Hesh on Ute Cohen – Glamour

Hesh on Ute Cohens neuestem Werk Glamour

Eine Kundin hängt das Cape wieder zurück auf den Ständer und murmelt: “Wann und wozu soll ich diese Jacke denn tragen?”

Von mir aus könnte die Dame das Teil auch für eine Latzhose halten. Es ist und bleibt ein kurzes Cape. Aus feinsten Damast-, Feincord- oder Samt-Stoffen gefertigt, verfügt es nur über zwei kleine Knöpfe, jeweils zur Linken und zur Rechten des Dekolleté.

Ich murmele: “Zugegeben, dieses, äh…, Kleidungsstück, ist das Gegenteil von praktisch. Man könnte sogar sagen, es ist vollkommen sinnlos. Andererseits ist es immerhin wunderschön. Weswegen Sie nochmal eine Größe kleiner probieren sollten…”

Ich arbeite in einem Bekleidungsgeschäft. Abgesehen von Petitessen, sage ich den Frauen, was ich denke. Das kommt in der Regel gut an – die Ladies haben ein Näschen dafür, wenn der nächste Kerl mit der nächsten Lüge daherkommt und ihnen sich selbst oder etwas anderes verkaufen will.

Die gute, alte, klassische Beratung ist ein spannendes Feld. Die Frauen, alle Frauen, sind hochkomplexe Kunstwerke; sie sind die Haute Couture unter den Menschenkindern. Nehmen Sie nur mal besagtes Dekolleté: Wie weit darf der Ausschnitt sein? (Sind gar erste kleine Fältchen am Schwanenhälschen zu sehen, welche es unbedingt zu bedecken gilt?) Oder der Oberarmbereich, zu dem jede einzelne Dame ihre ganz eigene Meinung hat, in den meisten Fällen eine äußerst kritische! Weiter geht’s, ebenso selbstverständlich wie – Gottlob! – unvermeidlich: Zum Po, dem Po und nochmals dem Po! 

Keiner gleicht dem anderen. No, Sir. 

Weil wir gerade in der Gegend sind…, ein und dieselbe Rocklänge kann die Beine einer Lady, vor allem in jenen ganz speziellen Bereichen sowohl über als auch unter dem Knie, regelrecht absägen oder aber, perfekt zur Geltung bringen. Nicht zu vergessen der Teint: Ein Kleid, dessen kräftige Farben die Eine erstrahlen lässt, lässt eine Andere in kränklicher Blässe versinken. Was hier sexy blinkt, kann da billig und aufgesetzt wirken.

Apropos billig und aufgesetzt: Die Sprache. Die Macht der Worte. Dass ich persönlich  stämmige Ladies ebenso ansprechend finde, wie alle anderen Frauen – interessiert diverse Vollweiber einen Scheiß! Die Wörter stämmig oder gar propper, sind absolute No- Gos! Wie sehr es auch als Kompliment gemeint sein mag – die Damen hören: “Ich bin fett. Der Typ findet mich also fett! Ich bin … ich fühle mich fett! Was für ein taktloses Arschloch! Hier gehe ich nie, nie, nie wieder hin…!”

Das Zauberwort ist weiblich. Und gut.

All dies zwischen Kundin und Verkäufer zu thematisieren, ist heutzutage unüblich – weswegen das erfolgreiche Resultat einer ebenso sachbezogenen, ergebnisoffenen und bittschön empathischen Interaktion, die Frauen ein wenig glücklicher und unsere Fußgängerzonen partiell ein bisschen schöner machen kann.

Nun liegt es nahe anzunehmen, dass Stil, ein gutes Körpergefühl und die perfekte Kleiderwahl darin münden sollten, dass eine Person eine gewisse Klasse entwickelt. Und wenn jemand erst einmal Klasse hat, ist da nicht vielleicht auch die erste Stufe in Richtung Glamour erklommen?

Surprise, surprise: Trotz chronischen Geldmangels verfüge ich zufällig selbst über Klasse. Vom Aussehen her rangiere ich eher so unter medium ugly, wie tik tok-affine Dater-Innen raunen würden, aber was mein Gesamterscheinungsbild angeht, bin ich einer der bestangezogensten Männer, sagen wir mal, weltweit. 

Aber Glamour?

In welchem Zusammenhang ist mir das Wort und dessen Bedeutung, oder gar eine seiner leibhaftigen Vertreterinnen, bisher überhaupt untergekommen?

Well …, wenn eine fremde Schöne mit ihren riesigen grün-glänzenden Scheinwerfern den Sichelmond über einer meiner einsamen Nächte fixiert und ihr lasziver Gang aus der Entfernung meine Hosenbeine ansengt, während ihre vor Herablassung knisternde Insolenz meine Augäpfel in glutheiße Backpflaumen verwandelt und ich beginne mich nach ihr zu verzehren, wie nach sonst nichts auf der Welt, dann neige ich gelegentlich dazu, diesem Wesen Glamourösität zu unterstellen. 

Selbstredend imaginiere ich im Nachgang noch mindestens die Hälfte hinzu, entrüste mich, plustere mich auf, bis auf mindestens 1,77m… über die so unvergleichlich  herausfordernde Grausamkeit, so dermaßen militant ignoriert zu werden! 

Obwohl Madame doch lediglich keinerlei Notiz von mir genommen hat.

Vielleicht, aber nur vielleicht…, trägt mein kleinliches Bild vom glamourösen Vamp vs. Loser, ja tatsächlich einen Funken Wahrheit in sich. Und zwar – weil dieses fremde weibliche Wesen für mich absolut unerreichbar bleiben wird. Dito jede Form von Glamour.

Meine Welt ist frei von Glamour. 

Sämtliche weiteren Assoziationen zum Thema gesellen sich aus der Peripherie hinzu, sprich, aus Filmen und Fieberträumen, in denen ich irgendwo in den Katakomben längst verfallener Kastelle nach meinen Wurzeln, wahlweise, meinem Selbstwertgefühl grabe, mich in Musik verliere und natürlich in der Vergangenheit, in welcher meine Romane im Kopf manchmal eben auch ein wenig Goldstaub, ein wenig Glamour auf mich herabrieseln lassen. 

Tatsächlich habe ich keine Ahnung. Außer, dass ich es liebe, Dinge zu vermissen, die ich nie erlebt habe und mich nach Menschen sehne, die mir nie begegnet sind.

Im Gegensatz zu den erwähnten Fieberträumen kann ich meine Tagträume selbst gestalten: Da ist dann nix mit alten Kastellen oder gar frischen Ambitionen. Stattdessen sitze ich zusammen mit Fran und Estrella Damm im Außenbereich von Terminal One des El Prat zu Barca. Wir haben den Sommer von Blanes in den Knochen und noch vier Stunden Zeit, bis unser Flieger Richtung Jerez geht. Gegen Mitternacht werden wir in unserer Butze am Strand von Cadiz ankommen – und erstmal dableiben. Am nächsten Morgen diskutieren wir den Transport ihrer drei Industrienähmaschinen, Franny will unbedingt selbst fahren …  

Das ist alles, wonach ich mich sehne.

Nun habe ich den purpur schimmernden – wir wollen es mal nicht übertreiben – ich meine natürlich, den schillernden, im abgedunkelten Horizont diverser intellektueller Einzeller und Volontariats-Amöben für ein glitzernd-raschelndes Feuerwerk aus bunten Nadelstichen, ach was, aus pinkfarbenen, mit Goldglitter bespränkelten Giftpfeilen sorgenden Essay von Ute Cohen gelesen.

Und, erwartungsgemäß, rein gar nichts verstanden. 

Dafür habe ich jedes einzelne Wort gefühlt, wie mein Sohn Fred sagen würde. Ich habe mich über den Begriff der Sneaker-isierung von Berlin-Mitte amüsiert, einer Gegend, mit den am schlechtesten teuer gekleideten Menschen, deren Anblick zu verstoffwechseln ich mich je gezwungen sah. Zumindest, wenn man vom Besuch einer Show des Cirque du Soleil im Bellagio in Vegas absieht, wo man auf Steve Bannon-Typen mit Fußballfan-Wampen trifft, die da in kurzen Chinos und ausgebleichten Polos für zusammen so an die 1000 Bucks rumstehen – und sich jemanden, der sich selbst für glamourös hält, allerhöchstens auf höchst unappetitliche Weise kaufen könnten. 

Für ein Stündchen, oder so.

Was hängen geblieben ist, abgesehen vom Vergnügen an Frau Cohens dichten sprachlichen Collagen – welche zu den Besten gehören, die ich von deutschsprachigen Schriftstellern in den letzten Jahren gelesen habe: Glamour scheint so etwas wie Punk Rock zu sein! Nur viel, viel älter – und nicht erst nach Dienstschluss in der Sparkassenfiliale. 24/7! Pure Anarchie! Wahre, absolute Freiheit! Das vielleicht letzte Aufbäumen dessen, wofür es sich lohnen würde, unglücklich verliebt zu sein oder zu früh abtreten zu müssen. 

Ups. 

