Seagulls & Nations

Seagulls & Nations

whatever corrosion
the sea remains
cause it’s always in motion
it’s never the same

whatever devotion
the sea remains
feeling lost in transition
there’s no one to blame

seagulls and warplanes flying high
empires and nations passing by
lovers and liquor make you high
remember her name, she leaves you dry

whatever probation
the sea remains
here or in prison
it’s always the same

whenever permission
the sea remains
there’s no concessions
it’s always insane

eagles and drones flying high
waiting for chances, leaves a long sigh
poisoned temptations, as hard as you try
betraying your friends, it’s always a lie

Fran & HESH

Möwen & Nationen

Verwitterung und Rost
das Meer bleibt
immer in Bewegung
niemals gleich

Hingabe oder Trotz
das Meer bleibt
fühlst dich gefroren
die Schuld schweigt

Möwen und Kampfjets fliegen vorbei
Imperien und Nationen sinken wie Blei
Liebe und Suff – die machen dich groß
kein Platz für dich – in ihrem Schoß

Hoffen auf Bewährung
das Meer bleibt
hier oder im Knast
bleibt sich gleich

Mit oder ohne Erlaubnis
das Meer bleibt
keine Zugeständnisse
bis es dich zerreibt

Adler und Dronen fliegen weit
Warten auf Chancen, immer –
und niemals bereit
Falsche Versuchungen – vergiften dich bloß
Freunde sind so leicht zu verraten –
doch spürst du im Hals, den ewigen Kloß?

HESH & FRAN

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Studio B – HESH on Veit Pätzug

Photo by Andy Menz

Photo by Andy Menz

Dynamo

HESH rezensiert Schwarzer Hals, gelbe Zähne von Veit Pätzug.

Mein Sohn Al fährt Stunt-Scooter, skatet wie der Teufel, BMX-Rad fährt er auch, und wenn die demnächst noch was neues rausbringen …, egal, jedenfalls hängen wir oft am Lingner rum. (Mitten im Zentrum von Dresden – Lingner-Allee – Dynamoland!) Ich glotz ihm zu, wenn er wie’n Wirbelwind über die Skaterbahn peest, lese dicke Wälzer über John F. Kennedy und betrinke mich entspannt. Eines Samstagnachmittags fluteten die Fans von Dynamo die Szenerie, wie ein endloser Strom aus schwarz-gelben Leibern. Nur’n paar Meter entfernt von mir und meiner eiskalten Bierbüchse, versammelte sich ‘ne Truppe Dresdner Ultras, jeweils auch mit ‘ner noch vollen Flasche in der Hand. Das war’s aber auch schon mit den Gemeinsamkeiten …

Damit ihr euch das vorstellen könnt: ich seh’n bisschen aus wie’n Boxsportreporter aus Dallas, Texas, allerdings aus der Zeit so um zirka 1962: Hut und schmales Schlipschen, dazu auch noch, halt dich fest, Cowboy-Boots! Alles in allem, wohl’n ziemlich krasser Aufzug für’n Rudel junger Kerle, die eher auf UMBRO Sweatshirts stehen …

Daher bekam ich von den Jungs auch’n paar Blicke ab, als wär ich vom Mars oder so. Mist. Ok, ich plusterte mich also künstlich ein bisschen auf, und versuchte einen auf dicke Hose zu machen. Ich stellte mir vor, ich wär, also, äh, mindestens ‘n Mafia-Killer. Batman is’ nun wirklich  durch …

In Wahrheit, hatte ich natürlich den Arsch voll – Horden von jungen Typen mit Wut in den Augen lösen bei mir zuverlässig Anfälle von Blähdurchfall aus. Diesen von der Art, wo man nich’ weiß, ob’s nass rauskommt, Comprende? Für ‘nen kampferprobten Schisser, also Flucht nach vorn: das Männlein mit Hut schlurfte betont lässig zu dem Pulk hin und – FUCK (!), bekam es doch tatsächlich hin zu fragen:

“Gegen wen spielen wir’n heute?”

Mindestens 7 Augenpaare nahmen mich ins Visier und wurden dunkelgrau.

“Wir?”

“Hackt’s, du Pansen?”

Ok, abgelofen und bumm Ende.

Dabei fand ich die BILD-Schlagzeile damals doch selber voll zum Kotzen: Von wegen “WIR sind Weltmeister” und so’n Scheiß …

Veit Pätzug, welcher das vorliegende Buch zusammenstellte, hat kein Glaubwürdigkeitsproblem. Er ist mit Dynamo aufgewachsen, aber selbst für ihn war es am Anfang nicht so einfach, mit den Jungs ins Gespräch zu kommen.

Du gehörst dazu, oder eben nicht.

Gründe für gesundes Misstrauen sind reichlich vorhanden. Die allzu oft arg einseitige Berichterstattung deutscher Printmedien, zumeist mit Fokus auf tatsächliche, oder angebliche Gewaltexzesse, kennen und hassen die Fans bis zum Erbrechen. Ein schier endlos schwallender Strom aus  zugespitztem, und, na klar, meistens von Außenstehenden abgelassenem Dünnschiß. Irgendwie hab ich’s heute rektal, und, ausgerechnet ich muss über Außenstehende herziehen …, der Punkt ist:

Über das Buch Schwarzer Hals, gelbe Zähne hat sich eigentlich niemand auszulassen.

Es gehört den Fans.

Purer ungeschönter Hardcore. Punkrock. Saftet wie Atze, die Schreibe, weil diejenigen zu Wort kommen, die wissen wovon sie reden. Dieses Buch liest sich, so wie es war und wie es hätte bleiben sollen, bevor der Ausverkauf einsetzte. Aber der lässt ja, egal in welchem Business, nie lange auf sich warten.

Pätzug führt Interviews mit Fan-Urgesteinen von Dynamo, mit Dresdner Ultras, aber auch mit Polizeieinsatzkräften. Und, er stellt die richtigen Fragen. Das muss man erstmal schnallen, wie der Mann sich selbst zurückhält. Nirgends ein Werten oder Moderieren für die liebe Außenwelt, kein Reingewasche, oder wie auch immer geartete Rechtfertigungen für irgendwas, in Richtung “interessierte” Öffentlichkeit. Den interviewten Jungs ist und bleibt eh scheissegal, was irgendein Gutmensch von ihnen denkt. Sie gewähren einen Einblick in ihre Sicht der Dinge, verweisen auf die speziellen Unterschiede unter den einzelnen Fangruppierungen und beweisen einen erstaunlichen Sinn für Humor. Und, wie gesagt, sie offenbaren einen salsa-scharfen Riecher für alles, was nach kommerzieller Ausschlachtung stinkt.

Veit Pätzug gelingt mit diesem Buch etwas Einzigartiges: Er legt eine Chronologie der Geschichte der Dresdner Fankultur vor, welche über reine Spielstände, glorreiche Auf- und bittere Abstiege, sowie die schlichte Identifizierung mit einer Mannschaft über den Verkauf von Fan-Artikeln weit hinausgeht.

Die Geschichte eines Lebensgefühls.

In einem grandiosen FAZ Bericht zum vorliegenden Buch steht’s voll auf die Zwölf. Ich zitiere:

“Bücher von Fußballfans und über Hooligans gibt es viele. Besonders aufregend sind sie oft nicht. Hier wird aber eine Mentalitätsgeschichte von später DDR, Wende und wiedervereinigten Deutschland daraus – und es ist große, erschütternde Protokoll-Literatur, wie es sie seit den Siebzigern nicht mehr gegeben hat: Es ist das, was man hört, wenn man ein Stadion dröhnen hört – und wenn dann einer die einzelnen Stimmen herausfiltert und nach ihren Geschichten und Ansichten befragt.”
Zitat Ende.

Was ist das eigentlich?
Fan sein.
Sicher für jeden etwas anderes.

Für manche Leute der Teil ihres Lebens, welcher sich zu deutsch: Freizeit schimpft. Eine Sache unter vielen anderen, welche das Leben so ausmachen. Eben: gute Unterhaltung, vor allem – wenn’s gut läuft. Aufstieg, Sieg, und nur zwee’e vor ei’m, am Bradwurschtschtand …

Für andere bedeutet Fan sein: ALLES. Auch und gerade, wenn’s Scheiße steht. Und diese, in meinen Augen, wirklichen Fans, die werden dann aktiv, organisieren sich, entwickeln Rituale die nur sie verstehen, weil, nur für sie sind ‘se da! Sie schieben Ihre Mannschaft an, ja mehr noch: Sie kämpfen mit.

Zitat eines Dresdner Ultras aus dem Buch:
“Ich würde sogar behaupten, wir holen dem Verein auch den einen oder anderen Punkt, mit der Masse und Stimmung, die bei Dynamo herrscht. Ich denke, wenn die Spieler wie in München so eine schwarz-gelbe Wand hinter sich haben, dann wissen die auch, wofür die rennen. Gerade auch die jungen Spieler, die herkommen, sind schon wirklich fasziniert, wie’s hier abgeht. In den letzten 10 Minuten, wenn’s noch mal eng wird, sitzt da keiner mehr, da steht die ganze Hütte und brüllt. Ich denke die Jungs kriegen da nochmal ordentlich Wind – und der Gegner auch leichte Beklemmung im Darmbereich.”
Zitat Ende.

Da haben wir’s wieder: “Darmbereich …”, zieht sich heute scheinbar durch den ganzen Text, dabei ist von ”brauner Soße” noch nicht mal die Rede.

Zurück zum Fan sein.
Fan.
Sein.
Teil von “etwas” sein.

Letztendlich, gehts um Zusammenhalt. In guten und in schlechten Zeiten. Kannst du eigentlich auch mit deiner Frau haben, steht ja so im Ehegelübde, is’ aber äußerst selten. ODER, in einer Band: Das ist der blanke Wahnsinn, da, kenne ich mich aus. Die Beatles haben mal,  angesprochen auf ihren Erfolg, so geantwortet: “Weil wir vier waren!”

Dieses Gefühl einer verschworenen Gemeinschaft, findest du auch unter Soldaten im Kampf. DIE kämpfen nicht für das Gesülze ihrer Generäle oder irgendwelcher, schön im trockenen sitzenden Politiker, die pausenlos von einer ganz großen, und natürlich immer gerechten Sache faseln. Nein, sie kämpfen für den Mann neben sich, an ihrer Seite, für ihre Einheit, die Kompanie.

Irgendeinen Sinn muss das Leben doch haben …
Für viele junge Leute in Dresden, hat es aber schlichtweg keinen.

Jobs sind dünne gesät, ohne Kohle bist du draußen. Wenn du auch noch’n Querkopp bist, nicht brav und geräuschlos funktionieren willst, ja, am Ende noch etwas wirklich wildes in dir hast, dann kriegste die rote Karte und kannst maximal zum Arschamt schlurfen …

Was? Ist doch gar nicht so…?  Es liegt an jedem selbst? Jeder ist seines Glückes Schmied? Alles klar, Friendo.

Schon mal dran gedacht, das’n durchschnittlicher Zwanzigjähriger manchmal einfach keinen Bock auf Differenzierung hat? Für den zählt das gottverdammte Lebensgefühl hier, und das ist für die meisten Kotze.

Also suchen Sie sich was. Was ihnen gehört. Gleiche Interessen, gleiches Ziel, verschworene Gemeinschaft, und fertig is’ die Laube. Nenn’s ‘ne Family, wenn du so willst. Und diese Familie, die wird dann auch verteidigt.

Und für so manchen jungen Kerl im Osten, der immer nur hört, dass er das und das nicht hat, oder so und so scheiße is, bedeutet es noch was anderes: In der Energie eines Schlages mit der Faust, mal für ‘ne Sekunde wenigstens, frei zu sein! Selber zu entscheiden, ob’s auch paar zurück in die Backen gibt.

Kannst DU alles finden wie du willst, soll der Staat doch die Jugend im Osten endlich mal fördern, gern auch die sogenannte Unterschicht in Prohlis und Gorbitz, und nach ‘ner Weile mal wieder ’n paar Interviews mit der Bullerei zum Thema Jugend und Gewalt führen, da wird der Zusammenhang dann sicher von irgendeinem Soziologen völlig neu entdeckt werden und der darf dann nach Frankfurt am Main zum Kongress fliegen …

Wem die soeben angerissenen Zusammenhänge weiterhin als zu simpel wiedergegeben erscheinen, dem pack ich’n Nachschlag Klartext drauf, allerdings in Schleifen, ich muss mich ranrobben:

Thema: Verherrlichung von Brutalität, hemmungsloses Ausleben von körperlicher Gewalt usw.

