hat, aus diesem Tollhaus rauszukommen, sie hätte eine 1A Mittäterin abgegeben.

Ein erschreckendes Fallbeispiel, wie schlampig geführte Ermittlungen die Gerüchteküche über Jahrzehnte anzuheizen vermögen, stellt in diesem Zusmmenhang der berühmt berüchtigte Warren-Report dar.

Und wofür das alles?

Weil die Regierung die Wahrheit über Kennedys tatsächliche Machenschaften wusste, die wirklichen Beweise und Unterlagen, dass er als Opfer der üblichen Verdächtigen jedoch nicht wirklich in Frage kam, aber auf keinen Fall veröffentlichen wollte. Nichts war willkommener um die Kräfte der Konservativen zu bündeln, als Kennedys Heiligenschein liberaler Fortschrittlichkeit. Das Pendel, der Name verweist auf den alleinigen Zweck, das Pendel sollte pendeln – weiter und weiter, Jahrzehnt um Jahrzehnt – es sollte kräftig Schwung holen und weit ausschlagen. Es würde Amerika in die Hände der Herren Nixon und Reagan treiben, und eines fernen Tages der Bush-Dynastie ins weiße Haus verhelfen …

Ganz so, wie man Pearl Harbor zwar nicht herbeiführte, auch nicht wissentlich geschehen ließ, aber sehr wohl das Ergebnis zu nutzen wusste, um das Land gegen die Nazis zu mobilisieren. Und so schrieben die alten Herren um Earl Warren Seite um Seite voll mit Aberwitzigkeiten – nur um ein Beispiel zu nennen – es war ernsthaft von um die Ecke fliegenden Kugeln die Rede.

Noch Jahrzehnte später ging in Hollywood das Gerüchte rum,  dass ausgerechnet Magneto, einer der gefürchteten Mutanten aus der X-Men Saga, samt seiner berühmt-berüchtigten magnetischen Hände just an dem Tag auf der Elmstreet gesichtet worden wäre …äh-

Im Grunde ist der gesamte Warren-Report eine Art missratener Stephen King-Roman, den der Mann höchstselbst als Niete verbucht und in den Papierkorb verschoben hätte –  Mr. King hat schließlich ein Gewissen.

Sollte man Leuten wie Jim Garrison oder Oliver Stone etwas verübeln? Nein, ihre Beiträge sind spannend und mehr als ein berechtigter Beitrag, zu einer der unerlässlichen Debatten die eine demokratische Nation führen muss, wenn sie ihre Normen in der Gegenwart verteidigen und für die Zukunft bewahren will – den quälenden Fragen nach den dunklen Kapiteln der eigenen Geschichte.

Der Kern bei Kennedy ist Schuld und Hybris. Der Rest war Sex und eine verdammt gute Show. Aber in einem Land, in dem die real bad guys  unvergleichlich saftig und viril ihr Unwesen treiben, ist es kaum verwunderlich, dass die schillernden, smarten Kennedy-Boys gleich als die Ausgeburt des Guten, als Inbegriff der Fortschrittlichkeit durchgingen.

Mit den tatsächlichen Verdiensten der Mächtigen ist es so eine Sache. Entscheidend ist, was am Ende bleibt.

Was die Kennedys angeht, so ist nur eines unumstritten: Ihre Administration erfüllte die Herzen der Menschen mit Zuversicht, und gab ihnen den Mut zur Veränderung, sowie die Hoffnung auf ein besseres Leben, auf ein gerechteres Amerika für jedermann mit auf den Weg. Ob berechtigt oder unberechtigt, oder gar alles ein großes Missverständnis, spielt für die Geschichtsbücher keine Rolle. Diese Kladden, vollgeschrieben mit den Spitzenresultaten der Energien menschlichen Handelns, zollen den Brüdern mit den Weltklassefrisuren Respekt. Das was sie auslösten, konnte nicht ungestraft bleiben. Wenn auch nur in dem Sinne, dass man es verstand, ihr furchtbares Schicksal für die eigenen Zwecke auszunutzen.

Wie auch immer, Stephen King verschlang begierig all die verschiedenen Theorien über den Mord an JFK. Als der Rauch sich verzog, war er zurück bei Oswald.

Der ungefähr so viel über komplexe Zusammenhänge wusste, wie ein Attentäter heutzutage, aber die selbe Wut im Bauch hatte.

Der sich, in bitterer Armut, seine Frau Marina wieder und wieder verprügelnd, hineinsteigerte in Hass und Wut, aber vor allem, in grenzenlosen Neid – auf das strahlende Haus Camelot.