Durchaus vorstellbar, dass dies von an die acht Milliarden Menschen auf Erden als ultimative Provokation angesehen werden kann. Und, laut Frau Cohen, von einer nicht unerheblichen Anzahl an Spaßbremsen auch wird. Weswegen sich das Phänomen des Glamour im Allgemeinen und dessen weibliche Vertreterinnen im besonderen erheblicher Kritik ausgesetzt sehen, offenbar durchaus auch mal aus… Berlin-Mitte! (Was sich, befürchte ich, so anfühlen muss, wie von verwelkten, antisemitischen MILFS zur Antisemitin gelabelt zu werden. Andererseits wissen die dann wenigstens einmal, wovon sie reden, während sie danebenliegen.)

Touché. 

Das glamouröse Wesen seinerseits scheint so gar nicht auf der Suche nach sich selbst zu sein. Es hat sich längst gefunden und lässt lieber andere nach sich suchen. (Während der Lektüre von Glamour, in der Nahkampf-Zone der Dresdner Straßenbahnlinie No.7, fühlte ich mich gelegentlich an die – unter anderem von James Jones und Norman Mailer beschriebene – Anmut des Kriegers im Kampf erinnert. Und sei es auch nur, weil dieser das exakte Gegenteil darstellt.) 

Denn das glamouröse Selbst-Verständnis hängt an nichts wirklich. Nicht einmal am Leben. Für das irdische Kasperle-Theater, für uns Aufziehmännel, in unseren Strampelanzügen und Business-Kostümchen, hat es noch nicht einmal Verachtung übrig!

Ruhig, Brauner. 

Freizeit-Agitatoren mit Schaum vor dem Mund sind ja nun so gar nicht sexy. Geschweige denn, auch nur im Ansatz glamour-kompatibel. Damit bin ich allerdings nicht allein. Der/die/das GLAMOURÖSE inszeniert sich zwar ohne jeden Bezug zur Tagespolitik, aber dafür auf Teufel komm raus! Und das dermaßen lustvoll, dass jede lustlose Ideologin komplett alt aussieht. 

Und ihrerseits Gift und Galle spuckt. 

Aber auch für Wohlmeinende ist der wandelnde und, wie erwähnt, ganz besonders der graziös auf zwei endlos langen Beinen dahin wandelnde Glamour – uffz -, eine absolute Herausforderung. Sprich, ein erbarmungsloser Lackmustest, wie ein jeder von uns es denn tatsächlich hält, mit dem so verdammt einfach dahin gesagten, Leben und Leben lassen. Will sagen – das Interesse an identitätsstiftenden Illusionen wie Fairness und Chancengleichheit, ist in glamourösen Universen offenbar gleich null. Bildung, Vermögen und Weltgewandtheit müssen nicht allein vorhanden, nein, sie sollten bitteschön uralt sein. 

Das glamouröse Momentum muss sich in nichts beweisen, seine pure Existenz ist Beweis an sich. Im Gegensatz dazu haftet allem, was Normalsterbliche mit viel Fleiß und Hingabe erreichen können, der Makel des Erarbeiteten, des Bemühten an. Damit sind sie allesamt raus aus dem Rennen. Ich selbst bin ein Arbeiterkind. Auch das bleibt man lebenslang – trotz Hütchen hier und Jackett-chen da. 

Game over.

Wenn Sie also, ja Sie persönlich, mit meinem Interpretations-Mäandere nichts zu tun haben, aber dafür wissen wollen, ob es vom Anbeginn der Zeit einige wenige, wahrhaft außerirdisch-Unabhängige gibt auf Erden, was die so treiben und wie man sie erkennen kann – dann lesen Sie Glamour von Ute Cohen. 

Ich bin sicher, Sie amüsieren sich köstlich! 

Auch wenn besagte Lektüre letztendlich wohl ebenso sinnfrei ist, wie das eingangs erwähnte, wunderschöne, aber nutzlose Cape. Denn wirklich verstehen dürfte Frau Cohens glamourösen Essay wohl nur ein tatsächlich glamouröses Wesen. Nur würde es den Teufel tun, das Geheimnis zu lüften…  

Heiko Hesh Schramm 

Oktober 2025

HESH on Ute Cohen – Falscher Garten

Ein schwarzes Kapriölchen zur schwarzen Kapriole

Zu Ute Cohens Falscher Garten

Was den Mix aus überdrehtem Splatter-Movie und quirligem Berliner Nattern-Nest angeht, spielt das dritte Werk von Ute Cohen, namens Falscher Garten, in der Liga von Charles Willeford und Don Winslow. Und wie bei Mr. Wins-blow komme ich mir vor, als ständen die Worte in einer fremden Sprache da – ständig muß ich nachschlagen, worauf sich dieses oder jenes bezieht, damit es Puff machen kann und ich ein Match habe. 

Neben Mord, Schokolade und noch mehr Schokolade dreht sich offenbar alles um ein grauenhaftes Verbrechen, welches weder geschehen ist, noch ungeschehen gemacht werden kann – weil es die ganze Zeit über stattfindet. Im Grunde könnte das nur dieser Typ namens Valverde aufklären … Der Mann vom Fach. Aber er kommt einfach nicht dazu! Er ist frisch verliebt, Berlin ist anstrengend, seine neue Freundin Susa ist noch anstrengender – andererseits ist sie jede Mühe wert, sich ein wenig Mühe zu geben. 

Ansonsten diesmal keine Lust zu spoilern. 

Denn auf einer weniger wissbegierigen Ebene genieße ich es, die Werke von Ute Cohen regelrecht einzuhauchen – wie Tabakrauch, Musik oder einen Blick im Vorbeigehen. Mir doch egal worum es geht, wenn ich mich amüsiere … woraufhin mein Hirn plötzlich doch anspringt und anfängt zu tanzen – am liebsten zusammen mit der dunklen Seite von Ute Cohen. 

Wie in all ihren Romanen, Interviews und Essays lockt die Handlung in ein Gewebe aus allem, was die Cohen’schen Synapsen je getriggert hat – und das ist so ziemlich alles, was in der öffentlichen Debatte momentan ein wenig unterrepräsentiert zu sein scheint:  Intelligenz, siehe auch menschliche Intelligenz, Anstand, Stil, Charme und Eleganz sowie, mit frischer Zitrone angemachtes, Böse-böse …

– quasi, MENSCH-sein. 

Die Vergangenheit

Im Gegensatz zu diesem Text, arbeitet Ute Cohen nur vordergründig mit Stereotypen:  So manche Fährte im Falschen Garten endet auf von Mikro-Orgasmen …, ich meine Macro-Organismen, (fuck …!), jetz’ aber: auf von Milliarden und Abermilliarden  Mickroaggressionen verseuchtem Terrain: Offenbar hat sich Valverde in der Vergangenheit unendlich vieler sowie eines ganz besonders schrecklichen Verbrechens schuldig gemacht.  Jeder Mensch weiß, Mord ist schlimm, aber Frauenmord geht gar nicht! Erst recht nicht in diesen Zeiten! Und dann auch noch 5 an der Zahl? Riecht verdächtig nach Quote …, aber doch nicht so! Wenn, wie ich des Öfteren höre, jede Frau von Geburt an ein Opfer ist (zum Beispiel der Verhältnisse außerhalb von Berlin-Mitte), wird sie dann nicht bereits beim ersten Mal, quasi zum zweiten Mal dahingemeuchelt? In Wahrheit also zehn Frauen? Sprechen wir hier über ein Massaker? 

T(w)ripper 

RUF-Mord hingegen … Alter! Der absolute Hit der Twitter-UN-Menschen! Diese degenerierte Truppe hat sozusagen die Weltherrschaft übernommen – Donnie T. ist weg, lang lebe Donnie! Unser im Netz zuckendes Wimmelbildchen bestimmt das Primat der Politik und scheucht deren Primat-donnen durch die Bundestags-Manege! T(w)ripper als Institution spricht Recht und richtet praktischerweise gleich noch hinterher. … außerdem gibt besagte T-PLATT-form jeglichen Minderheiten, ach was, eigentlich jedem geistig Minderbemittelten eine Stimme. Selbst olle Joe kriegt hier gelegentlich ‘nen halbwegs fehlerfreien Einzeiler raus. 

Dummerweise wird ausgerechnet unsere Demokratie, in Form einer lebendigen, empathischen und solidarischen Zivilgesellschaft – also genau diejenige Zivilgesellschaft, in deren Namen dieses ganze Theater angeblich stattfindet –  auf Twitter häppchenweise zu Grabe getragen. Und das auch noch quasi im Geheimen – I know, tut weh, is’ aber so … – denn die meisten Menschen gehen den ganzen Tag arbeiten und haben keine Zeit sich brain-abzufucken.

Also wenn das mal kein Paradox ist.

Fast wie ein Killer, der frisch verliebt ist und sein bisheriges Leben hinterfragt … aber dazu später.

Die Fundamentalkritik

Denn die vierte Ur-Gewalt im Staat, die Presse, drückt sich in der T-Diaper natürlich auch die Nase platt. Frau Cohen (klingt ziemlich jüdisch … was wird Jakob wohl dazu sagen?) wird daher in diversen Rezensionen fundamental kritisiert, sprich, in die Nähe von Frauenfeindlichkeit gerückt. Weil … besagter Valverde, besagte fünf Frauen ermordet und zu einer Art Kunstwerk vergoldet hat – eine Ehre, welche älteren, männlichen Tätern …, ich meine Opfern eher selten zuteil wird, aber lassen wir das –  und, weil er die süße Susa angeblich wie ein niedliches, naives Flausche-Puschelchen behandelt. 