Auftritt:  Der erlebnisorientierte Fan. Im Buch explizit darauf eingegangen, in dem Abschnitt über einen gewissen Samstach Anno 2002 …

Mist, es bleibt leider simpel und einfach, siehe auch:

Aggressionspotenzial. Das is’ drin im Menschen. Muss manchma’ raus.

So wie ficken wollen.

Männer gehen seit Jahrtausenden zu Frauen und bezahlen dafür, wenn die Ute keinen Bock mehr hat, oder noch schlimmer: es vielleicht gar keine Ute (mehr) gibt …

Damit das klar ist: Zur Prostitution gezwungene Frauen: Für Freier wie Zuhälter – bitte ein kräftiger Tritt in die Eier! Hingegen, freiwillig als Prostituierte arbeitenden jungen Damen gebührt, und zwar jeder einzelnen anteilig, der fucking …, oder besser, genau: der Fick-Friedensnobelpreis. Wird nie einer rausfinden, wie viele Vergewaltigungen die Ladys tagtäglich so verhindern.

Und so isses auch mit dem Gekloppe:

Mit der Gegenseite, welche auch Bock drauf hat, ‘ne prima Sache. Natürlich nur solange die Dynamo-Fans die Oberhand haben …
😉

Kleiner Scherz. Aber apropos umnieten: Unbeteiligte sollten definitiv heil bleiben, weil, hm, das sind, äh …, wie der Name ja sagt: Unbeteiligte.

Bleiben noch – die Bullen.

Niemand wird gezwungen, z.B. Fahrkartenkontrolleur zu werden. Und, nun ja, zum Bereitschaftspolizisten unter dem verehrten Herrn Markus Ulbig, muß man eben auch ein bißchen geboren sein. Etwas von einem Krieger, sollte da im Genpool schon herummäandern. Und manchmal, da gibts dann eben auch mal wat uff’n Helm.

Am Ende läufts darauf hinaus: Wer sät, wird ernten.

“Don’t take your gun to town” von Johnny Cash, erzählt in klaren Worten die alte Geschichte: Wer das Messer und die Knarre zieht, oder in DD Steine gegen Einsatzkräfte schleudert, der kann eben auch sein Gebiss einbüßen. Dann sieht er halt scheiße aus, und die Sandy aus Prohlis geht lieber mit Ronny mit.

So, gegen Ende das Rad wieder kleiner gedreht, meistens ist es doch einfach mal:

Provozieren!

Auf den Fahnen riesengroß: ELB-KAIDA!
BRUTAL FANS – DYNAMO DRESDEN!

Geile Scheiße …!

Die Medien, diverse Schöngeister und der Freizeit-Fan –  wittern allesamt tiefere Bedeutung, politisch zutiefst Inkorrektes.

Böse, Böse …

Dabei is’ es manchma’ einfach Fun, Alta!

D’NAAMO!!!!

Dynamo.

Für mich: zusammen mit meinem Sohn Al MDR Info Direktübertragung hören. Schreien, wenn die siegen! Leiden, wenn nich’.
In jedem Falle Mitfiebern.
Nicht dazuzugehören? Kein Problem.

Die Welt von Schwarzer Hals, Gelbe Zähne is’ nich’ meine Welt.

Hab meine eigene, die der Musik und des Schreibens. Das Brennen aber, für etwas zu brennen, sei’s für was auch immer, das macht den Unterschied, in einer immer faderen, beschisseneren Welt, in der es nur noch um Besitz zu gehen scheint.

Veit Pätzug hat ein Hammerbuch vorgelegt.
Der Mann sollte mal Kaltblütig von Truman Capote lesen, und einen guten Roman schreiben. Frauen und Männer mit Eiern, ob nun innen oder außen dran, die braucht das Land!

Heiko “Hesh” Schramm

Zur kompletten Sendung.

The Best Marksman

best marksman1

THE BEST MARKSMAN

Not Cook nor Peary
but a guy with a strange name
became the first man to reach the North Pole
sometime in 1968

It wasn’t Shakespeare who penned all those plays
but the bluest of blue-blooded boys
at the court of Queen Elizabeth

How much of the shit
churned out by the press
under names that flash like neon
really smell like the truth?

If you’re not angry
If it doesn’t touch you deep inside
If you don’t at least
try to make sense of all of this
Don’t waste my time –
and stop talking
Greybeard
Don’t waste my time –
and stop talking
Lady

Which camera team
has never stopped to count the dead
after the lava of war has cooled
and the guns have gone silent –
or the war has become normality?

Are the terrorist’s former lawyers
onto a good thing
with their articles in that German magazine?
Can they claim to be whiter than white
simply because they avoid the loud blood
but still use caustic words on the few clean spots
on the button-down of democracy?

If you’re not angry
If it doesn’t touch you deep inside
If you’re so fucking sure
Don’t waste my time –
and stop talking
Greybeard
Don’t waste my time –
and stop talking
Lady

And maybe
Lee Harvey Oswald
really was the best marksman
the world had ever seen

HESH

Der beste Schütze, den die Welt je gesehen hat

Nicht Cook oder Peary
sondern ein Typ mit ‘nem seltsamen Namen
war der erste Mann am Nordpol
irgendwann im Jahr 1968

Es war auch nicht Shakespeare der alle die Stücke verfasste
sondere der blaublütigste unter den Blaublütigen
am Hof von Königin Elizabeth

Wieviel von der Scheisse
die die Presse auskübelt
über den Namen die wie Neonlicht strahlen
riecht wirklich nach der Wahrheit?

Wenn du nicht mehr wütend wirst
Wenn dich nichts mehr wirklich berührt
Wenn du nicht mehr herausfinden willst
welchen Sinn das alles hat
Verschwende nicht meine Zeit –
und hör auf zu quatschen
Graubart
Verschwende nicht meine Zeit –
und hör auf zu zwitschern
Lady

Welches Kamerateam
hört nicht auf die Toten zu zählen
wenn die Lava des Krieges erkaltet
die Waffen stiller zu werden
und der Krieg zu etwas normalen wird?

Sind diese Typen welche sich zu Anwälten der Terroristen machen
auf dem richtigen Weg
mit ihren Artikeln in einem deutschen Nachrichtenmagazin?
Können die sich vormachen ‘ne weisse Weste zu behalten
weil sie von echtem Blut die Finger lassen?
Aber mit schmutzigen Worten zündeln an den paar noch sauberen Flecken
auf dem Hemd unserer Demokratie?

Wenn du nicht mehr wütend wirst
Wenn dich nichts mehr wirklich berührt
Wenn du dir in allem so gottverdammt sicher bist
Verschwende nicht meine Zeit –
und hör auf zu quatschen
Graubart
Verschwende nicht meine Zeit –
und hör auf zu zwitschern
Lady

Und vielleicht
war Lee Harvey Oswald
ja wirklich der beste Gewehrschütze
den die Welt je gesehen hat.

HESH

Listen to The Best Marksman

Studio B – HESH on Truman Capote

hesh on truman capote

Werk und Mensch,

Meisterschaft und Leben.

HESH rezensiert Music for Chameleons von Truman Capote.

“Werk und Mensch, Meisterschaft und Leben”

Zum Werk von Truman Capote

INTRO

“Zeus ließ Prometheus fangen und in die schlimmste Einöde des Kaukasus schleppen. Er ließ eine schwere Kette schmieden, um ihn an einen Felsen zu fesseln. Ohne Speise, Trank und Schlaf, musste Prometheus dort ausharren, und jeden Tag kam der Adler Ethon und fraß von seiner Leber, die sich zu seiner Qual immer wieder erneuerte, da er ein Unsterblicher war.”

(Prometheus/ Auszug: Wikipedia)

Es gibt Menschen, die ein Leben lang unter dem Körper leiden, an den sie gebunden sind. Zwischen Schmerzschüben eingezwängt wie in einer Felsspalte, vegetieren sie dahin. Erlösung verpricht nur der Tod. Keinen Penny wert für den, der leben will. Der Quacksalber fragt: “Hatte einer ihrer Vorfahren vielleicht die Syphilis?” Das Gerechtigkeitsempfinden der Biologie, gleicht dem des Wetters und der Liebe. Ursache und Wirkung? Vergiss es. Diese Gesetzmäßigkeit passt besser auf die Schlachtfelder und die übrigen Bereiche des Human Entertainment. Ein bunt flackernder Zirkus der Illusionen, auf der Suche nach Trost durch Erklärbarkeit, alles nur, um sich an den jämmerlichen Resten der eigenen Handlungsfähigkeit festzukrallen. Natur als Zellstruktur, freie Radikale als Schicksal. Oder doch nur das launische Gehabe von Gaia, und Zeus steckt den Kopf in den Sand? Was auch immer. In jedem Falle ungefragt. Zugewiesen. Auch Generäle und Milliardäre verecken an Darmkrebs.
Irgendwann wappnet sich die gepeinigte Kreatur gegen die nächste unbestellte Lieferung. Sie empfängt den frisch in der Hölle erhitzten Nachschlag aus Qual und Pein, steht es ein weiteres Mal durch; oder aber, sie entscheidet sich den Schmerz wegzuschicken. Einfach ist das nicht: Nur in friedlicher Koexistenz mit ihrem Wirt geht es Schmerzen gut. Aufgrund dieser Symbiose existieren sie. Also machen sie vieles mit. Sicher jauchzen sie vor Freude, wenn du ihnen jedes noch so kleine Raunen von den glühend heißen Lippen abliest. Aber sie sind auch nicht böse, wenn du versuchst sie zu ignorieren. Schmerzen wollen helfen, dich und deinen Körper miteinander zu versöhnen. Das ist ihr Job. Wenn diesen Triggerpunkten des Nervensystems eines Tages aufgeht, dass es nicht passen will, dass deine widerspenstige Seele niemals klein bei geben wird, sich mit einem Stück Scheiße als Produkt beliebig dysfunktionaler Genetik zu arrangieren; sind sie meist längst viel zu vernarrt in ihre Macht über dich, und genießen ihr Eigenleben.

Nach meiner Erfahrung, musst du den Schmerz nah an dich heranlassen, um ihn dir vom Hals zu schaffen. Du solltest auf kalte Art wütend sein, deine Stimme darf nicht zittern:

Ich bin der Boss. Du bist es nicht. Und jetzt verpiss dich”.

Zusätzlich, kann ein bißchen Voodoo Marke Eigenbau, bei all dem hilfreich sein. Ich bin für harte Stunden auf visuelle Weise vorbereitet. Ich trage Tätowierungen, die für jene Themen und Kraftfelder stehen die mein Leben begleiten, und es mit Energie überziehen. Dick Hickock und Perry Smith, sind auf den rechten Unterarm tätowiert. Die bösen Jungs aus In Cold Blood, zu deutsch: Kaltblütig, dem großen Roman von Truman Capote.

Meisterschaft

Beginnen wir mit Gedanken zur Meisterschaft; ganz im Sinne des langen Weges zur Meisterlichkeit eines Schriftstellers, anhand von Truman Capote’s: Music for Chameleons.

Auf Seite 5 eine Widmung:
Für Tennessee Williams.
Auf Seite 7 das Inhaltsverzeichnis:

Römisch 1 fett gedruckt: Music for Chameleons.

Eine handvoll kurzer Storys, die um autobiograpische Erinnerungen – meist aus Capote’s Jugend – kreisen. Leichte, ohne schenkelklopfende Pointen auskommende, hingestrichene Bilder; eher wie erzählte Träume wirkend. In jedem Wort atmet die Kultur alten Südstaaten Adels: Der Blick zurück ohne Wehmut, wie die Augen eines Habichts auf diesen Zeilen, als tonlose Frage an die Gegenwart, ob zu erwartende Qualitäten in der Zukunft, die Mühe sich zu erklären oder, sich zu interessieren, überhaupt noch lohnen. Diese Rubrik, zugleich namensgebend für den ganzen Band.

An römisch 2: Handgeschnitzte Särge:

Ein Tatsachenbericht über ein Verbrechen in Amerika. In schmerzhaft spröder Sprache wird das weitverbreitete Fehlen der Barmherzigkeit unter den Menschen nicht etwa: angeprangert, sondern schlicht beschrieben. Aufgrund des Themas und der Art wie erbarmunglos beiläufig Capote den Fortgang haarsträubendster Ereignisse schildert, wird dieser Text die Zeit länger überdauern, als uns allen Recht sein kann. Pete Dexter oder der junge Donald Ray Pollock könnten diese Geschichte zum Anlass genommen haben, eines Tages in einen Grocery-Store zu schlurfen, und nach’n paar Round-Stic-Ball-Pens von Bic, und ‘nem Marble Composition Book zu fragen, oder, sich besser gleich eine alte Schreibmaschine der Firma ROYAL zuzulegen, auf einem einzigen Exemplar dieses Typs schrieb Mr. James Lee Burke von 1966 bis 1990 an seinen grandiosen Romanen …

Den Abschluss der dreiteiligen Gliederung bildet unter römisch 3., die Rubrik Konversationsporträts:

Eine ebenfalls, fast arglos anmutende Sammlung verschiedener Begegnungen Truman Capote’s, mit mehr oder weniger bekannten, und einer so richtig berühmten Person aus Funk und Hollywood: “Happy Birthday Mr. President …?