Ein vom Leben erniedrigter Mann, in dessen Hirn vor lauter Seitenwechseln ein wirres Knäuel von Weltanschauungsgebräu rumorte und der sich auserwählt glaubte, den Racheengel zu spielen.  Ganz ähnlich einem gewissen Batman-Fan heutzutage, bei dem ein erstes kleines Burnout an der Uni, sowie die Tatsache, dass seine Highschool-Liebe ihr Recht auf Emanzipation vielleicht dahingehend auslegte, auf dem Campus jemand anderem einen abzukauen … zu der finalen Erkenntnis führte, sein eigenes beschissenes kleines Leben wegzuwerfen, um ein Exempel zu statuieren.

Tickende Zeitbomben, in den Herzen einer ganzen Armee von Totalversagern. We don’t know.

Nur der Tod all der Unschuldigen ist stets, grauenhaft plötzlich, mehr als real.

Stephen King hat keine ermordete Mutter zu bieten, wie James Ellroy. Seine Obsession, dieses Buch zu stemmen, ist die des Zeitzeugen. So wie wir heute allesamt wissen, wo wir am 11. September 2001 waren – von welch sinnloser Tätigkeit wir wie paralysiert aufsahen um unsere Netzhaut in die nächstbeste Mattscheibe hineinzufräsen – so hat Stephen King als jungen Mann der Mord an JFK geprägt. Was er damals nicht wissen konnte, dieses Fanal würde ihn Zeit seines Lebens nicht loslassen. Nun, er hat sich in Etappen herangerobbt: In einem seiner frühen Werke, dem 1979 veröffentlichten Dead Zone, befasste er sich erstmalig mit dem Thema des politischen Mordes.

Ein durch einen Unfall zum Hellseher verdammter junger Mann namens Johnny, ist fest entschlossen die Wahl eines Anwärters auf die Präsidentschaft notfalls durch dessen Tötung zu verhindern, denn er erkennt in ihm den neuen Hitler …

Mr. King verwies in einem seiner wenigen Interviews darauf, dass er den Anschlag bereits vor 20 Jahren schreiben wollte, es aber noch nicht konnte. Der Druck scheint über die Jahre nicht kleiner geworden zu sein. Irgendwann zwang Mr. King seinen kaputten Rücken durchzuhalten, um es sich von der Seele zu schreiben.

Es hat sich gelohnt. Das Buch wird seinen Autor nicht nur weit überdauern, es hat Stephen King auch neue Leser zugeführt. Leute, die sonst bereits bei der Erwähnung des Wortes Horror, einen längst überwundengeglaubten Akne-Ausbruch hinnehmen müssen.

Denn wer, bitteschön, gemahnt uns sonst noch, auf so dermaßen unterhaltsame Weise endlich zu kapieren, dass wir es nur in der gottverdammten Gegenwart in der Hand haben, für eine machbare Zukunft zu sorgen.

Was einen gewissen Mr. Oswald angeht, könnte Mr.King’s Seele nun Ruhe finden. Dessen Jünger allerdings, stehen bereits Schlange. In einer Welt, die sich Tag für Tag ein Stückchen mehr in die Hölle korrumpiert und in der keinerlei Respekt vor Andersdenkenden existiert, erscheint das Klima für die Verblendung zu kurz gekommener junger Männer, die zu allem entschlossen sind, günstiger denn je. Die Bestie hat nichts dagegen. Wie immer nach einer Zeit des relativen Friedens, stehen geostrategische Erdplattenverschiebungen an. Mit dem Erzeugen von ein wenig Instabilität kommen die nun mal am besten in Schwung. Hinter jedem Terroristen seine Ordnungsmacht …

… wäre ein zu schöner Schlußsatz.

Zum einen würde er jedoch die Grundthese dieser Zeilen über den Haufen werfen – für die Army of Hesh an sich kein Problem –  vor allem aber – und das kratzt dann schon mal derbe – die auch in ihm reflexartig angelegte Sehnsucht, nach Vereinfachung offenbaren. Die Sehnsucht danach, dass irgendwo in entlegenen, supergeschützten Villen, an Stränden voller sonnendurchfluteter Unberührtheit ein Horde feister Superreicher zusammengluckt und mal eben die Geschicke der gesamten Menschheit lenkt, sagen wir, so von jetzt ab, in einem Zeitintervall der nächsten fünfzig Jahre …

Oh my god!  Da wär ja allet’ noch lösbar – die Erderwärmung nahezu augenblicklich gestoppt, der Weltfrieden spätestens nächste Woche gerettet. Denn diese Bande könnte man ja, rein theorethisch, finden und in den Swimmingpool schmeißen.

Tatsächlich agiert der komplexe, knäuelartige Plot des Lieblingshorrorfilms von zirka 7 Milliarden Menschen, genannt, das reale Weltgeschehen, auf diabolische Weise fast demokratisch: Selbst die Reichen und Mächtigen sitzen mit im Kino, manchmal klappt uns allen miteinander die Kinnlade runter.

Der Rest läuft allerdings streng im Rahmen individueller Möglichkeiten. Für Mr. Stephen King jedenfalls, hätte sich Athene noch einmal völlig neu erfunden –  als Dreilochstute.

 

Heiko Hesh Schramm

 

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