(Oder so ähnlich.)

Hm.

Herablassung ist doof, nicht wahr? Aber Sie werden es nicht glauben: Wenn ich den Leuten in die Augen schauen kann und sie meine tätowierten Arme sehen, läuft es in der Regel zivilisierter ab.

Die Gegenwart

Zu seinem Glück oder Pech – je nach Sichtweise – ist der Leser recht oft in Valverdes Kopf unterwegs. Und da geht’s, im Unterschied zu den a-sozialen Gesch-netz-werken, über Larmoyanz und Blasiertheit weit hinaus: Es hätte nämlich gut und gerne auch drei Katzen oder sieben Kerle erwischen können – und wo soll das bloß enden? 

In der Gegenwart, in welcher der Herr V. aus H. über beide Schlitzohren verliebt ist, plötzlich eine richtige Familie hat und sich um den Garten, also, den richtigen Garten kümmern muss, will er schließlich nicht im Knast enden. Ausgerechnet in Berlin, wo arabischen Clans der rot-grüne Teppich ausgerollt wird, bzw., wenn die gutgestuzten Bärte doch mal ‘ne Woche hinter Gittern landen, die rasende Renate höchstpersönlich vorbeikommt, mit ‘nem selbstgebackenen, veganen Sesam-öffne-dich-Kuchen. 

Weil … dann müsste Valverde die ja alle umlegen und was würde dann aus Ute Cohen, quatsch … Susa werden, in dieser, unserer heutigen Republik? 

Also ist der Mann fest entschlossen, sein Leben umzukrempeln. Sprich aufzuhören. Mit dem Morden. Folgerichtig muss er sich verändern, sprich,  finanziell verbessern. (Susa ist seine große Leidenschaft und der beste Kumpel den er haben kann – aber sie ist auch eine richtiges Dami, und sowas geriert sich in der Regel recht anspruchsvoll: Zum Beispiel legen solcherart A-Grazien größten Wert darauf, damit anzugeben ihr eigenes Geld zu verdienen – und im gleichen Atemzug das ihres B, C und D-Mannes, ohne mit den frisch gezupften Wimpern zu zucken, genussvoll auszugeben.)

Das schwarze Kapriölchen …

Aber hätte Valverde die fünf alten Schachteln, allesamt korrupte, ehemalige AuftraggeberInnen, einfach laufen lassen sollen? Da wären noch viel mehr – und wie heutzutage üblich -, unschuldige Menschen über die Klinge gesprungen. Für einen Gerechtigkeitsfanatiker mit einem, sagen wir, recht eingeschränkten Humor …? 

Schwierig.

Kleines schwarzes Kapriölchen Richtung Rufmord-Meute: Wenn man’s doch so, so ernst meint und sich so, so sehr auf der richtigen, der guten Seite wähnt, geht das sowas von schnell und – Huch! – ist die Existenz und Würde eines Menschen pulverisiert! Oder aber,  man ärgert sich HÖLLE! – die Buchverkäufe von Lisa Eckart oder diesem Dresdner Schriftsteller – wie hieß der noch gleich? -, mit ein wenig Hetze gegen vermeintliche Hetze, bis ins Unermessliche angeheizt zu haben.

Aber Gemach, will man nicht so sein wie sie, muss man sich diesen Leuten entschlossen, jedoch ohne Schaum vor dem Mund entgegenstellen – danke, René Pfister, für die vielen richtigen Worte. Valverde hingegen, muss eindeutig etwas Liebenswertes an sich haben. Sonst würde Susa – Typ naiv, aber alles andere als blöd – ihn nicht so abgöttisch lieben. Und mit ihm die Anwesenheit ihrer Kinder, sowie ihre kaum zu zügelnden Aufklärunggelüste bzgl. der sogenannten “Uckermark-Bestie” teilen …

Das wahre Leben

Ups, na, sieh mal einer an: Im wahren Leben, also im Buch, krachts durchaus auch mal zwischen den beiden. Meistens, ach nee: wenn Susa sich von besagter “Uckermark-Bestie” … allzu hanseatisch von oben herab behandelt fühlt. 

Frisch versöhnt lieben sie sich auf dem Sofa – wo auch sonst, wenn man Kinder hat und keine allzulange Vergangenheit bei den GRÜNEN –  und wieder verändert sich etwas in Valverdes Denken und Fühlen. 

Die Kraft der Liebe

Und das ist es, worum es geht in dieser Geschichte – neben Mord, Schokolade, noch viel mehr Schokolade und diesem unfassbar grauenhaften Verbrechen, welches Valverde vielleicht doch noch auklären wird … denn auch wenn das Buch auf jeder Seite ein Borstenfell über die Worte gezogen hat – im Kern geht es um nichts weniger als die Kraft der Liebe, der einzigen Kraft auf Erden, welche Wunder möglich macht: 

Kann ein böser zu einem guten Menschen werden, oder ist auf ewig beides in ihm angelegt – die Umstände, you know? Verdienen wir nicht alle gelegentlich ein wenig Nachsicht? Sind wir bereit, dies auch Anderen zuzugestehen? Könnte nicht allein die Vorstellung, das Phänomen der zweiten Chance als gesellschaftlich weitestgehend akzeptiert anzusehen, jenen Druck abbauen, unter dem wir uns im Netz und immer öfter auch auf der Straße entmenschlichen?

Die Mühe der Ebene

Es gibt TV-Serien, die eine Geschichte in Häppchen, und wenn erfolgreich, bis ins Endlose auserzählen. Und dann sind da jene, thematisch in sich scheinbar abgeschlossenen Geschichten, in denen der Protagonist jedesmal etwas Neues – Case, Schlamassel, Newsroom – durchlebt und der Net-Fixer ihn eben darüber besser kennenlernt.

Ute Cohens Werk führt beide Wege zusammen.   

In ihrem ersten Roman, Satans Spielfeld, muss die von Hass und Schmerz gleichermaßen zerfressene wie erkaltete Marie diese Welt verlassen, damit die Schriftstellerin überleben kann. Womit diese eine, zumindest theoretische Chance bekommt, sich eines Tages wieder lebendig zu fühlen.

Das zweite Buch Poor Dogs, erzählt von diesem Prozess in einem anderen Setting. Das ständige Pendeln zwischen zynischem Sezieren der Morbidität von Natur und Gesellschaft vs. einer tiefempfunden Sehnsucht nach so etwas wie reinen Gefühlen, nötigen die Protagonistin dazu, ihre dunkle Vergangenheit endlich hinter sich zu lassen. 

Nur, dass Eva das gar nicht will. 

Zumal es in Runde zwei um ihr eigenes Überleben geht …

Im hier und heute und im “Falschen Garten”, kann und darf Susa schlicht und einfach einmal glücklich sein. Die der Hölle Entronnenen klopfen nicht einfach mal so im Himmel an. Manchmal leben sie in Berlin-Grunewald und arbeiten sich, ganz im Brecht’schen Sinne, an den Mühen der Ebene ab.  

The art of Cohen …

Und so spiegelt sich der Cohen’sche Kosmos des Lebens und Leben-lassens in Valverdes Vorstellung von Zivilcourage, sprich, gelegentlich auch mal jemandem das Fell über die Ohren zu ziehen. Womit sich die Balance innerhalb der Beziehung wunderbar durchharmonisiert und der Rest der Welt – so wie immer, wenn das dritte NEWTONsche Gesetz mit von der Partie ist  – schon mal Bescheid weiß:

Don’t fuck with Ute Cohen.