In der letzten Story des Buches, ist schließlich vom Ringen Capote’s mit der Verzweiflung am Leben selbst die Rede. Diese kleine Geschichte in Form eines Interviews, welches Truman Capote mit seinem imaginären, seinem anderen Ich führt, namens: “Wie siamesische Zwillinge Sex machen”, wirkt wie ein Resumé. Capote spricht in Andeutungen über seinen als schier endlos empfundenen künstlerischen Kampf. Er erwähnt die Dämonen seines obsessiven Wesens; im Zwielicht dieser Zeilen schimmern quälende Fragen um Schuld und die Angst vor der Sühne. An einer Stelle wird er deutlich, ich zitiere: “Ich bin Alkoholiker. Ich bin rauschgiftsüchtig. Ich bin homosexuell. Ich bin ein Genie!” Dieser verstörende Abgesang bildet mit seinen schmerzhaften Reflexionen eine Klammer bis ganz an den Anfang des Buches, und zwar noch vor die erste, bereits erwähnte, römische 1., für Music for Chameleons. Da steht ein kleines Wörtchen, fast wie verloren:

Vorwort. Das hat es in sich.

Hier wird der Leser sozusagen: eingestellt. Oder vereidigt? Truman Capote nimmt uns mit zu den Anfängen seiner Arbeit als Schriftsteller, beleuchtet Höhen und Tiefen seiner Karriere, und beschreibt die immer wieder neu entfachte Suche nach der perfekten Form der Sprache, in Zeit und Epoche. Capote ordnet es nicht direkt an, wie auch …, aber man hat das Gefühl, es wäre ihm recht, wenn der Leser all seine vorherigen Bücher bereits studiert hätte, bevor er mit der Lektüre von Music for Chameleons beginnt.

Capote’s Stil, sowie der dramaturgische Aufbau der einzelnen Storys, siehe auch: der Plot, ist unmöglich durch schlichtes Wiedergeben der Ereignisse zu vermitteln. Vordergründig passiert nämlich eigentlich: überhaupt nichts weiter. Kaum eine Story wäre überhaupt nacherzählbar. Es gibt keine wirkliche Handlung, in Form eines wie auch immer gearteten Spannungsaufbaus. In diesem Buch wird, wenn überhaupt, nur subtilst Position bezogen. Etwaige Wertungen sind mittels Auslassung bzw. Auswahl, ohne tendenzielle Brenngläser oder glühende Adjektiv-Gewitter, rein in der kristallinen Beschreibung der als real geschilderten Ereignisse enthalten. Es könnten Kapitel aus Capote’s Tagebuch sein.

Die Pointe:

Es liest sich wie die reine Lehre des Journalismus, als Kunstform.

So manche jener tapferen Frauen und Männer, welche heutzutage als JournalistInnen Tag für Tag darum kämpfen Qualität zu liefern, die trotz immer schlechterer Bezahlung immer wieder in die Spur gehen, um unseren Wunsch nach Information zu befriedigen – und damit unser aller Illusion befeuernd, ein Verstehen der komplexen Zusammenhänge dieser chaotischen Welt sei wenigstens im Ansatz möglich, könnte gar etwas ändern und sei daher erstrebenswert – aber auch diejenigen, die in diesem Haifischbecken irgendwann zum Zyniker mutierten, um unsere Nerven – und das Herz sowieso – mit Tonnen von Schmutz zuzukübeln: Sie alle sollten diese kleinen Geschichten lesen. Die Helden könnten neuen Mut fassen, weiter dran zu bleiben. Der Fatalist hätte die Möglichkeit im Selbstversuch herausfinden, ob er überhaupt noch zu beschämen ist. Dem Chefredakteur der BILD-Zeitung, gehörte das Buch – in der gebundenen Ausgabe – mit Schwung um die Ohren gehauen. Kein Zweifel, dass das nichts bringen würde, die reine Vorstellung fühlt sich gut an.

Music for Chameleons, wirkt wie ein Spiegelbild dessen, was es dem Autor im Moment des Warnehmens wert war, eins zu eins, festgehalten zu werden. Da bekommt Dennis Hopper’s Satz: ”Eines Tages wird ein Künstler nur auf etwas zeigen und sagen: “Das ist Kunst!”, noch einmal einen ganz eigenen Dreh. Capote hatte entschieden, dass das Leben selbst im Mittelpunkt dessen stehen soll, was uns hinter Bucheinbänden mit seinem Namen darauf, entgegenspringen soll.

In der Kombination mit der Wahl seiner Themen und lnterviewpartner, enstand so große Literatur. Truman Capote spricht mit Verbrechern, Filmstars und einigen, ziemlich drallen, afroamerikanischen Ladys aus New Orleans. Und die reden alle mit ihm, weil sie das Gefühl haben, dass sie für ihn nicht einfach nur Material, sondern Teil der einen großen – unserer aller – Story sind, von Suche und Zweifel getrieben, mit der Sehnsucht im Herzen, irgendwann einmal gefunden, und ja, gehört zu werden.

Capote verwaltet es. Behutsam, meisterlich dezent, weil er es anerkennt. Das spüren all diese Menschen, und wir: Erfahren von Ihnen.

Truman macht sich nicht gemein. Er richtet nicht. Die Schuld der Verbrecher ist erwiesen. Capote stellt die Frage nach dem Warum neu. Und zwar, indem er sie explizit nicht stellt. Anstelle dessen sagt er: “Erzähl mir deine Geschichte.”

Da kommen dann keine Ausreden, sondern bisweilen einfach das Wesen des Bösen zum Vorschein. Und manchmal wird ein Lebensweg ins Licht gehoben, der uns die Stimme Billie Holidays, mit einem ihrer dunklen, stillen Songs herüberweht, brüchige Melodie aus kratziger Kehle, als Soundtrack zur Erkenntnis: Mein Gott, es hätte auch ganz anders laufen können …

Damit hält Capote der Gesellschaft den Spiegel vor, lässt sie nicht davonkommen, in weiten Teilen meistens ungeschoren, immer nur mit dem Finger auf die Verlierer des Systems zu zeigen. Heutzutage ist die Pervertierung der medialen Fressmaschine auf ein historisches Maß angeschwollen. Der Müll ragt in den Weltraum, kein Wally und seine Eva in Sicht. Ein Mann wie Truman Capote, würde sich einen Wolf in den Nervenzusammenbruch arbeiten, und irgendwann Gedichte über Treibsand schreiben …

Es versendet sich, you know?!

Truman Capote ahnte diese Entwicklung wohl voraus, wenn er den Journalismus als Kunstform als das Thema beschrieb, was ihn in seinen letzten Jahren am meisten beschäftigte. Dieser Fakt, war ihm spätestens seit The Muses Are Heard aufgegangen. Die Umsetzung jedoch, die vielfältige “Klaviatur des Lebens” auf reine Art wiederzugeben, erforderte hartes Ringen an sich selbst. Die innere Einstellung des Autors seine Geschichten betreffend, befindet sich quasi innen, in der Sprache. Kein brillieren um seiner selbst Willen. Weniger, ist Capote alles. Für die meisterliche Umsetzung dessen steht, wie später noch Die Stimme aus der Wolke – der so vielsagende Titel, wie auch das Buch selbst: Music for Chameleons.

Aus dem Leben heraus – werden diese Geschichten erzählt, in ihm, werden sie gelebt. Somit zur anderen Seite: dem Leben eines Schriftstellers.

Leben

Nun, das Leben, das kann grausam sein. Truman Capote hat bezahlt. Wer sich nicht hinter Synonymen und Kaffeehaus-Themen versteckt, steht mit Klarnamen auf der Lichtung, und mit seinem Arsch im Feuer. Jack Kerouac hat seinen Freund Neal Cassidy als Dean Moriarty verbraten. Für ein Buch, welches Tausende von Kids in Daddy’s Chevy auf einen Trip durch das weite Land verführte, unterwegs, auf der Suche nach sich selbst. Neal ist beim Dean-Moriarty-spielen, in der Wüste an einem Bahndamm verdurstet. Jack, hat sich totgesoffen. Was der gemeine Shitstormer heutzutage wegen zu kleiner Hodengrösse anders löst, galt sehr wohl für Truman, denn auch Schwule können Männer sein:

Wenn du in einer Geschichte den Namen einer lebenden Person erwähnst, muss dein eigener auch darunter stehen. Und so war er dazu verdammt, sich die Hinrichtung von Dick und Perry zu wünschen, um seinen bahnbrechenden Dokumentarroman, Kaltblütig, zwangsläufig nun selbst ziemlich kaltblütig, zu Ende schreiben zu können. Der anschließende, schriftstellerische Siegeszug war gigantisch. Allerdings wohl vergleichbar mit einem Flugzeugabsturz, den man nur knapp überlebt. Man wird zum Helden gemacht, zum Sieger über den Tod erklärt. Die Schäden für die Seele jedoch, sind lebenslang spürbar. Und die Gesichter derjenigen, welche den Tod fanden, bleiben allgegenwärtig.

Perry Smith nannte Truman Capote seinen Freund. Jener reagierte geschmeichelt wie kokett mit dem Ausspruch: “Es ist, als hätten wir im selben Haus gelebt, nur das er irgendwann durch die Hintertür hinausging und ich durch die Vordertür.

Er hatte keine Ahnung, was auf ihn zu kam. Einmal Capote’s Leben nach Kaltblütig, in Schlagworten gefällig?

Körperliche wie kreative Erschöpfung. Schreibhemmungen: acht lange Jahre keinerlei Prosa-Veröffentlichungen, erfolglose Drehbücher, Affairen, Alkohol, Drogen. Mehrere Gefängnisaufenthalte …

Ganz ohne Preisschild um den Hals, ist im Leben nur die Liebe. Aber Liebe ist selten. In der Kunst wie im Leben bestimmt das Maß der inneren Gelassenheit den Grad der Unversehrtheit. Die Natur eines Menschen wirkt sich in denjenigen Lebensbereichen welche seiner Einflussnahme unterliegen, auf die Höhe des zu zahlenden Preises aus. Den Rest nennen wir Schicksal.

Ein Beispiel: Attentats-strategien, werden von unterschiedlichen Archetypen bestimmt, sie seien hier anhand von zwei grandiosen Filmen beschrieben:

Edward Fox in: Der Schakal. Ein sauberer, gut vorbereiteter Job aus größerer Entfernung, ohne Risiko für das Leben des Killers.

John Malkovich in: In the Line of Fire. Hier geht der Killer so nah ran, dass alles auf ein reines Selbstmord-Kommando hinausläuft …

Die persönlichen Konsequenzen, die ein Künstler für sein Streben nach Wahrhaftigkeit und Perfektion zu tragen hat, sind allein sein Problem. Der Welt war und ist das egal. Sie ist dafür nicht verantwortlich. Daran ändert weder Ruhm noch Reichtum, in anderen Fällen: unentdecktes Genie, oder lebenslange Armut etwas. Was zu der Frage führt:

Sieht der, sich und seine Umwelt pausenlos kaputt-twitternde Bret Easton Ellis, der Schöpfer von American Psycho, nur durch eine Laune der Natur haargenau so aus, als wäre er der, erstmalig von einem Mann entbundene, verlorene Sohn von Truman Capote? Und müsste sich Truman Capote, heute lebend, in einem Zustand verblassenden Ruhmes und gesellschaftlicher Ächtung – ähnlich wie damals nach Veröffentlichung seines die inneren Geheimnisse der High Society enthüllenden Fragments Erhörte Gebete – vielleicht die selben Worte des Psychiaters von Mr. Ellis gefallen lassen:

Bitte, langweilen Sie mich nicht! Die Probleme Ihrer Jugend sind heute nicht mehr zu klären! Es ist zu spät! Stattdessen: Beenden Sie Ihren Roman! Artbeiten Sie hart, und lesen sie nicht 80-mal pro Tag Twitter! Vor allem: Man up! Seien Sie ein Mann!

Capote könnte hier zynisch und krötenhaft lächelnd entgegnen: “Well, ma Boy, dieser Gedanke ist mir tatsächlich noch nie den Sinn gekommen …”

Lustig?

Nicht ganz so lustig: Ellis’s und Capote’s Werk ist unangreifbar, beide Herren sind, bzw. waren, trotzdem jederzeit leicht waidwund zu schießen, in leidlich verborgener Verletzbarkeit. Das solche Angriffe, damals wie heute, oft von Leuten mit dem geistigen Niveau von Süßwasserlurchen erfolgen, scheint unerheblich zu sein. “Fishing for compliments”, lässt wohl auch die Genies nicht kalt.

Zum Schluß:

Schlicht und klar wie ein Gebirgsbach…” wollte Truman Capote die Sprache von Music for Chameleons gestalten, kein Wort zu viel sollte es sein. Diese Storys stehen für sich, aus dem Leben praktisch herausgeschrieben, in der Kunst für ewig festgehalten. Capote wollte es uns trotzdem vorher erklären, das Buch im Kontext seines bisherigen Werks verstanden wissen. Und den Leser zusätzlich, in der letzten Story, sehr intim ins Bild setzen, wovon zu berichten er sich in Music for Chameleons auf jeder Seite verkniffen hat: den Höhen und Tiefen seines Lebens.

Er stellt es einander gegenüber: Werk und Mensch, Meisterschaft und Leben. Und, er verbindet es.

Der einzig gangbare Weg, von Klingen gesäumt.

Heiko Hesh Schramm

Zur kompletten Sendung

 

God Of Bitumen

Photo by Vandy

Photo by Vandy

God of Bitumen

He felt like a preacher man
Sent from the God of Bitumen
Spent some dough and a warm word
on the indigent
He felt like a preacher man
in his black suit, walking by a garbage can

Just another clown
trying to be a preacher man
but when nobody looks, he takes a sneaky glance
at some lady’s boobs
just another clown
trying to be a preacher man
always has luck and enough money
for booze and another bunny

He looked like a preacher man
but he just fled those
who needed him the most
He looked like a preacher man
empty inside, on a diet of crackers and wine

Just another clown
trying to be a preacher man
but when nobody looks, he takes a sneaky glance
at some lady’s boobs
just another clown
trying to be a preacher man
always has luck and enough money
for booze and another bunny

HESH & Fran

Listen to God of Bitumen

Studio B – HESH on Cormac McCarthy

Photo by Mirko Glaser

Photo by Mirko Glaser

Die Wahrheit hat keine Temperatur.

HESH rezensiert The Counselor von Cormac McCarthy.

“In Mexiko verstanden sie, daß Würde zu den Regeln für das Sterben gehörte.”
David Ferrie in Libra von Don DeLillo

“Die Wahrheit hat keine Temperatur.”
Malkina in …

 The Counselor von Cormac McCarthy

 

In seinem literarischen Werk, verweist der Mann in beeindruckender Regelmäßigkeit auf die verstörende Tatsache, dass es den Bezug zwischen Gut und Böse – so wie wir ihn aus den Märchen kennen – in Wahrheit nicht einmal in den Märchen gibt. Mr. McCarthy, der mit Joseph, dem berüchtigten Kommunistenjäger, immerhin den Nachnamen gemein hat, rettet zusammen mit James Lee Burke, Pete Dexter, Donald Ray Pollock und zuletzt Nick Pizzolatto, das Erbe Jim Thompson’s hinüber, bis in unsere Gegenwart.

Über Truman Capote schrieb ich in einem Essay zu Music for Chameleons: “Er beschreibt was passiert, aber er wertet es nicht.”  Immerhin entschied Capote, worüber er schrieb. Auch in der Auswahl, kann eine Wertung liegen.

Die Geschichten Cormac McCarthy’s lesen sich, als hätten sie ihn, den Autor, auserwählt. Biblisch, endgültig kommen sie daher, als wären sie lange vor ihm, als dem Erzähler, in uns allen bereits angelegt.

The Counselor

Das neue Buch ist in Form eines Drehbuches erschienen. 120 Seiten – viel zu sagen. Wo der Autor sparen kann, schreibt er schlicht die Bilder hin. Du siehst jede Einstellung. Auch: Es gibt Songs, die sollte man laut hören – McCarthy liest sich höllenhündisch, wenn es draußen heiß ist.

Als das Buch in den Innenradius trat, war der erste Gedanke: ‘Krass, die selbe Geschichte wie in No Country for Old Men. Schuld und Sühne. Ursache und Wirkung – du machst einen Fehler – und musst bezahlen. Mit allem, was du hast …’.  

Mein Freund Mr. Glaser wies auf den Irrtum hin: “Nee Mann, da geht’s um Komplett-Verarsche!”

Der Counselor steht in dem Ruf, das Richtige für die falschen Leute zu tun. Ein Counselor ist zu deutsch: Ein Anwalt. Näher an der Wahrheit ist das Wort Rechtsbeistand, frei nach der Devise: “Ich gewähre dir Beistand gegen das Recht, aber denk daran, meine Anzüge sind teuer, Buddy”.

Alles beginnt mit Bettgeflüster. Verbalsex unter weißen Laken. Der Counselor fliegt voll auf Laura. Also fliegt er nach Amsterdam, der Verlobungsring soll schließlich mit Diamanten besetzt sein.

Der Diamantenhändler ist ein sehr spezieller Kauz: Er liebt diese harten Gallensteinchen von Mutter Erde, aber er fürchtet sie auch. Vor allem, was Menschen in deren Bann zu tun bereit sind. Wenn man seine Zeit auf Erden in ihrer Nähe verlebt und von ihnen abhängig ist, bekommt man sein Lied gesungen –  mitleidiges Gelächter, zieht von hohen Klostermauern herüber. Illusionslos und müde, von den Mysterien des Lebens elektrisiert und nie wirklich vom Haken gelassen, war er mit den Jahren zu einem weisen Mann geworden. Schlicht, weil er überlebt hatte und zu klug war, um sich selbst in die Tasche zu lügen.  Nun schwebt der Diamantenhändler über den Dingen und seiner Kasse, ein Orakel im Spannungsfeld zwischen Ewigem und Vergänglichen, und entscheidet sich für zweierlei: Er warnt den Counselor, und verkauft ihm das bläulich glitzernde Prisma, der Counselor argumentiert überzeugend, er müsse es unbedingt haben.

Zurück in LA, nimmt die dunkle Schöne des Counselor’s Heiratsantrag an. Auf einer Party wirft Drogenkönig Reiner dem Counselor vor, seine Position nicht genügend auszunutzen, wenn er seine Position schon ständig ausnutze …

Alles klar und in die Hände gespuckt: Der Counselor trifft sich mit einem Mann namens Westray, um die Details der finanziellen Beteiligung an einem Drogendeal durchzugehen. Westray rät ihm von dem Geschäft mit der mexikanischen Drogenmafia ab. Obwohl es, als Mittelsmann von Reiner, eigentlich sein Job ist, genau das Gegenteil zu tun. Kein Problem – der Counselor geht auf den Deal ein.

Ich blätterte zurück. Las es noch einmal. Wie kleine Risse von scharfkantigen Metallspänen auf altem Zeitungspapier, lagen Widersprüchlichkeiten über diesen knappen Zeilen. So als könnten diverse Beteiligte noch zurückziehen, sich anders entscheiden, und die Finger davon lassen. Bald darauf fällt das Kind, ich meine natürlich, der Counselor, dann doch durch den Rost des Gezeitenstroms: Nun läuft alles folgerichtig. Bis zum bitteren Ende.

Die Drogenladung kommt abhanden, das Kartell macht den Counselor verantwortlich. Reiner wird ermordet, später auch Westray. Letzterer auf eine Weise, welche aufgrund ihrer fantasievollen, sowie unfassbar bestialischen Art das Zeug dazu hätte, a.)  Filmgeschichte zu schreiben, und b.), Mr. Tarantino vor Neid mal etwas Farbe auf seine blassen Wangen zu zaubern.

Irgendwann stellt sich heraus, dass Malkina – Reiner’s nymphomanische wie skrupellose Freundin – eine Intrige gesponnen hat, um sich die Drogenlieferung samt der dafür gezahlten Kohle, also quasi alles, unter ihre langen Fingernägel zu reißen …

Laura, die Verlobte des Counselors, wird vom Kartell entführt. Trotz verzweifelter Bemühungen, scheitert er darin sie zurückzubekommen. Die junge Frau landet tot auf der nächsten Müllkippe.

Der Counselor sitzt unterdessen in einer beschissenen Gegend, in einem noch beschisseneren Hotelzimmer, und darf sich ein Snuff-Video mit Laura in der Hauptrolle reinziehen. Die Handlung besteht – ganz wie es sich für solch ein Filmchen gehört – lediglich darin in farbenfrohen Bildern zu schildern, wie die große Liebe seines Lebens erst genüsslich gefoltert und anschließend wie ein Stück Vieh abgeschlachtet wird.

Der Treppenwitz: Der Counselor wird nicht umgebracht. Es ist der vielleicht grausamste Schachzug und die ultimative Verhöhnung. Er soll den Verlust spüren. Wie kann das Spaß machen, wenn er tot ist? Der Capo eines Drogenkartells kauft sich, was er haben will. Alles, was für Geld zu haben ist. Aber das ist ja nicht … alles. Eine ganz spezielle Art morbiden Humors, kann da manchmal zu einem essentiellen Teil des Unterhaltungsprogramms werden …

“Das Entscheidende ist nicht, dass man untergeht, Counselor. Sondern was man dabei mitnimmt.” Die Worte Westray’s, bei ihrem ersten Treffen.

Bis auf Mrs. MG, M für Malkina, G für G-Point, erscheinen die handelnden Personen in The Counselor eher wie Gehandelte. Fallend oder gefallen. Mausi & Dead. Einige von ihnen haben den Mut sich mitzuteilen, sie halten fest an der Illusion, jemandem vielleicht noch etwas mit auf den Weg geben zu können. Sie selbst sind viel zu lange dabei, und des Spiels überdrüssig. Diese tragischen, aber auch seltsam frei wirkenden Figuren, sehen das Nichts, hinter all dem bunten Geplapper von einem Sinn.

Am Ende – ist es Malkina. Es war immer Malkina. In einem Büropalast aus Glas und Stahl irgendwo in Europa. Hauchdünne Laptops, ihre wunderschön manikürten Hände transferieren die Millionen für die ganze Nummer – auf ihre Nummernkonten.

In einer der letzten Szenen, sitzt sie mit einem Mann mit zu viel Pomade im Haar in einem Restaurant. Sie mustert ihn wie die Katze ein Küken, welches noch nicht fliegen kann. Sie denkt daran, nach China zu gehen, dort in großem Stil zu investieren. Ihr Appetit ist ungebrochen.

Mr. McCarthy schreibt ein Drehbuch, Hollywood schickt einen seiner smarten Jungs vorbei. Die eisig geradlinige Verfilmung von Ridley Scott buhlt nicht um Wohlwollen. Das Bild von Laura’s Überresten als Müll auf der Müllkippe, lässt trocken schlucken. Spätestens jetzt ist klar: Die meinen es ernst. Nix mit Oscar, nennenswertem Popcorn- oder später, reißendem Blue-Ray-Umsatz. Das Wunder einer Herzensangelegenheit. Wow: Kunst! Who cares?

Beleidigte Kommentare ließen nicht auf sich warten, es war die Rede von: “Philosophisch überfrachteten Dialogen des Pulitzer-Preisträgers Cormac McCarthy. Der Film wäre anstrengend, selbst Mr. Scott hätte seine Mühe gehabt, daraus einen spannenden Handlungsverlauf zu zimmern …”.  

Sicher, die sparsame Beschreibung der Szenerie, die Wortkargheit von Killern, Scheiße-Lastwagen-Fahrern und einer ganzen Armee von  verschwitzten “den fucking Job erledigenden Narcotraficantes”, steht auf den ersten Blick in krassem Gegensatz zur gebildeten, reflektierten Sprache der Handlungsträger, für die das Studio einen Hollywoodstar springen lässt. Als da wären: Cameron Diaz als Malkina, Michael Fassbender als der Counselor, Penelope Cruz als Laura, ihr Ehemannn im wirklichen Leben Javier Bardem als Reiner, sowie Brad Pitt als Westray. Bruno Ganz ist in einer grandiosen Nebenrolle als Diamantenhändler zu erleben. Ob auch Mr. McCarthy höchstselbst irgendwann für die Besetzung dieser Figur in Frage kam? Google verweist auf Lee Child und lenkt vom Thema ab.