Heiko Hesh Schramm

HESH on Ute Cohen – Poor Dogs

“Ich werde eine reiche aktive Frau sein – nicht der Diener-Schatten, der ich war.” Sylvia Plath Heiko Hesh Schramm rezensiert POOR DOGS von Ute Cohen Inside-Joke an den Septime Verlag, die Autorin und KBT: Top-Artwork 😉 “Poor Dogs”: Business Terminus. Bezieht sich auf die üblicherweise gängige Zusammensetzung eines Unternehmensportfolios. Als da wären: “Cash Cows”, “Stars”, “Question Marks” und, Vorhang auf: die sogenannten “Poor Dogs”. Letztere rangieren im Ranking ganz unten, da sie nur über einen relativ kleinen Marktanteil verfügen und kaum Marktwachstum generieren. Weswegen sich der Vorhang für sie als Erstes schließt, sprich, sie aus dem Depot rausfliegen, wenn der Wind frontal bläst.  Das Sujet des zweiten Romans von Ute Cohen ist knapp bemessen und wenig appetitlich, das Personal überschaubar und größtenteils widerlich. (Ein bisschen wie in “Ein plötzlicher Todesfall” von J.K. Rowling, nur im gehobeneren Preissegment.) Alles beginnt mit Verrat, geht weiter mit Verrat und endet in einem Arrangement, welches sich nur mit dem Wort Totalkapitulation beschreiben lässt. Dazwischen Hauen und Stechen in der deutschen Niederlassung einer US-Unternehmensberatung, neoliberales Geschwätz aus der Externalisierungs-Matrix, gemeinsame Auslandsreisen von Mann und eventueller zukünftiger Erstfrau samt Sex und Croissants im Vorbeigehen, Solo-Dienstreisen desselben Herren samt Sex mit – ups – der blonden Dana; liebend gern auch mit einer Dritt- Viert-, oder Fünft-Frau, so es denn ein achthundert Seiten Roman geworden wäre und es sich zeitlich hätte einrichten lassen. Für irgendwas sind die Pussies immer gut, und sei es alle zusammen gegen die Kopfschmerzen. (Calm down. Alles nichts Ernstes. Sondern todernst: Besagte Type ist immer im Dienst, 24/7 wimmelt es nur so vor Poor Dogs in seinem Leben. Siehe auch: Die Kosten-Nutzen-Analyse als heiliger Gral derjenigen, denen rein gar nichts heilig ist: “Was bringt mir der oder die, und wann und wie sortiere ich den und den aus?!”  (John Malkovich in Gefährliche Liebschaften zur Visualisierung dieses Knilchs  heranzuziehen, verbietet sich, leider. Die gottgegebene Klasse des Schauspielers schiebt einen Riegel vor. Ich für meinen Teil habe mich irgendwann für den jungen James Spader entschieden, und fürchte nun den Groll der Autorin.) Was noch? Gemeinsame Besuche des Paares bei ihren Eltern auf dem Dorf (unerquicklich), den seinen in der Großstadt, (noch unerquicklicher), sowie die anschließende Heirat, (total unerquicklich – wenn auch die mit Abstand unterhaltsamste Passage im Text). Des Weiteren die Geburt eines Sohnes, welche bei den Mitgliedern der Familie auf ähnliche Begeisterung stößt wie die Fertigstellung des 10968873ten Fahrrads in Festlandchina, sowie ein Beinahe-Mord und ein Tatsächlicher. Irgendwann bügelt Frau die Hemden von Mann und Peiniger, und erwartet sehnsüchtig dessen Heimkehr. André (Adam wäre zuviel der Ehre), der sephardische Jude. Und Eva, die katholische Bayerin. Eva, unsere “arme Hündin.” Eva inszeniert sich, indem sie sich selbst seziert. Als nehme sie einen chirurgischen Eingriff an sich vor. Oder beaufsichtige ihre eigene Ausweidung, am Tag der offenen Tür in der Pathologie: “Ruhig, Leute! Alle dürfen mal ran. Nur zu, Mädels, ich beiß doch nicht mehr!” Wenn wir uns da nur nicht zu früh gefreut haben. In den mit dem Skalpell freigelegten feinsten Verästelungen dessen, was Eva fühlt, denkt, und wie ein Schwamm aufsaugt, lauert die Hölle der Neuzeit. Die Gefühlte, Eingebildete, Tatsächliche. Das Mühen um das Stemmen von Eigenverantwortlichkeit, gepaart mit einem harten Wind da draußen im sozialen Miteinander. Die endlich heile Welt der Alten nach all dem Heil! vergangener Tage; jene Abgehärteten, Überlebenden, und noch endlos und drei Tage vor sich hin Lebenden, die sich nie die Mühe gemacht haben, die schwächliche, orientierungslose, vor sich hin mäandernde Brut ihrer Kinder entsprechend vorzubereiten: Wie bitte? Das Böse existiert einfach immer so weiter? Auch nach all den großen Kriegen? Erzähl doch nich’! Ihr wisst doch gar nicht, wie gut es Euch geht! Aus Euch wird nichts werden, schon allein deshalb, weil es heutzutage um rein gar nichts mehr geht! Aber nichts für ungut, meine Kleene! Hier, nimm noch ‘nen Schlag, ist auch noch Soße da. Eva will weg vom Dorf, von Jugend und Vergangenheit, von all dem, was der Mensch hinnehmen muss, wenn er zu klein, und zu jung und zu abhängig ist, um einfach loszuziehen. Weg von der Mutter, deren Präsenz sich auf die Kontrolle ihrer Ausscheidungsorgane beschränkt, die den Laden zusammenhält, abzüglich der Banderole – längst mit allem was ihr je etwas bedeutet haben könnte, bewusst und im Vollbesitz ihrer geistigen oder besser letzten Kräfte abgeschlossen zu haben. Erst recht weg vom Vater, den Eva gleichwohl trotzig liebt, für seine Stoik bewundert, für eben jene Stoik hasst, bemitleidet und unterm Strich final für gescheitert hält, weil er seine Zeit, trotz allen Grolls einfach nur absitzt, anstatt nochmal anzugreifen, was die Frage aufwirft, wie tief sie sich da bitteschön einreihen soll? Einfach weg und los, der Rest wird sich ergeben. Manchmal ja, Meistens nicht. Der Vater sitzt tief. Väter mögen über ihre Töchter etwas über das Mysterium der Frauen lernen können, so sie das Herz dazu haben, die Töchter wiederum bekommen mittels ihrer Väter eine Vorschau frei Haus geliefert, bezüglich der Dramen, welche ihnen mit ihren Männern blühen. Damit lässt sich ein ordentlich schwerer Rucksack schnüren, vor allem wenn man bedenkt, dass man ihn niemals mehr wird abnehmen können. Mal sehen, was haben wir denn da: Zurückweisung, Falschheit, Aufbruchstimmung, verschwommene Bilder von einem guten Leben, für das man im wahrsten Sinne des Wortes jedes Bild stürmen, jede Parole nachbrüllen und einfach alles mit sich machen lassen würde. Hunger auf die Welt / sich paar in die Backen abholen / Ekel vor der Welt. Immer wieder zurückschnipsend auf Null. Was will die eigentlich? Worum geht es ihr, gottverdammt nochmal?! “Ja, wo laufen sie denn, wo laufen sie denn… Mein Gott, wo laufen sie denn? Wo laufen sie denn …” … hin? Dunno.  Das Problem: Das Buch spielt nicht in den 60ern, zu Mad Men Zeiten. (Wir erinnern uns: Werbeagentur, Manhattan, Frauen und Männer gut gekleidet – I know, heutzutage vollkommen unvorstellbar – und dann schert da doch so ein kleines hässliches Entlein aus und will den Platzhirschen ein Stückchen ihres angestammten Platzes ab-huschen?) Nein, Poor Dogs ist späte Neunziger, ein paar Jährchen bevor die New Yorker-Innen (die damals – inklusive aller Minderheiten – noch New Yorker hießen) über Nacht Schlange standen fürs erste iPhone, aber nicht lange genug her, als dass man sich großartig in Sicherheit wiegen könnte, was den Zustand der beruflichen Chancengleichheit von Frauen in diesem Land angeht. Nich’ viel gewor’n mit der Mutter Born … Evas Figur, ihr Agieren, bzw. Nicht-Agieren – ist eine Provokation. Für die Männer, die sich mit der Tatsache konfrontiert sehen, dass der Weg, an dessen Ende Übergriff, Vergewaltigung und Mord stehen, mit der ersten, fetten Lüge beginnt. Und für all jene Frauen, die einfach mal alles wollen, ohne eine Ahnung zu haben, wovon sie überhaupt reden. Die ihre Opferrolle, welche nun weiß Gott und zur Ehrenrettung nicht allein auf ihrem Mist gewachsen ist, kultivieren, um in deren Schatten mit der Skrupellosigkeit “der Männer” zu konkurrieren. Beruf und Familie, schafft ein Paar selbst mit der besten staatlichen Kinderbetreuung nur zusammen. Mit wolfshündisch-angehauchten Angstbeißern wie André, ist das schlicht unmöglich. Und Eva ist nun mal so wenig dumm und naiv, wie auf der anderen Seite in höchstem Maße ambitioniert. Haifisch oder Mutti? Das könnte hier die Frage sein. Oder, mit aller Kulanz sowie als Ode an Evas gigantisches Rechenzentrum hinter ihrer schönen Stirn: Warum er? “Und der Haifisch, der hat Zähne – und die trägt er im Gesicht und Macheath, der hat ein Messer – doch das Messer sieht man nicht.” Bertolt Brecht Touché. Irgendwann fühlt sich in diesem Buch jeder und jede dem jeweils anderen überlegen, den Leser eingeschlossen. Ein Arschloch haben alle bis heute bekannten Geschlechter, die Frage ist, warum reißen sich die Leute nur so darum, unbedingt auch eins sein zu wollen? Ähnlich wie Michel Houellebecq in Unterwerfung, der eine Dystopie entwirft, welche einen Schatten aus der Zukunft auf die Gegenwart wirft, lädt auch Ute Cohen den Leser dazu ein, nach dem Ende des Buches gedanklich in die Verlängerung zu gehen. Nur dass die Chose hier über konsequente Auslassung läuft: Auslassung all dessen, was, in meinen Augen, das Leben lebenswert macht. Die Abwesenheit von etwas, die Leerstelle, lässt mich den Verlust spüren. Liebe, alle gesund, heißes Wasser aus’m Hahn. Ein Kassensturz in eigener Sache, die Konsequenz aus der Extra-Time: Tust du irgendwas, was dir nicht gut tut? Ist der Preis für etwas, was du unbedingt willst, letztendlich zu hoch? Bist du von Leuten umgeben, mit denen du nicht auch einen Trinken gehen würdest? (Thanks, Bob Mitchum!)  Der Cohen’sche Kunstgriff: Auch innerhalb des Buches, existiert diese Ebene. Nur ohne Kassensturz: Eva spürt alles. Jede einzelne Lüge, Erniedrigung, von Respekt nicht zu reden, denn der bleibt ihr versagt. Die Ergebnisse ihrer turbo-empathischen, nur krankhaft waidwund zu nennenden Permanent-Analysen ein aufs andere Mal kläglich versanden zu lassen, anstatt sich zu verhalten, zu positionieren, sprich, die ganze Bagage endlich zum Teufel zu jagen, grenzt an Übergriffigkeit sich selbst gegenüber. Weswegen sie krank wird, im Grau-Grau von Tscheljabinsk, Russland, eine Parasitose entwickelt, in Düsseldorf im Hospital landet und anstatt in der Perlung eißgekühlten Champagners, im Kaffeesatz eines randvollen Eimers mit eitrigen Exkrementen nach der Wahrheit suchen muss. Ich zitiere: “Sie fühlte das Verlangen, den Finger in den Schleim hineinzutauchen, hinab bis auf den Grund, den sie klar und kühl erhoffte. Bakterien würden sich um ihre Finger scharen, sie umzingeln, die Fingerkuppen erklimmen und an den Nägeln empor recken, um ihr die Nachricht entgegen zu schreien: Bald ist es vorbei!” So grauenhaft es sich für Eva anfühlen mag, so unerträglich morbide sich diese Seiten lesen – für die deutsche Gegenwartsliteratur und ihren recht schmalen Kanon an spektakulären Bildern ist es ein Glücksfall, dass Ute Cohen sich wie keine Zweite ekeln kann. (Für den Leser, welcher Eva im Buch pausenlos scheinbar unendlich nahe kommt, nur um zu erleben, dass Madame niemanden, nicht einmal sich selbst, jemals wirklich an sich heranlässt, geradezu eine Offenbarung! Miau / wahlweise Wuff!) And here we are again, wolfs-höllisch Cohen-ish: “Die Flüssigkeit roch nach Fäulnis, nicht schweflig wie ein schlecht verdautes Ei, auch nicht bitter nach vergorenen Speiseresten. Es war ein süßlicher Geruch, ein Duft nach Verderbnis und doch verlockend. Abgestandene, bald geronnene Milch, die, noch geschützt von einer Haut aus Zeichen, stagnierte in diesem Gefäß, bald jedoch in der Kanalisation landete, hinabgespült und gereinigt würde und schließlich wieder durch den Wasserhahn flösse und durch ihre Kehle rönne.” Das Ziehen einer Parallele von Verwesung und zellulärem Zerfall, mit dem Implodieren der Grundregeln ethischen, zivilisierten Verhaltens in der westlichen Gesellschaft lässt den Agnostiker in mir, sich dem Atheisten für diese Runde geschlagen geben. Das will ich! Von einem Song, einem Bild, Foto, Text, von der Liebe, von Freund und Feind, oder, wie in diesem Fall, einem Roman: Dass ich es kaum aushalte. Es liebe, hasse, und noch mehr hasse, weil es alles über den Haufen wirft, was bisher sicher schien. Das fucking Gegenteil von Zeitverschwendung. So degoutant Poor Dogs bisweilen daherkommt, niemand kann sich herausreden. Oder um, ohne jede Bescheidenheit, das meiner Arbeit zugrunde liegende Credo zu bemühen: Alles was der Mensch tut, ist per se menschlich.  Die menschliche Wehmut, übersetzt, sich an das eigene bisschen Leben zu klammern; hat viele Gesichter. Ich musste beim Lesen von Poor Dogs oft an Montauk von Max Frisch denken. Affentänze hin oder her – alles geht, nichts kannst du festhalten. Der große, alte, weiße Mann wusste das, den Protagonisten in Poor Dogs wird selbige Erkenntnis nicht erspart bleiben. Das vorliegende Werk ist geprägt vom Vierklang sprachlicher Perfektion: Präzision, Effizienz, Opulenz und Relevanz. Der Duktus kennt keinerlei Erbarmen. Was daran liegt, dass Frau Cohen, wie jede psychisch halbwegs stabile Frau, mit derlei Begrifflichkeiten nichts anfangen kann. Weil sie nah am Puls einer Welt auf der Lauer liegt, welche sich erbarmungslos immer nur um sich selber dreht. Es sei denn, wir entscheiden eines Tages anders, und reden wieder mehr mit- statt übereinander. The Army of Hesh