Irgendwann läuft der Abspann. Ich will raus in die Nachtstadt, ab ins Blue Note, wo die Frauen warm und weich, von mir aus widerspenstig, oder klar – die Oberhärte, nicht interessiert sind. Hauptsache, sie sind am Leben.

Wir. Die. Ich – trinken, schweigen, glotzen.
Nachdenken.
Der vergebliche Versuch damit aufzuhören und endlich runterzukommen …

Wir wissen, dass es wilde Tiere gibt, da draußen. Widerwillig gestehen wir uns ein, wie gottverdammt zerbrechlich wir sind. Man legt sich nicht mit den Falschen an. So wirkt alles friedlich. Bis zu jenem Tag X, wo man gestellt wird. Wo einem nicht erspart bleibt, für ein paar Überzeugungen, oder wenn man keine hat, auch einfach so um das nackte Leben kämpfen zu müssen: Weil man es sich nicht mehr aussuchen kann.

Was immer du in diesem Moment über das Wesen des Bösen daher rezitieren kannst, nützt dir einen Scheiß. Deine Fäuste müssen im Training sein. Du darfst nicht zögern, deine Zeit nicht mit der Hoffnung vergeuden, dass es vielleicht eine Chance gibt, einfach so davon zu kommen. Weil du vor zirka drei Jahren mal einer Omi über die Straße geholfen hast, verblendet von der Vorstellung, eine Art Vorsorge treffen zu können. Als existiere eine Balance zwischen Geben und Nehmen. In der Hoffnung, der Gott, an den du nicht einmal glaubst, würde dich als einer von den Guten zu schützen wissen.

Vergiss es.

Die Natur funktioniert nach Ursache und Wirkung, die Natur des Menschen nicht, sie ist unergründlich. Unergründlich dunkel. Wir reden uns ein, dass es nicht so ist. Wir beruhigen unsere Nerven, gehen einkaufen, leben einfach weiter.

Das freie, sich um nichts und niemanden einen Dreck scherende Radikal, lauert in jedem Einzelnen von uns. Die dunkelste Hölle. Die reine Herrlichkeit. Zweifel, Wut, Aggression – manchmal Liebe und so viel Hass: Gib mir mehr! Tanz den Mussolini! (DAF), Fütter mein Ego! (EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN).

Grippe, Pest und Cholera: Was bringt dich wann, wie und auf welche Weise um? Und wie lange dauert das?

Was weiß denn ich …

Oktober 2009, ein Campground im Mesa Verde Valley in Colorado, USA: Eine offene Anlage, eine nicht verschlossene Tür, Heshie nackt, planschend in heißem Wasserdampf. Was wäre, wenn jetzt ein schwarzer Camarro in die Einfahrt …?!
Wehrlos im HOT TUB und – BLUBB.

Point Blank, nach dem Roman The Hunter von Richard Stark bzw. Donald E. Westlake, ist ein Gangsterfilm nach meinem Geschmack.

Lee Marvin brilliert in der Hauptrolle, der Mann ist verarscht worden, nun nimmt er Rache. Die Gangster sind böse, die Frauen schön. Smarte Jungs verschwenden keinen Gedanken daran, auf die Ladys zu zählen, wenn es gefährlich wird. Alle anderen üben sich in Mord und Totschlag, siehe auch: Eifersuchts- und Besitzstandswechseltragödien. Sicher, es wird eng für die Dauer der Einzahlung deiner Krankenkassenbeiträge. Vielleicht fühlt sich alles ein wenig billig an, am Ende wirkt es erfrischend klar und nachvollziehbar.  Die guten alten Zeiten.

Das Böse, das gab es auch damals schon. Seither ist die Welt um einiges komplizierter geworden. Heutzutage geht die Sache anders aus. Zumal, wenn eine smarte Bestie wie Malkina mit von der Partie ist. Cormac McCarthy erzählt es uns, in: The Counselor.

Wie sagte der Diamantenhändler?
“Im Grunde genommen, beschreibt alles was man über einen Diamanten sagen kann, einen Makel. Der vollkommene Diamant bestünde schlicht und einfach aus Licht.”

Cormac McCarthy, ist ein leuchtender Stern über Texas.

Heiko Hesh Schramm

 

Zur kompletten Sendung.

Studio B – HESH on J.K. Rowling

CC-Richard Leo Centner-Contributetd by courtesy of Teri & Fluffy Hays CentnerC-SA

CC-Richard Leo Centner-Contributetd by courtesy of Teri & Fluffy Hays Centner-NC-SA

HESH rezensiert Ein plötzlicher Todesfall von J.K. Rowling.

 

Es gibt Menschen auf der Welt, die sich einen Namen gemacht haben. Einen Namen, den die Leute kennen.

Von bestimmten Ereignissen haben alle etwas gehört. Wie Zigarettenrauch, schwebend durch den Sprachgebrauch. Losgelöst von Inhalt und Thematik, oder der Werbestrategie, der sie entsprangen – einmal abgesehen von Geniestreichen der Marke Raider heißt jetzt Twix –  ähneln sie den rund hundert Gesten, auf die wir uns verständigt haben, ohne augenblicklich durchzudrehen. Begeisterung, Ablehnung oder gar Panik – ein Wort wird zum Begriff, wenn die Aufregung sich legt.

Karl Lagerfeld und Katrin Göring-Eckardt, Ebola oder der 11. September, Tony Blair – der Meister des etwas anderen, des WAR- Selfie,  oder Jens Weißflog, der einst sooo weit über all das Weiß flog. Nicht zu vergessen natürlich, Karl Lagerfeld, und immer und immer wieder Katrin Göring-Eckardt: Morgens, mittags und abends, im Deutschlandfunk oder wo auch immer – wer die Stille nicht ertragen kann, der wird ihr nicht entgehen.

Der Name einer gewissen britischen Bestsellerautorin war mir also durchaus ein Begriff. Aber ich werde bald 42, mein Sohn ist neun, irgendwo dazwischen verläuft wohl das ideale Alter für eine gute Zeit mit Harry

Vor einigen Wochen las ich zufällig ein Interview mit Miss Rowling im Spiegel. Das Foto der Autorin war dem Text mehr als ebenbürtig: Mich traf der taxierende Blick einer Frau, die viel gesehen hat und immer noch neugierig ist. Die cremefarbene Bluse, die Wahl des Farbtons ihrer Blondierung, ja, allein wie ihre Haare fielen, all das bewies dezenten und vor allem exquisiten Geschmack. Ein Kompliment, welches man Leuten mit Geld wie Heu erstaunlich selten machen kann. Mrs. Rowling parierte schlagfertig die zum Teil aggressiven Fragen, ihr Humor schien auf dem Fundament innerer Gelassenheit zu stehen. Fontänengleich rauschte Neid durch meine Blutbahn, jeder bleibt schließlich, wer er schon immer war.

Das neueste Werk, Ein plötzlicher Todesfall, war von der Kritik als Rowling’s erster Erwachsenen-Roman bezeichnet – und in Deutschland zum Teil äußerst kleinlich verrissen worden.

Da der Roman in einem kleinen Kaff, irgendwo in der englischen Provinz spielen sollte, las ich lieber erstmal einen Krimi über Tijuana. Natürlich bin ich immer bereit, ein schlechtes Buch über Mexiko aus der Hand zu legen, aber eines über England gelangt mir meist erst gar nicht vor die Linse.

Es ist Winter. Seit einem gefühlten Jahr. Auch – hasse ich Wolken. Wer brauch’ da England? Was soll’s, kluge Frauen für träge Männerhirne sind wie Schlagringe für die Kieferpartieen der Rassisten – manchmal das einzige, was hilft.

Meint, ich wagte den Trip auf die Insel.

Das Buch beginnt mit einem Paukenschlag, dem plötzlichen Tod des einzigen Sympathieträgers unter den erwachsenen Protagonisten, einem Mann mit dem Namen Barry Fairbrother. Sobald das geschafft ist, beginnen zirka 500 Seiten zähe Kost: Es wird schonungslos das Innenleben von ultrakonservativ, bürgerlichem Supergesindel skizziert, irgendwo in der englischen Pampa, in einem Nest namens Pageford.

Den Begriff “Supergesindel”, der zweifelsfrei miesestes Deutsch darstellt, gibt es bisher so nicht. Ich musste ihn extra für diese Rezension, zu Ehren des im Buch beschriebenen Ultra-Packs erfinden.

Darüber hinaus werden deutlich und schonungslos die Auswirkungen für eine Gemeinde beschrieben, die durch den plötzlichen Wegfall einer solchen Lichtgestalt entstehen. Stichwort: Ehrenamtliches Engagement eines Einzelnen, richtungsweisend für ganze Biographien eigentlich chancenloser Vorstadtkids.

Wenn der Tod eines einzigen Mannes die Verhältnisse, oder konkret, das Abstimmungsverhältnis in einem Stadtrat dermaßen verändern kann, dass die Entscheidungen plötzlich gegen anstatt für die lokale Drogenklinik oder das Siedlungsgebiet The Fields laufen, dann kann ja etwas nicht stimmen. Wir wissen es doch, ein Mann allein, der kann doch gar nichts bewirken, nicht wahr? Also, alles ganz schön weit hergeholt, Mrs. Rowling?

Tatsächlich geben die Schilderungen der knappen Mehrheitsverhältnisse in Pageford die heutige Verfassung der Landesparlamente in den sogenannten Demokratien dieser Welt realistischer wieder, als uns allen lieb sein kann. Abgeordnete werden aus dem Urlaub geholt, und von Frau Nahles und Herrn Kauder – sprich, von den Generalsekretären der großen Parteien – auf Linie gebracht. Vom ständigen, einander lähmenden Patt zwischen Demokraten und Republikanern in den schon seit geraumer Zeit kaum noch Vereinigten Staaten ganz zu schweigen.

49 to 51 % of America – ein Blick in die Zukunft des vereinigten Deutschlands.

Verwöhnt wie wir von Helden- und Erfolgsgeschichten nun mal sind, weil nur für jene, die es ans Licht schaffen sich die Geschichte die Mühe macht, von deren Existenz zu berichten, erleben wir schaudernd, wie sich das Rad der Möglichkeiten wieder zurückdrehen kann, wenn Menschen in die Schlagschatten ihrer Existenz zurückrutschen.

Beispiel Krystal Weedon. Weiblich, 16, nicht die hübscheste, auch nicht die allerhellste, dafür mit Wut im Bauch und Sehnsucht im Herzen. Über ihre häuslichen Verhältnisse wollen wir, d.h. die Army of Hesh, den Mantel des Stillschweigens ausbreiten, es wäre übel, dreckig und hundsgemein, sich an dieser Stelle über ein solch himmelschreihendes Ausmaß an Crap auszulassen. Die große Politik ist Fräulein Weedon natürlich komplett boogie, aber dass es den Ruderclub nicht mehr gibt weil Barry tot ist, das schlägt ihr kräftig auf den Magen!

Hätte sie sich am Ende vielleicht trotzdem hinter der Turnhalle von Fats – naja, dünn isser nich’ … – vögeln lassen? Sicher. Wäre es auch so ein äußerst langer Weg raus aus Pageford geworden? Auf jeden Fall. Aber das die kleine Ms. Weedon in einem Team aufgehen, an etwas glauben und für etwas kämpfen kann, hätte bei späteren Entscheidungen in ihrem Leben durchaus den kleinen, aber feinen Unterschied ausmachen können …

Zu jedem Auftritt einer neueingeführten Figur auf der Bühne – ich spreche hier von einem warhaft stattlichen Ensemble – liefert Mrs. Rowling ein klares, unverwechselbares, mit feinem Pinselstrich gewebtes Psychogramm mit, was es uns möglich macht, diese Person klar zu erkennen, sowie von anderen faschistoiden Knalltüten zu unterscheiden. Das läuft dann meistens darauf hinaus, dieses Wesen eine Spur anders zu verabscheuen oder zu bedauern, und sollte sich ein Nebensatz einmal um Barry drehen, diesen immer mehr zu vermissen.

Ich als Leser suchte irgendwann nur noch besessen nach wenigstens einem noch lebenden Sympathieträger, ob nun Frau, Mann, Kind, Hund oder Kirchturm von Pageford. Das nahm geradezu exzessive Ausmaße an,  meine Wut führte zur Verspannung in der Dunkelheit. Also sah und hörte ich nicht richtig hin. Es war wie bei einem Streit, zu dem dir die besten Argumente erst dann einfallen, wenn deine Lady längst schlummernd vor sich hinmaunzt, zufrieden mit sich und ihrem Sieg.