Hesh on Kult.ch – Als Dresden brannte

Als Dresden brannte: Auszug aus Heiko Hesh Schramms Roman Die Meysers, erschienen auf kult.ch

“I’ve heard people’s stories, or maybe dreamed them after hearing so many similar things, of women standing on the glowing roads that led to Dresden with babies in their arms, watching the city burn after the bombing in World War II.”

Chris Whitley

1

Gegen Ende des tausendjährigen Reiches brannte in Dresden, was als unbrennbar galt –  die Häuserfassaden aus Sandstein und der Asphalt in den Straßen. Alles andere ließ sich bedeutend leichter entzünden: Ob die Ballkleider betuchter Dresdnerinnen, oder der braune Lederriemen einer geflüchteten Mutter aus Breslau, an den diese ihre sechs Kinder auf dem Frostbeulenmarsch über vereiste Felder, sowie während der anschließenden Fahrt im Viehwaggon nach Dresden Hauptbahnhof festgebunden hatte damit sie nicht verloren gingen. Einerlei ob ortsansässiger, in seiner eigenen Stadt quasi zu allem berechtigter Dresdner, oder ein Flüchtling ohne Recht auf irgendwas: Dresden am 13. Februar 1945 war anders als Auschwitz, und anders als das Dresden von Heute: Wer die schutzbietende Stadt rechtzeit erreichte, zum goßen Feuerwerk, wurde von diesem auch gerecht behandelt. Alles, jede und jeder kamen dran. Nur Juden gab es keine mehr, es war nicht zu ändern, wieder einmal sahen sie sich ausgeschlossen von den Feierlichkeiten – allesamt waren sie längst vergast. Selbst einen Juden konnte man schließlich nur einmal töten.

Schöne, hässliche, junge und alte Frauen waren die Zierde der Veranstaltung. Sie brannten vereint, wie zu den besten Zeiten der Inquisition. Die meist alten oder kränklichen, nicht einmal für Hitlers letztes Aufgebot als wehrtauglich eingestuften Männer schlossen sich an, gleich ob in Uniform oder Unterhose. Denn was war das Leben schon ohne die Weiber, erst recht nach fünf paradiesischen Jahren an Frauenüberschuss.

Auch die unzähligen Kinder in Dresden, verstanden trotz ihres jugendlichen Alters schon das eine oder andere vom Leben. An diesem Tag verstanden sie recht schnell, dass sie gerade für immer verlassen wurden. Futsch war er, der Schoß der Familie, das traute Heim, samt dem warmen Federbettchen, niemals nicht wieder ein Renftel von frischem, noch warmen Malfabrot, oder ein Wiener beim Fleischer am Schillerplatz als Belohnung für ewiges, endloses, unaushaltbares Anstehen. Ohne Mama, ohne Papa, ohne jeden Schutz irrten sie umher, und erst Recht ohne die Chance jemals in der Schule lernen zu können, dass die Flammen welche sie gerade so übermütig durch die Luft wirbelten, als wöllten sie mit ihnen spielen bevor sie sie fraßen, an die 800° Celsius heiß waren. Lediglich den Neugeborenen blieb die Tortur erspart, diese, sozusagen, überaus brenzliche Situation reflekieren zu müssen. Bereits damals galt, was bis heute Ehrensache ist: Bitteschön immer nur das Beste für unsere Kleinsten der Kleinen. Ein Baby verdampfte im Zeitraum eines Wimpernschlags. Bevor auf ewig zur Ruhe gezwungen, schwoll sein Geschrei ein letztes Mal grausig an, das Recht auf Leben einzufordern, ein Leben, was ihm niemals vergönnt sein würde. Holy hell on earth – Immerhin, die Erfahrung wie es sich anfühlte, unvorstellbare Schmerzen zu erleiden – ohne etwas zu verstehen oder jemanden um Hilfe bitten zu können – war im Unterhaltungsprogramm des Kurzurlaubs auf Erden enthalten gewesen. Und für Grenzerfahrungen im Leben, sollte man, zumindest im Rahmen seiner äusserst beschränkten Möglichkeiten, ein wenig dankbar sein.

Wenn die Menschen auch größtenteils ziemlich schnell verschwunden waren, mit ihren Überresten war es wie verhext …

Entkernen Sie mal ein lange bewohntes Apartment geliebter oder Ihnen verwandter Menschen, dann bekommen sie eine leise Ahnung wie hartnäckig längst Verstorbene ihre letzten Spuren verteidigen: An den Wänden lauern die Umrisse von auf dem Sperrmüll gelandeten Bildern, Deal: Zu Lebzeiten erhielten die der Tapete einen Rest Jungfräuligkeit, indem sie Zigarettenrauch und andere menschlichen Ausdünstungen fernhielten, also erinnerten diese rauhen Fasern nun störrisch an die gmeinsame Vergangenheit. Gut, runter mit der Tapete. Aber wie stehts mit dem Linoleumboden in der Küche und was du darunter finden könntest? Bist du darauf gefasst, auf den Einkaufszettel? In Omas schrägangesetzter Handschrift? Drei Wochen nach ihrem Krebstod?

Die Alliierten vertrauten am 13.Februar ganz auf die Wirkung ihrer Vier-Pfund-Thermit-Bomben. Sie verzichteten, vor allem aus Mangel an Know-How vor Ort, auf die viel fortschrittlichere Technologie der Nazis: Deren sich lange in der Praxis bewährte und für äusserst sauber befundene industrielle Massentötung, in der Hauptsache ein perfektes Zusammenspiel aus Vergasung und anschließender Entsorgung in riesigen Ofenanlagen, war ja auch nicht wirklich so einfach nachzuahmen. Das waren schon echte Füchse, diese Deutschen!  Also nahm es nicht Wunder, dass die in Dresden, sozusagen, im freien ausgeführte Auslöschung tausender und abertausender menschlicher Existenzen ein paar signifikante Spuren hinterließ: Wer die Muse hatte, ein wenig in die Ecken zu schauen, fand verschiendenartig geformte Knochen – für den Moment durchaus mit einer ärcheologischen Sensation verwechselbar. Seltsam nutzlos erscheinendes Knorpelgewebe bedeckte den Boden von so manchem Luftschutzbunker, aber vor allem, gab es unfassbare Mengen an rumpfartigen Gebilden aus verkohltem Menschenfleisch zu bestaunen. Es mussten Tausende und Abertausende sein. Baumstammartige Klumpen, schwelend, als könnten sie sich noch ein letzes Mal mitteilen, obwohl aufgrund aller gerade dahingegangener Lebenserfahrung doch nun wirklich hätte klar sein müssen, dass sich kein Mensch je anhören will, was die Geschichte lehrt.

Gebraten wirkte Menschenfleisch erstaunlich knusprig, ganz ähnlich dem von Rehen oder gar Wildschweinen. Nur dass es nicht anähernd so gut roch und bedeutend eher zu Kohlenstaub zerfiel. Vereinzelt, zum Beispiel in der Nähe vom alten Schlachthof, gingen auch Ölbomben nieder, dort sahen die menschlichen Überreste wie frisch gekochtes Rindfleisch aus.

Verdampfendes Blut mit kleinen Fettaugen darin, bildete riesige Lachen. Wenn man es nicht besser wüsste, würde man sie für Überreste menschlichen Angstschweißes im Angesicht des Todes gehalten haben. Ohne jede Eile, mit dem gesunden Selbstbewusstsein frisch ausgestoßener Lava, – wenn auch nicht ganz so stückig -, floss die zähflüssig-blutende Pampe auf die von den Bomben säuberlich offengelegten Keller hinzu. Dummerweise hatten die wenigen noch Lebenden dort bereits mit, oder treffender, in ihrem eigenen Blut alle Hände voll zu tun.

Fleisch, Blut und Knochen waren jedoch noch lange nicht alles, was einen Menschen ausmachte. Immerhin, die lebenslange Übung zahlte sich aus: Die für immer zum Schweigen gebrachten Seelen verhielten sich erstaunlich ruhig. Das seltsame Heulen in der Stadt konnte man ihnen jedenfalls nicht zum Vorwurf machen. Nein, dieses, nennen wir es ruhig Freudengeheul, kam doch tatsächlich von der Hitze der Flammen, welche sich in zu kurzer Zeit über zu viel Sauerstoff hermachen durften.

Eine Sache darf man, bei aller gebotenen Pietät, ebenfalls nicht unerwähnt lassen: Die brennenden, menschlichen Haare waren ein echtes Ärgernis: Sicher, sie rundeten das Bild dieser Hölle akustisch ab, mit ihrem geheimnisvollen Geknister, aber sie ließen es sich auch nicht nehmen, ihr Verglühen in Form eines gräßlichen Gestanks zu vergelten, den keine Nase je vergessen würde. Sofern deren Besitzer noch über zwei heile Beine verfügte, um weiterhin am spannenden Rennen um eine gelungene Flucht aus diesem Inferno teilnehmen zu können.

Dabei sein war alles für die Dresdner, und meistens war’s das dann auch. Ein erfolgreicher Abschluss, dieses Vorläufers der ultimativen Reality-Show um alles oder nichts war indes nur wenigen vergönnt. Das war durchaus so gewollt. Neben einigen anderen Kleinigkeiten, wie z.B. der Unterbeweisstellung der Schlagkraft der britischen Royal Air Force, ging es hierbei immerhin um Bestrafung. Diese hatte sich Deutschland nach Meinung der Allierten redlich verdient. Der Trick bei dieser besonderen Art von Strafaktion war, die Brandbomben so über dem dichtbesiedelten Stadtzentrum abzuwerfen, dass sie einen sogenannten Feuersturm entfachen würden. In gewisser Weise war diese Form von Kriegsführung, zumindest was die Menge der abgeworfenen Bomben sowie der an der Operation beteiligten Bomberverbände anging, eine Art Strategietest. Ganz ähnlich, wie ein paar Monate später im Sommer dieses ereignisreichen Jahres, der Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki. Aber die Aufregung war umsonst gewesen, alles ging so glatt über die Bühne, wie die schnurrenden, gut geölten Leinen am Bombenschacht einer B17 bzw. eines in der Abendsonne glitzernden Lancaster-Bombers:

Alles und jeder brannte, verglühte und schwelte dahin im schönen Elbtal. Die Dresdner nahmen mit sich in den Tod, was sie ausgemacht hatte: Hoffnung und Hunger, Harndrang und Hass, Heldenverehrung und verschmandeten Hosenlatz. Heil, war hier nichts mehr. Hinab ging es, in die Hölle für alle, und klein Helmut flog noch hinterher. Heil dir, Heil Hitler!

2

Gebäude stürzten ein, vor und hinter ihr –  unglaublich nah! Dabei war hier gar kein Platz für solch einen Irrsinn! Greta Schmolke konnte es nicht glauben. Sie weigerte sich. Erst als der Schutt – ganz Gentleman – eine Abordnung feinsten Staubes auf ihr Lieblingskleid rieseln ließ, ließ sie sich dazu herab sich der Realität des 13. Februar zu stellen. Es hatte keinen Sinn, längst Offensichtliches zu negieren, als wäre man nach wie vor zarte 16 und so dumm wie naiv. Widerwillig, voller Abscheu vor all dem Schmutz um sich herum, entschloss sie sich, die in ihr aufkommende kalte Wut zu nutzen um den ersten klaren Gedanken ihres womöglich letzten Tages auf Erden zu fassen: Sie musste hier raus. Ihr Zuhause gab es nicht mehr. Das Haus auf der Holbeinstraße hatte einen Volltreffer abbekommen. Samt ihrer wenigen Habseligkeiten würde sie sich auf den Weg Richtung Schillerplatz machen müssen. Über das Blaue Wunder hoch zum weißen Hirsch, raus aus dem brennenden Tal. Dahin wo die Villen standen, die Villen der Reichen, welche sicher auch diesmal ungeschoren davon kämen.

Greta sah hinab auf die zusätzliche Belastung, ihren Sohn. Er würde ein Mann werden. So wie der Mistkerl, der sie mit dem Balg hatte sitzen lassen. Mit aufeinander gepressten Lippen musterte sie das dicke, lärmende Menschenpaket im Bauch des Kinderwagens: ‘Dieses – in seiner Unerträglichkeit mit nichts auf Erden zu vergleichende – Quengeln und Schreien eines Babys,’ dachte sie. Wie sehr war ihr das bereits zu Zeiten verhasst gewesen, als sie es lediglich am Rande hatte ertragen müssen. Als sie noch fluchtartig die Straßenseite wechseln konnte, weil es – Jesus, Maria und Joseph -, ein Fremdes, und nicht das ihre gewesen war.

Mitten durch das Tosen des Angriffs bohrte sich Alfreds Brüllen in ihren Gehörgang. So wie er es eigentlich immer tat, die ganzen acht Monate hindurch die er auf der Welt war. Das Chaos um ihn herum hob ihn ebenso wenig an wie die eisige Stille der Abstellkammer, in die er so oft abgeschoben wurde: Seine Mutter war mit allem möglichen beschäftigt, nur nicht mit ihm. Das und nichts anderes, war sein Problem! Ihre Missbilligung – oh ja – die bekam er des Öfteren zu spüren. Aber das war ihm egal. Immerhin ging mit ihrem Barmen und Klagen eine gewisse Aufmerksamkeit einher. Andererseits würde er niemals etwas anderes als ihre Liebe akzeptieren. Und die Liebe musste es da draußen geben! Er selbst liebte ja sogar sein eigenes, gottverdammtes Scheißleben.

Sie kamen nicht weit. Unweit der medizinischen Akademie fand sich der kleine Tross vor einem riesigen Schutthaufen wieder, von dem sich kein Mensch hätte vorstellen können, dass er gestern um diese Zeit noch ein fünfstöckiges Wohnhaus gewesen sein sollte. Ein Ausweichen war nicht möglich, Greta würde über das obskure Mikado aus Ruinen drübersteigen müssen. Sie stand vor der Wahl entweder zuerst ihren Koffer, oder aber, Alfred auf die andere Seite zu tragen. Ihre bebenden Nüstern gewahrten seiner, ihn, diese Blage, diesen so unzerstörbar wirkenden kleinen Kobold, den sie nie gewollt hatte. Die Aussicht auf einen Moment Ruhe, und sei es in dieser grotesken Situation (Was, bitteschön, konnte sie denn für diesen Irrsinn hier?) gab den Ausschlag. Sie nahm ihren Koffer und fing beherzt an zu klettern.