Andererseits, was ist so schlimm daran, dass ein Buch nachwirkt, und erst zeitverzögert ein wenig schlauer macht?

Manchmal dachte ich, diese Geschichte gleicht, was ihre Tragik angeht, denen in der Bibel. Diese haben oft etwas einsames an sich: Sie finden in der Erlebniswelt eines Menschen, immer hinter dessen Bergen, unter seinen 7 Zwergen statt. So sehr die Kids im Buch auch fleißig und zeitgemäß ihre Facebook-Accounts bemühen und die globalisierte Welt aus der Ferne glitzert, vor Ort liegt Pageford im Krieg. Krieg um Macht und Einfluss. So klein das Becken auch immer sein mag, es vibriert vor Gewalt – in Gedanken, Worten und Faustschlägen. Krieg zwischen arm und reich. Zwischen Kindern und ihren Eltern. Zwischen Schülern und ihren Lehrern. In Bezug auf den politischen Gegner. Unter den Kids selbst.

Die Liebe? Sie muss sich mit sehr wenig Raum begnügen, inmitten der fast allgegenwärtigen Auswüchse seelischer Grausamkeit. Die Lichtgestalt Barry Fairbrother, die ist ja gleich zu Anfang: Der plötzliche Todesfall.

Barry’s Todesursache, im medizinischen Sinne, ist von Anfang an bekannt, nach der Lektüre des Buches bekam ich eine gewisse Ahnung, was der psychosomatiche Auslöser dafür hätte sein können. In der Atmosphäre von Pagford, hätte ich mich z.b. für eine Lähmung des Sehnervs und eine seltene Form einer inneren Schrumpfung beider Trommelfelle entschieden …

Wie J.K.Rowling es schafft, diese krude Geschichte mit solcher Spannung zu erzählen, kann man wohl theoretisch entschlüsseln, am Ende bleibt es ein Geheimnis großer Literatur. Lev Grossman vom Time Magazine schrieb in seiner Buchbesprechung: „Es ist ein großer, ambitionierter, brillanter, profaner, lustiger, tief bewegender und bedeutender Roman des derzeitigen Englands, reich an literarischer Intelligenz und bar jeden Bullshits“

Genau.

Meisterlichkeit und Disziplin, sowie eine verstörende Dramaturgie: Hunderte von Seiten ein Retardieren, dass dir beinahe Schwimmflossen wachsen. Menschliches Klein-Klein, sich in Stillstand und Selbsthass suhlend, friss oder werde gefressen.

Und jetzt vergiss mal bitte ganz schnell die Kriegskunst eines Machiavelli, Kultur ist doch nix für den Mob – nee, nee, alles soll schön blind und taub vonstatten gehen. Herzerfrischend wühlen und wühlen wir – wofür haben wir denn schließlich die scharfen Beißerchen – immer tiefer hinein in den Dreck der eigenen Barmherzlosigkeit.

Zusammengefasst: Das Wesen des gemeinen Pageforders ist ebenso toxisch, wie der Fraß, den er die ganze Zeit über in sich hineinstopft.

Doch dann, auf einmal, überschlagen sich die Ereignisse: 2 Kinder sterben, es liest sich nahezu wie in die Seiten gequetscht, kein Platz mehr für Erklärungen: Dinge passieren!

So geht Leben: Gleichlauf. Unbeweglich. Unbelehrbar. In den eigenen gedachten Grenzen herumtigern war gestern, heute liegen wir nur noch da, wie müde Löwenherren in der Sonne. Und dann? Kracht’s plötzlich. Der Wärter bringt nur Krautsalat … /  Eine Frau verlässt dich, völlig unvermittelt … / Dein Sohn wollte noch ‘ne Stunde auf die Skateboardbahn, kommt nicht wieder, und landet samt seinem Vergewaltiger und Mörder in den Abendnachrichten …

Der Schmerz ist nicht auszuhalten, keine Ablenkung funktioniert mehr. Du findest keine Ruhe, mit den alten Gewohnheiten kommst du nicht durch, also änderst du etwas. Nun hast du die Kraft dazu.

So auch hier: Wir erleben wie die Stadt ihre Unschuld endgültig verliert, in einem unfassbaren, kollektive Akt unterlassener Hilfeleistung. Diverse Handlungsträger – darunter einige, von denen ich es am wenigsten erwartete – raffen sich auf, nicht einfach weiter zu leiden, oder nach Schuldigen zu suchen. Sie fangen an darüber nachzudenken, immer wieder aufgeschobene Entscheidungen vielleicht doch zu treffen.

Da ist sie auf einmal, die Hoffnung. Sieh an, mit Barry ist sie also nicht gestorben.

Und als wäre der Platz von der Tragödie am Fluss zu berichten nicht schon gering genug, endet der Roman mit einer Rückblende, einem Ruderwettbewerb unter dem noch lebenden Barry. Wir erleben Krystal im Team ihrer Mannschaft. Völlig anders agiert sie hier, als wir sie das ganze Buch über kennen: Kraftvoll, voller Hoffnung und Saft, holt Krystal mit ihren Mädchen von der Gesamtschule den Sieg gegen die höheren Töchter des Internats …

Das trifft ins Mark, und das vermag es, weil J.K. Rowling in einem wichtigen Punkt konsequent bleibt: Das Loch, welches Barry gerissen hat, wird niemals mit Rückblenden oder Schilderungen seine Person betreffend, ausgefüllt. Sein Familienleben, eventuelle  Widersprüchlichkeiten seines Charakters, all das, ist an diesem Punkt der Geschichte völlig unerheblich.

Vakanz. Tot. Ende. Nix mehr. Wir sehen was hängen bleibt, wenn die Lebenden allein agieren müssen. Klar, der Mann erscheint uns fast als Provokation, so überlebensgroß und angeblich unfehlbar, wie der gewesen sein soll. Pah! Da wir nicht mehr an ihn herankommen, lehnen wir uns reflexartig auf. ‘Der wird doch auch mal eine Taube aufgescheucht haben, oder etwa nicht?’

Aber das sind wir. So sind wir. Wir wollen ja nicht einmal hinnehmen, dass Menschen gelegentlich, völlig eindimensional, blanker Dreck sein können. Aber manchmal sind sie genau das.

Zum Schluss noch ein Gedanke zu den uralten britischen Seelen, welche uns Krauts immer ein Rätsel bleiben werden. Wer je versucht hat, den Einrastmechanismus eines noch in Great Britain hergestellten Russel Hobbs Toasters mit dem Tastsinn einer deutschen Hand zu erfühlen, der weiß, dass sich dieses “It’s different” nicht allein auf Kunst und Hochkultur beschränkt. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die in ihrem Inselkönigreich selbst ganze Armeen von bierseeligen Hooligans, tonnenweise Junkfood sowie ein Städchen namens Pagford mit lauter Irren im Stadtrat haben … aber das, das gibts ja nur im Buch.

Soviel Witz in all der Tragik, ständig bitteres wie helles Auflachen, wechsel- gebadet mit Tellern voller riesiger Klöße im Hals, über so viel kranken Scheiß in Menschenhirnen, von der Rührung über die Beschreibung sich so unvergleichlich an sich selbst schindendenden jugendlichen Seelen ganz zu schweigen. Aufgrund dieser Tatsache, hier zum Schluss mein Einwand gegen die Klassifizierung des Romans als Erwachsenen-Roman. Für schlaue 16- bis 21-Jährige, die nicht mehr so unbedingt auf einen neuen Harry Potter warten, könnte das Buch eine Entdeckung sein.

Außerdem steht auf Seite 211 der wundervollste Satz, den Hesh je gelesen hat, denn nie hat jemand treffender damit zugleich den Moment seiner eigenen Geburt beschrieben:

“Es begann mit kaum mehr als einem Verlangen nach Nikotin und Schönheit.”

Heiko Hesh Schramm

Zur kompletten Sendung.

Jealousy Mountain Duo live

Photo: Berger of Jealousy Mountain Duo by Edgar Kls Peters Belmonte

Photo: Berger of Jealousy Mountain Duo by Edgar Kls Peters Belmonte

 

Jealousy Mountain Duo live – Ein Review.

 

the jealousy mountain voodoo

 

tanz den voodoo – den jealousy mountain voodoo
tanz ihn auf der stelle – in der ferne brennt ein licht
auf auf, mein freund – kein herz, das zweimal bricht

tanz den voodoo – den jealousy mountain voodoo
tanz ihn am steuer – am bug schäumt die gischt
halte durch, Jonny – land ist in sicht

tanz den voodoo – den jealousy mountain voodoo<
immer auf der stelle – egal was man dir verspricht
die wellen im sturm – mehr brauchst du nicht

 

menschen in den städten suchen sich ihr refugium. etwas, das ihnen gehört. wie eine insel auf dem kontinent. musik steht hoch im kurs, sie kostet nichts. ob du eine band gründest, dich dämlich streamst, oder zu einer guten show rennst – du spürst die energie und fertig.

authentizität ist nichts als ein lebenslauf.

jealousy mountain duo

live at ostpol, dresden-newtown, germany

1
zwei typen
berger + schneider
danelectro +++ riesiger ampeg-svt2-turm +++ riesiger mesa boogie-400(+)-turm +++ loopstation +++ drums
kein mikro

2

die stille nach dem ersten song, fühlt sich an wie ein vakuum. als presse man seine lippen gegen dicke holzbohlen und versuche zu atmen. wildfremde leute testen ihre sinne, indem sie einander ansehen. 85% von ihnen, wirken zu 100% taub. ein typ – stolz auf sich, seinen Vollbart und seine Ohrschützer – stellt wortreich betrachtungen darüber an, wie ein hörsturz im detail abliefe.

alles ist gut – irgendwo tuschelt ein pulk ladies. ich denk’ noch, ‘um dem mitteilungsbedürfnis junger damen den saft abzudrehen, bedarf es einer neutronenbombe im radius unter einem kilometer,’ da bringen diese plötzlich ihre schönen lippen in eine, von verlässlich weiblicher neugier geprägte ruheposition – berger spricht mit blanker stimme.
alle verstehen, was er sagt:
… der erste song hieß, rock the beach. der nächste ist, surfers around the fountain. er freue sich, dass wir gekommen seien …
wie laut die band wirklich ist, wenn sie zurück auf PLAY schaltet, überrascht aufs neue.
immerhin … stilistisch sind JMD problemlos einzuordnen:
noise-core-free-jazz-dub-emo-minimal-hardcore-pop.

in der mitte des ersten tracks schiebe ich meinen hut in den nacken: die loopstation sorgt dafür, dass ich 3 gitarren-riffs auf einmal höre. bis zum ende werden es gefühlt um die 8 sein. jede note ist live. irgendwann. ein part wird geloopt, dann läuft er. sich selbst überlassen. wie berger ihn gespielt hat, bleibt er in der welt.

wellen. wellen, um deren intervalle sich jemand kümmert. zwischen tal und kamm bricht sich die nächste spur. wir haben das meer im saal: sturm, flaute, tiefschwarze see, die brünette schönheit direkt neben mir, wird vollends unerreichbar. sie lässt sich fallen, gibt nicht auf, sinkt bis hin zum grund. irgendwer findet strandgut. navigieren durch dichten nebel, der mond fährt mit der hand ins wasser. zillionen fluoreszierender noten: hörbar – natürlich –  aber ich bilde mir ein, sie auch zu sehen, dabei habe ich lange nichts eingeworfen. lebhafte diskusionen zwischen auge und ohr wie lange nicht-   

die ruhige hand am steuer ist bergers sache. er muss es aus sich herausholen, seine danelectro ist der traum eines jeden feiglings – sie macht nur, was man(n) ihr sagt.

danelectro: billige kaufhaus-gitarren für u.a. SEARS und MONTGOMERY WARD / hauptsitz in camarillo, CA / gegründet 1947 von nathan daniel / holzrahmen mit masonit verkleidet, siehe auch: bootsbau / korpus: innen hohl / nervig brummende single-coil pickups namens lipstick-tube –  die story dazu: die tonabnehmer wurden ursprünglich in lippenstifthülsen aus einer vorhandenen überproduktion verbaut, um die kosten gering zu halten. warum auch sonst? / für ex-DDR-bürgerInnen:  die danelectro ist der trabi unter den e-gitarren. / was kann mann nettes sagen? sie sehen supercool aus. und ihr sound klingt trockener als ein furz von dieter’s -ex, einen monat vor der scheidung-

mit allem was schiefläuft, während des einspielens des ersten oder zweiten loops, müssen wir leben. bis zum letzten ton des songs. pro nacht ist jeder einzelne von ihnen, für sich selbst die letzte chance. berger weiß das – seine flanke zuckt so spastisch wie die kräftig angeschlagene e-saite am double-bass von art hubbard.

annahme: kaum jemand wichst gern freiwillig in der öffentlichkeit.
frage: warum tun es dann so viele?

bei JMD kein problem. es geht darum, wie sie es haben wollen.
ordnung und form. hingabe, und immer noch die kraft dafür. jung sind sie nicht mehr – dafür sexy. niemand außerhalb von MEXIKO, trägt sein basecap lässiger als berger, oder hat einen verwegeneren lockenkopf wie schneider.

im grunde einfach: funktioniernde schwellkörper sind eine gute sache, aber vor allem, musst du die lady wirklich wollen. alles andere, entsteht dann zwischen euch.