Oben angekommen, gingen ihr zwei grundverschiedene Gedanken durch den Kopf welche im Nachhinein dafür sorgen sollten, dass sie diesen Moment niemals mehr vergaß. Sie dachte: ‘Eine Frau ohne Kleider ist ein Nichts!’ Und übergangslos: ’Niemand sieht mich. Was, wenn ich einfach weitergehe …?’

Ein Augenblick war keiner mehr, sobald er sich scheinbar endlos dehnte. Erbarmungslos verwandelte er sich in eine Situation. Eine Situation, in der die Entscheidungsträgerin nicht dazu kam sich der Tragweite dessen bewusst zu werden, wozu sie sich im Herzen längst entschieden hatte. Die abgrundtiefe Schäbigkeit ihres Tuns wurde schlichtweg vom Lauf des Leben überrollt. Grausam wie es war, schien es heute auf Gretas Seite zu sein: Ganz in der Nähe des Hauses an dem sie den Kinderwagen abgestellt hatte, – es handelte sich um eine alteingesessene Dresdner Fischräucherei -, ging eine Sprengbombe nieder und zerriss die Szenerie. Greta befahl ihren langen Beinen loszurennen. Ihre wohlgeformten Extremitäten bekamen nicht viel zu tun – die Beschleunigung welche Gretas Körper vorantrieb als säße sie auf einer Kanonenkugel -, kam einzig und allein von der Druckwelle herüber.

In ihren Tagträumen im Village kramte sie Jahr um Jahr in den Beweisen für ihre Unschuld und hielt gestochen scharfe Bilder in den Himmel über Manhattan. Wie sie sich hatte sofort umgedreht, wie eine Furie bereit und willens, nach ihrem Kind zu suchen; aber dass da rein gar nichts mehr gewesen war. Ihrer absolut sicher, sich genau erinnern zu können, glaubte sie irgendwann tatsächlich, was immer sie glauben wollte.

Bis zu jener Nacht auf der Lower Eastside, in der sie von ihren Träumen nicht zurück in einer weiteren schlaflosen Nacht im Bauch von Big Apple, sondern tiefer, in einem noch dunkleren Traum erwachte. Dort roch es nach Rauch und verbranntem Fleisch. Zwei glutrote Augen, die Augen des kleinen Alfred, bohrten sich durch all ihre Lügen. Unerbittlich wie ein Laserstrahl, stellten sie nur eine Frage:

Warum?

HESH on Kult.ch – Die Große Plauderei

Auszug aus Heiko Hesh Schramms Roman Die große Plauderei – Buch 3, erschienen auf kult.ch

August ‘17, 35 Grad im Schatten – the eastern south of germany. Ich sitze in einer Spritterkneipe in Dresden und schreibe Sexkolumnen für einen Blog aus der Schweiz. Natürlich lasse ich es höllenhündisch krachen, schließlich ist es der einzige Sex den ich derzeit habe. Die meisten meiner Beiträge nehmen sie nicht. Die Chefredakteurin Christiane Plenz hält mich für abartig. Außerdem lebte ich in Sachsen, was der Leserschaft nicht zu vermitteln sei.

Letzte Woche hatte Fräulein Plenz einen Text förmlich in der Luft zerrissen. Sie hätte beinahe einen Scheidenkrampf bekommen. (Hat sie so nicht gesagt, aber darauf lief’s wohl hinaus.) PENIS wäre maximal Schwanz, aber nie und nimmer Rohr! R-O-H-R …!

Meinen Verweis auf gewisse Analogien, wie, zum Beispiel, hart wie ein Eisenrohr, heiß wie glühender Stahl usw. quittierte sie, indem sie mich grußlos wegdrückte. Dabei hatte alles recht vielversprechend angefangen, mit einer Geschichte über “extreme Sexualpraktiken”, wie Fräulein Plenz sich vorwurfsvoll ausdrückte, als wöllte sie mich für ihre Themenwahl verantwortlich machen. (Wenn sie sprach, konnte man immer ein leichtes Grummeln hören, als litte sie unter einer akuten Refluxösophagitis. Pausenlose Übersäuerung machte wohl auch vor den Schleimhäuten des Wirtes …, ich meine natürlich der Wirtin, nicht halt.) …

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HESH im Culturmag – NT-One

Auszug aus Heiko Hesh Schramms Roman Die große Plauderei, Buch 4 “Airstream”, erschienen im TABU-Mag des Culturmag

Das neue NoTaboo, kurz NT-One genannt, war ein echter Quantensprung. Es verfügte über spezielle, aus der Kybernetik stammende Cyber-Funktionen, die alles bisher dagewesene in den Schatten stellten: Für Außenstehende saß man, auf sein Smartphone-Display starrend, im Wartezimmer eines Urologen; tatsächlich aber flog man mit Star Wars Episode 30.0 durch den Raum, der bahnbrechenden Saga über den Vater von Yoda, Lucasonydias, welche davon erzählt, wie eigentlich wirklich alles tatsächlich einst begann …

Die Philosophie, welche die Entwickler des Gerätes zu Grunde gelegt hatten, folgte einem simplen Leitgedanken: Keine Grenzen, keine Tabus. Alles, was es in der Militärtechnik, oder zu horrenden Preisen für ausgewählte Kreise zum Teil schon lange gab, sollte auch allen normalsterblichen Bürgern zugänglich gemacht werden. Ursprünglich hatte das NT-One sogar über eine, wenn auch recht einfache Beam-Funktion verfügen sollen. (Vorerst nur zwischen zwei verschiedenen, bis zum nächsten Update nicht zu ändernden Destinationen hin und her, und das auch nur im Umkreis von 3 Kilometern innerhalb großer Metropolen, welche anstatt mit den veralteten Breitband-Glasfaserkabeln, mit der neuen Light-Trans-Technik von NASA-Medic ausgestattet waren.) …

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HESH on Kult.ch – “Eingeteufelt”: Satans Spielfeld von Ute Cohen

© Ute Cohen

“Eingeteufelt”: Satans Spielfeld von Ute Cohen, ein Monster-Essay erschienen auf kult.ch

Zur Verun-Gestaltung von Ute Cohens Satans Spielfeld

 Die Bar, in der ich sitze sieht aus wie tausend andere für die kein Aas eine Gestaltungsidee hatte. Von Visionen wollen wir nicht reden, hier herrscht Rauchverbot. Mir gefällt das. So werden es weniger Kippen über den Tag. Während des lesens ist mir warm geworden, zum Glück trage ich meine Krawatte verwegen locker. Der Pinot Grigio ist eiskalt.

 Normalerweise bin ich ein Nipper. Bisschen angespannt, oft recht nervös, der Kollege. Ich nippe und nippe, sauge mich durch meine diversen Zwanghaftigkeiten und was weiß ich nicht alles. Eine Frau meinte mal im Babylon zu Berlin, ob ich einen an der Klatsche hätte? Sie war eine meiner ein, zwei Langzeitobsessionen, ich befand mich final in der Defensive, und so flötete ich etwas von oraler Veranlagung und begrub mich anschließend unterm Kottbusser Tor.

Im Moment bin ich kein Nipper, sondern werde zum Schütter. Ich könnte mir die ganze Flasche in den Hals stellen und müsste immer noch trocken schlucken. Der Grund? Satans Spielfeld von Ute Cohen.

 214 unten: Da steht kein – Ende. Muss nicht sein, es ist eindeutig, dieses Ende. Geschafft also. Die letzte Seite lässt mich übrig …, auch wenn ich das Gefühl habe, nie wirklich drin gewesen zu sein.

“Sehr geehrter Herr Nabokov. Das vorliegende Buch ist aus einer strikt weiblichen Sichtweise erzählt …”  

Was die Perspektive angeht, bin ich somit per se draußen. Schade drum, aller Wahrscheinlichkeit nach wäre ich eine erstklassische Pussy geworden. Wie um alles in der Welt soll ich mich über dieses schlanke, und trotzdem so gewaltig, gewalttätige Werk auslassen?

Mit dem Drumherum ist das kein Problem, wie Sie gleich lesen werden, oder nicht. Das hässliche Entlein durch den Kakao zu ziehen – a lot of fun. Aber wie sieht es mit der schwarzen Schwanenfrau aus, welche mich im Inneren erwartete? Das können und sollten Sie selbst herausfinden, indem sie dieses schwer fassbare, weil so unfassbar ehrliche Buch lesen.

1

Satans Spielfeld von Ute Cohen ist ein in sich geschlossenes Gesamtkunstwerk. Lange vor Seite 1 besteht daran kein Zweifel. Beginnen wir mit dem Artwork. Wunschtraum – Lasst es uns schnell hinter uns bringen. Warnung – Das können Sie vergessen.