JMD sind das gegenteil von anarchie: sie arbeiten sich an der norm ab – demokraten on stage.
demokratie zu leben ist nicht einfach, also ist betrieb in der hütte: zuckende leiber krümmen sich. vor anspannung, konzentration, ekstase.
anspannung – offensichtlich kostet es kraft, solch komplexen sound zu beherrschen.
konzentration – bei aller professionalität und besessenheit ist der fokus auf die umsetzung, auch geistig eine große kür.
ekstase – weil, wenn es gelingt, weht schönheit und freiheit durch den laden. für die band. für uns alle.
ganz weg – ganz da. the power of music.

die alles zerhackenden, niemals zur ruhe kommenden schlagwerk-salven von jörg a. schneider, unglaublich brachial, mehr herausgehauen als gespielt, klingen aufs erste ohr, schwer voodoo-like. sind sie nicht. sie sind das gegenteil. farblich betrachtet, stehen sie für das stakkato an informationen und veränderungen – für das hamsterrad, in dem die zellen 24/7 rotieren, wenn du nicht zufällig OSHO bist. bist du nicht, der mann ist lange tot.

bergers melodien erinnern daran, dass wir dennoch eine wahl haben.
betörende hooklines – die uns der welt entheben und einer anderen, besseren entgegen tragen, auf dass die rückkehrer die frohe botschaft verkünden: wir. sind. (noch) lebendig.

gottlob, nicht die nächste massenbewegung. hinter all dem chaos lauert ruhe. in einklang und auflehnung – eine debatte mit dir selbst. wenn du bestehst, tut sich was bei dir. für den wind, draußen in den straßen. leben. gesichter. augen, deren blick du erwidern kannst.
spät im morgengrauen fällt dir auf, du hast dein smartphone bei ihr liegen lassen …

JMD sind hardcore – high energy music. hör es unter headphones. geh hin, wenn sie spielen. fran, meine frau, fasst es wie immer ein wenig knapper zusammen: “der moderne medizinmann verordnet JMD!”

 

hesh

John’s Dad Has Gone

jdhg

John’s Dad Has Gone

John opens the tattered Mosquito screen door
the sun’s burning heat ringing the Freedom Bell in his inner core
His grey eyes catching Mom ’s stiff stare
The trailer filled with tobacco fume, the glimmering TV screen
Her shaking hand on the wineglass long before noon
He knows she senses his gaze but motionless she remains

His toys, rotten wood, rusted beer cans, from the highway’s small ditch
Next to the chain-link fence refusing him the wide open land
He’ll tear it down one day to see what’s behind the hill
To follow the call of the sun that every night, vanishes behind him

His small shoulders in a Hanes tank tee too big for him
That hadn’t been white anymore when they bought it down at the Salvation Army store
He flexes the muscles on his arm, wishing he could already be man, a good man for Mom

John’s dad has gone
John’s dad has gone a long time ago
John’s dad has gone
But Mom can not be a dad for him

His personal Deli during the week – the vending machine in a laundry room
At the campground straight across the highway on Route 42
The highlight of the month, the trip into the city with Mom
The city where Dad lives, somewhere
Roaming through the rows of WALMART, where they have everything…
Knowing the colors of all beer cans, he took his choice already for the day when he turns 21

There’re men coming around on certain nights
After dinner when Mom stays in the bathroom for a long time.
One of him – Ltn. Smith of the Army Recruiting Office.
In his eyes a message only for him
And John knows he’ll be a good soldier, no wimp
He’ll kick ass on NB Kitsap
but the first bullet will be reserved for Dad

John’s dad has gone
John’s dad has gone a long time ago
John’s dad has gone
But Mom can not be a dad for him

HESH & Fran

John’s Vater war einfach gegangen…

John öffnet die verschlissene Mosquito Tür
gleißendes Sonnenlicht schlägt die Freiheitsglocke in seinem Herzen
Seine grauen Augen fangen Mom’s starren Blick ein,
der Trailer voller Tabakrauch, die flimmernde Mattscheibe,
Ihre zitternde Hand samt Weinglas lange vor’m Mittag
Er weiß, sie spürt seinen Blick, aber Sie bleibt regungslos.
Er denkt, sie interessiert sich doch gar nicht für Baseball.
Und er wünscht sich, er könne die AC für Sie reparieren.

Sein Spielzeug, verfaultes Holz,verrostete Bierbüchsen,
vom schmalen Seitenstreifen an der Straße –
vor’m Maschendrahtzaun, welcher ihm das weite Land verwehrt.
Eines Tages wird er ihn einreißen.
Er will endlich sehen was hinter dem Hügel ist –
dem Ruf der Sonne folgen,
welche Abend für Abend,
hinter dem Gipfel verschwindet.
Seine schmalen Schultern, im viel zu großen HANES Unterhemd,
welches schon nicht mehr weiß war,
als Mom es auf ‘nem Wühltisch im Salvation Army Center herausgrabschte.
Er spannt seine Muskeln an,
wünschte er könnte schon ein Mann sein,
ein guter Mann für Mom.

John’s Vater war gegangen, John’s Vater hatte sie schon vor langer Zeit verlassen
John’s Vater war einfach gegangen, aber seine Mama kann für ihn kein Vater sein

Sein persönlicher Tante Emma Laden unter der Woche –
Ein Automat voller Süssigkeiten, Sprite und Cola
in einem Raum voller Waschmaschinen,
auf ‘nem Campingplatz an der Schnellstraße 42
Der Höhepunkt des Monats, die Fahrt in die Stadt zusammen mit Mom.
Die Stadt in der Dad lebt, irgendwo.
Er schlendert durch die Reihen von WALMART, wo die alles haben.
Er kennt die Farben aller Bierbüchsen,
hat seine Wahl längst getroffen für den Tag wenn er 21 ist.

An manchen Abenden kommen diese Männer,
Mom ist dann immer so lange im Bad nach dem Abendbrot.
Einer von ihnen – Leutnant Smith vom Rekrutierunsgbüro der Armee
In seinen Augen, eine Nachricht nur für ihn,
und er weiß, er wird ein guter Soldat sein.
Er wird es allen zeigen.
Wird sich den Arsch abrackern in der Ausbildung auf dem Stützpunkt
Aber die erste Kugel – die wird reserviert sein, reserviert für seinen Vater.
Die erste Kugel – die ist reserviert für seinen Vater.

John’s Vater war gegangen, John’s Vater hatte sie schon vor langer Zeit verlassen
John’s Vater war einfach gegangen, aber seine Mama kann für ihn kein Vater sein

HESH

Studio B – HESH on Michael Chabon

hesh on michael chabon

HESH rezensiert Die Vereinigung jiddischer Polizisten von Michael Chabon.

Die Vereinigung jüdischer Polizisten von Michael Chabon

Manchmal ist es ein Genuss zu sündigen. Heimlich. Tief in der Nacht auf einem kalten Schnitzel herumzunagen – obwohl man jeden Tag fetter wird. Präsident Putin die Grätze an den Hals zu wünschen – obwohl halb Deutschland die Beweg(AB)gründe seines Handelns sooo gut verstehen kann. Die Feministinnen für ihren Kampf um Gleichstellung zu bewundern, meine Frau geradezu abgöttisch zu lieben – aber trotzdem jedem weiblichen Wesen außer Mutti, in den Schritt zu glotzen.

Oder aber, drei Bücher geradezu zu fressen, während man eigentlich ein ganz anderes Buch lesen müsste, weil es heute Abend in Studio B besprochen werden soll …

Drei andere Bücher gelesen?  Soso, kann ja jeder sagen.

OK …

1.) Andreas Eschbach’s Eine Billion Dollar, zirka 1000 Seiten, ein Buch wie endlos Würzfleisch essen dürfen. (Für Leute welche aus der Gegend um Düsseldorf hierher zu Besuch kommen, und bei der Zeitangabe viertel drei mindestens eine halbe, meistens aber eine ganze Stunde zu spät am Goldenen Reiter eintreffen:

  • Würzfleisch: DDR, Schweinefleisch und/oder Geflügel.
  • Ragout Fin: BRD, in der Hauptsache bestehend aus Kalbfleisch und Innereien.
  • Gemeinsamkeiten: Worcester Sauce.)

— weiter im Text —

2.) Joseph Wambaugh’s  Die San-Diego-Mission, 399 Seiten, ein Buch wie endlos Chicken Nachos mit Käse überbacken, dazu Sour Cream und schwarze Bohnen on the side, das alles zum mitnehmen in der Assiette, irgendwo Nachts an der 6th Avenue – obwohl die Handlung im Grenzgebiet zwischen San Diego und Tijuana spielt …

3.) Henning A. Wenzel’s  Späte Stunde der Wahrheit, 227 Seiten, Erzählungen eines in Dresden lebenden deutschen Schriftstellers für den ich, brennend vor Begeisterung, Jim Beam’s Rye Whisky erfinden würde, wenn es ihn nicht schon gäbe. Watch out for the yellow label, dude! Wermutstropfen: der Mann hasst dem Anschein nach Katzen. Das geht gar nicht.

Und an, äh, vierter Stelle –  weil ich allen erzähle, dass ich zur Zeit völlig blank bin, wär’s fast unter’n Tisch gefallen:

Cormac McCarthy’s Drehbuch The Counselor, 173 Seiten, ein blutiges, jedoch ganz und gar nicht englisches Rindersteak, druckfrisch von Rowohlt für 12.99.

Kurz und gut, oder in Schrammsch’ wie immer lang und breit:

Das Buch von Michael Chabon Die Vereinigung jüdischer Polizisten, habe ich nicht lesen können!

Aha, es ist also ein Heimatroman und handelt von der Schönheit der Berge in Oberösterreich?

Nope, die Wikipedia sagt: Es ist ein Krimi vor fiktivem, alternativhistorischem Hintergrund: Eine Gründung des Staates Israel hat es nie gegeben, die USA haben den europäischen Juden im Zweiten Weltkrieg innerhalb ihres damaligen Bundesterritoriums Alaska eine Heimstatt angeboten. Es entsteht ein provisorisch eingerichtetes Gebilde mit jiddischer Sprache unter dem Namen “Federal District of Sitka”. Der Roman spielt nun im Jahre 2007. Ein evangelikaler US-Präsident betreibt die Aufhebung des provisorischen Status, der jüdischen Gemeinschaft droht die Auflösung. Die drohende, erneute Heimatlosigkeit führt zu Spannungen. Ein Mord geschieht, Polizeidetektiv Meyer Landsman ermittelt …

 aber zu all dem kann ich nichts sagen, bin auf Seite 22 abgestorben. An sich kein Beinbruch, passiert halt. Man kommt nicht rein, quält sich kurz, und schenkt die Schwarte jemandem, den man nicht leiden kann. Dumm nur, dass unsere Radioshow ansteht, in der das Buch zentrales Thema ist. Und ich doch unbedingt, also sowas von …, den Drang verspüre, mitreden zu wollen. Dabei sein ist Leben! Atmen! Teil einer Gemeinschaft sein!  “Macht sie platt!” “Rettet sie!” “Wen jetz nochma?” “Egal, Hauptsache druff!”

Warte ma. Wovon willst du mitreden, wenn du das Buch nicht liest?

Naja, mir würde da schon das eine oder andere … denn, glücklicherweise – zu keinen Zeiten war es so dermaßen unproblematisch wie heutzutage, über etwas zu reden, zu urteilen oder zu schwärmen –  von dem man keinerlei Ahnung hat.

Amerika ist grässlich – du warst nie dort. Politiker sind faule Säcke – noch nie einen aus der Nähe gesehen, geschweige denn einmal dessen Arbeitstag geteilt. Und Sandy ist so geil in der Kiste – woher weiß er das? Sie hat ihn doch nie rangelassen …

Oder jemand fragt: “How are you?”

Nun versuch da mal wahrheitsgemäß zu antworten. Der denkt du bist irre. Das machen Millionen so, produzieren Unmengen an Geschwalle. Bloß gut, dass Twitter da einen Riegel vorschiebt-

Apropos Text.

Ich schreibe tausendfach zu lange Essays. Nach hundertfachem kürzen. Einfach zu oft, zu verliebt in einen Satz, der Kerl! Grenzenlose Eitelkeit besorgt den Rest.

Apropos Rest.

Folgender Satz auf besagter Seite 22, gab mir den Rest, ich zitiere: “Nur um sich selbst zu ärgern – denn sich zu ärgern, andere zu ärgern, die Welt zu ärgern, ist die Lieblingsbeschäftigung und das alleinige Erbe von Landsman und seinem Volk.”

Ich wusste also nun, dass der Schriftsteller Michael Chabon Jude ist, sonst wäre dieser Satz samt dem dazugehörigen Buch weder in den USA noch in Deutschland je verlegt worden. Nun baute sich plötzlich ein riesiger innerer Druck auf, dass ich mit der Schreibe dieses Mannes nicht zurecht kam …

“Heshie, was hast du denn?”

Also, irgendwann im letzten Jahr gab es einen kleinen Sommerloch-Eklat in der Presse. Der deutsche Journalist Jakob Augstein erachtete es für notwendig, Israels, seiner Meinung nach, aggressive Außenpolitik zu kritisieren. Die Reaktion war ein orgiastisches Maunzen und Röhren im Blätterwald. Die Einen schrien: Judenhasser! Andere skandierten: Meinungsfreiheit! Selbstverständlich meinten allesamt aber nur ihre jeweils eigene Vorstellung davon. Im speziellen Fall war von sekundärem, das heißt verstecktem Antisemitismus die Rede. Dieser kröche neuerdings aus allen Löchern. Herr Broder schüttete frischen Kies drauf, also, auf die Löcher, und nannte Augstein rundheraus einen Antisemiten. Nun, der von mir verehrte Herr Broder muss es schließlich wissen. Lange dachte ich sogar, antisemitische Subtilitäten ließen sich überhaupt nur von einem jüdischen Bürger erspüren. Aber das ist Blödsinn.

Für mich, naiv wie ich bin, – gibt es nur Menschen. Gute und schlechte, große und kleine, die schönsten sind die Frauen. Jeder Genozid, aufgrund von irgendwas, ist für mich nicht fassbar. Mir sogleich widersprechend, anbei mein Lebensmotto: Alles was Menschen tun, wie grässlich es auch immer sein mag, ist per se menschlich. Ist die Ermordung von Millionen von jüdischen Menschen während der Hitler-Diktatur somit lediglich ein besonders saftiges Kapitel der menschlichen Pathologie? Nein – denn die Zeit heilt nun mal nicht alle Wunden: Riesige Löcher in einem Volk bleiben für alle Zeiten gerissen.

Und damit bleiben wir beim Thema meines heutigen Beitrags zu Studio B: Mitreden, wovon man keine Ahnung hat. Herrn Augsteins Gedanken hin oder her, der Punkt ist: Die Deutschen, haben es ein für alle mal verkackt mit Israel. Die sollten hier einmal wirklich nicht mitreden. Und sich, so berechtigt es ihnen bisweilen erscheinen mag, jede Belehrung verkneifen, was das Schicksal des jüdischen Volkes angeht.

Ansonsten, würde ich gern von meinem Traum erzählen. Wie soeben ausgeführt, habe ich leider den falschen Pass, um die mir in diesem Traum erschienen phantastischen Bilder in gedruckter Form an die israelische Botschaft, sowie die palästinensische Vertretung zu schicken. Die Mahnung zur Zurückhaltung aufgrund unserer dunklen Vergangenheit wird noch verstärkt durch eine viel grundlegendere Problematik. Diese besteht, schlicht und einfach, in unserer/meiner westlich geprägten Sichtweise. Es ist Hybris in Vollendung, sich anzumaßen, bloß weil wir scheinbar gut dastehen, die Probleme der Länder des Ostens beurteilen zu können. Ob Griechenland oder Israel, ob naher oder noch näherer Osten, WIR sind weder schlitzohrig noch leidgeprüft, wir sind nur noch fett. Westler können Wachstum! Klar, oft genug zwar hauptsächlich auf Kosten fremder Völker und Nationen, aber das schert uns doch nicht. Kuschelig weich fühlt er sich an bisher – der Externalisierungsfleece. Die Deutschen ziehen ihr Rechnungsbuch sogar noch höher als das Kruzifix, sofern sie überhaupt einer Konfession angehören. Achtung, Heißluftballon über dem Kirchenschiff! Am Ende verpufft alles im Tal der Selbstgefälligkeit. Stolz und Würde sind hierzulande weder im Arbeitsleben noch in der Politik Maßstab des Handelns, wenn überhaupt, sind sie reine Privatsache. Wir verstehen nicht, wie die Menschen dieser fernen Länder ticken, daher haben wir auch keinerlei Mitspracherecht uns ein Urteil darüber anzumaßen, auf welche Weise diese Nationen an ihre ureigensten Probleme herangehen.

Fein aufgesagt. Aber wer kann schon was für seine Träume …, also los gehts:

——- Im Jahre 2345 sind sowohl Israelis als auch Palästinenser des ewigen Zankes müde. —- Es wird eine Konferenz einberufen – führende Vertreter Israels und Palästinas kommen mitten im Herzen Jerusalems zusammen. Das Treffen findet ohne Vermittlung oder gar die Teilnahme ausländischer Mächte statt. Hillary Mason, die zweite farbige Präsidentin in der Geschichte der USA, nimmt sich an diesem Tag die Zeit, der Öffentlichkeit den neuen Wellnessbereich im Weißen Haus vorzustellen. —- Bei der heiklen Zusammenkunft wird nur ein Thema verhandelt: Wie gehen wir mit den gemeinsamen Wurzeln in Jerusalem um. Müssen sie auf ewig zwischen uns stehen, oder könnten vielleicht gerade sie helfen, uns ein Stück weit einander näher zu bringen? —- Alles beginnt wie immer, endlose Diskusionen verlaufen in alten Mustern, man reibt sich an Kleinigkeiten, und keine ist klein genug, um auch nur einmal nachzugeben. Kein Ende scheint in Sicht. Nach drei langen Tagen und Nächten voller Streit und Schuldzuweisungen, fängt einer der Berater des israelischen Ministerpräsidenten plötzlich laut an loszulachen. Der Mann wird vor Erschöpfung langsam hysterisch, sein Lachen klingt anfänglich nicht gerade fröhlich. Da er jedoch von den Mitgliedern der palästinensischen Delegation geschätzt wird, weil sie ihn als einen Menschen ohne Vorurteile kennengelernt haben, fällt allen ihre Müdigkeit ein, die momentane eigene, wie auch die ewige, längst als schreckliche Last empfundene kollektive Erschöpfung ihrer beider so lange schon geschundenen Völker. Alle miteinander sehen sie zum ersten Mal in ein und denselben Spiegel, und langsam, einer nach dem anderen, stimmen sie ein, in ein so verschiedenartig anmutendes Lachen, dass es, wenn man es hätte sehen können, dem Farbspekrum eines Regenbogens entsprochen hätte. Als im Saal wieder Ruhe einkehrt, erhebt besagter Mann plötzlich die Stimme und macht einen Vorschlag, den die Männer und Frauen im Saal noch vor einigen Minuten für den sicheren Beweis gehalten hätten, dass der geschätzte Kollege schlicht verrückt geworden sei. Man berät sich kurz. Eine seltsame Stimmung gleichverteilter Unsicherheiten, aber auch vereinzelt glimmender Hoffnung lässt das Licht im Raum heller erscheinen. Die um sich greifende Vorahnung, einem historischen Moment beizuwohnen, wirkt berauschend. Kurz darauf erfolgt die Abstimmung. Sie ist ein überwältigender Erfolg. Der Beschluss ergeht einstimmig: —- Die besten Töchter und Söhne Palästinas und Israels werden auserwählt. Sie erhalten einen Pass und sind ab sofort Bürger Jerusalems. Als eine Abordnung ihrer Völker einen Neubeginn zu wagen. Mit dem Privileg, gleichberechtigt an den heiligen Stätten vertreten zu sein. Die Teilnahme am Leben in der Stadt, gilt in dieser Zeit als Auszeichnung und beinhaltet die Verpflichtung zu einem friedlichen Miteinander, und den Aufbau einer Universität inklusive einer Geschichtsfakultät. —- Man einigt sich auf harte Einschnitte: —- Alle in Israel lebenden Palästinenser müssen für eine Zeit das Zentrum der Innenstadt Jerusalems verlassen. —- Im Gegenzug stimmt Israel der Gründung eines eigenen Staates Palästina zu. Die Mauern an der Grenze zum Gazastreifen bleiben vorerst bestehen, Tunnel werden zugeschüttet. Eine gemeinsame Polizeieinheit wird ins leben gerufen, deren einzige Aufgabe es ist, das Zentrum Jerusalems rund um die heiligen Stätten vor Anschlägen und Sabotageakten zu schützen. —- Man ist sich einig: Es darf ein Jahr lang auf beiden Seiten keine Toten geben. Die Menschen müssen wieder klar denken können. Ohne Hass, ohne Blindheit, ohne unbändige Wut. Mächtige Organisationen von Müttern, deren Söhne im blutigen Kampf beider Völker gefallen sind, mahnen die Verantwortlichen, im Gedenken an ihren unbändigen Schmerz, jetzt nicht einzuknicken und den Menschen endlich ein Leben in Frieden zu ermöglichen. Die Proteste der Siedler, der Orthodoxen sowie der Hamas hören sich zunehmend an wie dünnes Gebrabbel aus einer Vergangenheit, die alle miteinander nur noch hinter sich lassen wollen. Unter den Menschen breitet sich Hoffnung aus. Junge Männer zeigen den Rattenfängern des Terrors den Stinkefinger, erstmalig sehen sie eine Perspektive für ein Leben in Würde und gegenseitigem Respekt. Sie wollen anpacken, ihr Land aufbauen, zu Wohlstand kommen – für all dies müssen und wollen sie leben. Selbstmordattentate erleben einen dramatischen Rückgang. —-  Nach einer Übergangszeit, zu Beginn von kleineren Zwischenfällen und Scharmützeln begleitet, welche jedoch durch die enge Zusammenarbeit der offiziellen Stellen, sowie den beherzten Einsatz von Bürgerwehren auf beiden Seiten rasch abflauen, erhält jeder Einwohner beider Länder eine Besuchserlaubnis zur Besichtigung der Stadt. Am Ende steht eine in vielen Fällen weiterhin kompliziert verlaufende, aber letztendlich friedliche Koexistenz zwischen einem zur eigenständigen Nation heranwachsenden Palästina und dem modernen Israel. Die Mauern werden abgebaut. Es entsteht ein normaler Grenzverlauf, mit freundlichen israelischen Grenzbeamten …

So, wir wachen langsam auf und stoßen uns nicht das Köpfchen. Eingangs sprach ich von Hybris. Gutgemeinte Anmaßung bleibt immer noch Anmaßung. Also, spende für’s rote Kreuz, hilf auch nur einem einzigen Flüchtling und besprich deine Träume mit deinem Therapeuten.

Was aber hat all das mit Mr. Chabons Buch zu tun? Warum hast du jeden Satz zweimal gelesen und bist dennoch nicht reingekommen? Der Übersetzer? Ja, ja, hau drauf. Keine Ahnung. Aber nah dran: Es ist die Sprache. Es ist immer die Sprache. Das liest sich so, so spröde –  knarz, harz, bratz. Als würden Spejbl und Hurvinek zusammen mit dem braven Soldaten Schwejk ein Wettschnitzen mit dem Hauptmann von Köpenick veranstalten, und herauskäme der liebe Pinoccio, klein und niedlich und noch ohne langen Zinken …

Langer Zinken?

Ups, so schnell geht das?

Am Anfang habe ich vom Genuss des Sündigens geschrieben. Ist mir längst vergangen und der Angst gewichen, einer wirklich schlimmen Sünde für schuldig befunden zu werden. Nämlich, dass tief in meinem Herzen, das Schreckgespenst des Antisemitismus auch meinen Blutkreislauf vergiften könnte. Was die abschließende Frage aufwirft: Wäre es einfacher gewesen, dieses Buch entspannt aus der Hand zu legen, wenn Michael Chabon ein tschechischer Christdemokrat wär?

Hesh

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