Das Buch stößt mich ab, wie der ewig wolkenverhangene Berliner Himmel. Längst überwunden geglaubte Bilder von lila Wänden, in der eiskalten Wohnung einer psychisch gestörten Prenzelbergler*i-nnin mitten in fucking Prenzelberg schießen mir in die Blutbahn. Ein Gestank nach aromatisierten Kerzen – (besonders grässlich: Vanillearoma) drängt direkt aus dem Hinterkopf, quasi von innen, durch die Nasenflügel. Ich fühle mich in die dunklen Neunziger zurückkatapultiert, stehe verloren am Bett von Katrin oder Kerstin, wie auch immer, sie ist Krankenschwester auf einer Palliativstation und das schon viel zu lange, aber an diesem Tag hat sie frei und es wird die längste aller Nächte werden …

Alles endlos lange her, heute um keinen Preis der Welt. Ein Mann kann ohne die falschen Frauen leben, vorausgesetzt, er hat die Richtige gefunden.

Toll, schon einiges losgeworden. Wenn ich mich bereits jetzt verfranse, komme ich zum Schluss, wenn die AFD im Osten ihre ganz spezielle Version einer neuen DDR ausruft.

“Na, so lange ist das doch auch nicht hin …”

Ruhe.

Wäre ich kein glühender Fan der essayistischen Arbeiten von Ute Cohen, oder gäbe es Facebook nicht, welches genau einmal im Leben echt den Unterschied ausmachte – da ich der Dame einst dort über den Weg lief – ich hätte dieses Buch niemals zur Hand genommen.

Ausgerechnet Facebook: Wo ich ansonsten generös darüber hinwegsehe, dass ich selbst zur Entspannung nicht unbedingt meine Zeit verschwenden müsste. Oder ist eine narzisstische Persönlichkeitsstörung etwa doch eine ziemlich ernste Angelegenheit? Touché.

Ute Cohen – Das Wunder einer Herzens-angelegenheit.

Tapfer nehme ich das blasse Buch zur Hand, betrachte, was die Haptik zu bieten hat. Auf Haptik fahre ich voll ab; genau ein E-Book im Leben gelesen. Nur, dass mir die Haptik hier nichts hilft. Oder fassen sie etwa gern benutzte Tempotaschentücher an, auf der Schlotte im Freibad, wo sie mit Sandy fremdgehen? Na also.

2017. Die Leute kommen viel rum. Sie kaufen E-Books – für unterwegs. Die Buchläden sind trotzdem voll bis unters Dach mit richtigen Büchern. Wie geht das denn? Sollten das allein die Puristen in die schwarzen Zahlen wuppen? Nee, würde nicht reichen. Das Zauberwort heißt: Cocooning!

“Komm, Schatz, es sind unruhige Zeiten, lass es uns zu Hause so richtig gemütlich machen!”

Dazu braucht’s ein paar Kleinigkeiten. Als da wären: kunstlederbezogene Sitzmöbel zum Fläzen, auf denen sich easy verschütteter Rotkäppchen Rosé abwischen lässt, ‘nen Flachbild-Samsung in Fußballfeldgröße (Don’t worry, ganz ohne Batterien, Explosionsgefahr gleich null. Dass die CIA mithört, was für beknackte Fernsehserien Sie sich reinziehen, kann Ihnen eigentlich auch schnurz sein.) Abgerundet wird die kuschelige Wohlfühlwelt von der einen oder anderen Topfpflanze (zumindest wenn Sie eine Frau plus Katze minus Hund haben) und natürlich – von einer Unmenge an diversen Magazinen, Bildbänden und Romanen. Bücher sind aus vielerlei Gründen schlichtweg eine Notwendigkeit. Vor allem dann, wenn’s im Bett mit der Zeit ein wenig dröge geworden ist. Können Sie nix für, is’ halt so; mit der Zeit. Aber wer bitteschön, hat die Zeit, den ganzen Mist zu lesen, der sich da mit der Zeit anhäuft?

“Was magst’n zu Weihnachten?

“Weiß nich’, hab alles.”

“Ein schönes Buch?”

“Na gut… ”

OK, Donna Tart gibt’s alle zehn Jahre einmal – zum Glück – würde auch nicht schneller gehen, die kommt nicht hinterher. Short Stories haben wir abgewählt, die sind nicht in – einfach nicht genug Masse fürs Geld. Überhaupt: Mr. Carver ist lange tot. (“Rauchen Sie eigentlich auch immer noch?!”)

Bis die Schwarten also eines schönen Abends endlich dran sind, sind sie in der Zwischenzeit ja trotzdem da. Also müssen die Dinger (Scheiß Staubfänger!) auch bitteschön ein wenig fancy aussehen. Was das Gros der Verlage in der Zwischenzeit begriffen hat. Wozu der Septime-Verlag nicht zählt.

Ich versuche mich zu überwinden. Ich versuche, emphatisch zu sein: Satans Spielfeld…? Hm … Ich versuche, mich in die Nesseln …, ich meine, mich hinein zu versetzen:

“Gott, was könnte dazu passen …?”, wird sich der verantwortliche Mitarbeiter, sprich Layouter des Verlages gefragt haben, wobei ich unterstelle, dass die Welt prinzipiell im Lot ist. Dass lediglich kleine Missgeschicke passieren, für die niemand etwas kann, weil sich alle ordentlich Mühe geben. Eventuell ist dem jedoch nicht so. Dann hätte sich der Mann den Schädel an der Frage zerrieben, dass nach Möglichkeit 1 zu 1 draußen drauf stehen sollte, was innen, – siehe auch: von der Handlung her … – zu erwarten ist. Und genau danach sieht es aus: Allzu Komplexes könnte verwirren, schließlich sind die Leute dämlich, das Biz ist hart, es muss echt alles passen. Hm, Lolita, Nabokovs Lolita, in Frau Cohens Buch geht’s um ‘ne Elfjährige – oder isse schon Zwölf? – Mnjäh, Mnjäh, Mnjäh; also ebenfalls eine Lolita, eine Kindfrau, jedenfalls noch lange kein Teenager …

Aber hey, letztendlich sind es doch alles noch Kinder, die Mädels. Den “sexuellen Kindesmissbrauch”, den Burner, den Bringer …, müssen wir eh’ im Klappentext andeuten … – was heißt hier andeuten -, absolut und ohne jeden Zweifel deutlich herausstreichen! Also, schmieren wir doch ein blassgraues Bildchen aufs Cover, natürlich, von und mit einem Kind, oder einer Kindfrau, für einen ausgewachsenen Teenager wirkt es – erfreulicherweise – viel zu schwindsüchtig. Lustig, sieht aus, als gehöre es in die Kinderbuchabteilung, steht aber in der Belletristik! Von A bis Z, zwischendurch V wie verwirrend. Da merkt die Kundschaft sicher auf!

Verbrochen beziehungsweise erschaffen hat unser Mädchen eine gewisse … Nein, stop! Auch Anti-Werbung ist Werbung! Ich kenn mich aus, aber mache nicht mit. Nein. Wenn Sie Lust haben, sich – rein zur Entspannung – mal ein bisschen auf Fotolia zu langweilen, dann werden Sie die Kleine schon finden. Kleiner Tip: Sie ist blass und fadendünn.

(Stammt das Wort Fade … im Sinne von “ziemlich dünne”, eigentlich von dem Wort Faden ab…? Welcher ja auch, im Allgemeinen, total dünn ist?)

Anyway, die Kleine hockt traurig auf seltsamen Luftkissen, die Füßchen hängen staksig vorne über, sie starrt paralysiert vor sich hin, wirkt ziemlich benommen … Hm. Sie muss gerade eben vergewaltigt worden sein!

Yeah! Passt!

Je länger ich das tuberkulöse, eklige Bild auf dem Cover betrachte, desto siedend heißer durchfährt es mich: Eventuell irre ich mich ja total und tue dem Verlag, all den hart arbeitenden Menschen, welche so sehr an ihre Künstler glauben, dass sie selbst ihr letztes, hässliches Leinenhemd für sie hergeben würden, hier schweres Unrecht an?

Aber ach, was hört man nicht alles aus der sagenumwobenen Welt der Verlage… No deep dive… not today. Die Literaturszene? Am Ende ebenso abgefuckt wie die Musikindustrie im schönen deutschen Ländle? Who cares … zum Glück hab ich mit all dem nichts zu tun.

Wie dem auch sei, mir bringt gerade ein vollkommen schräger Gedanke die Wangen zum Glühen: Vielleicht, aber nur vielleicht, stellt das dürre Mädchen auf dem Cover ja die Autorin Ute Cohen höchstselbst dar?

Ja, nun lassen Sie uns mal nicht kleinlich sein, natürlich ist die Dame auf dem Bild künstlich verjüngt. Wie sollte sie mit 11, direkt nach einem weiteren saftigen, nein, total trockenen Fick – weil irgendein fünfzigjähriges Schwein sich weder die Mühe macht, sie in Stimmung zu bringen beziehunsgweise nicht einmal mit Spucke nachhilft -, wie sollte sie da bereits den Abstand gehabt haben, dieses grandiose Buch zu schreiben?

Im Interesse der Autorin hoffe ich, dass ihre Inspirationsquelle vielleicht im Schicksal einer Freundin ihren Ursprung hat. Oder dass ihr, was das Sujet angeht, der eigentlich längst überfällige Gedanke kam, dass die Erzählperspektive von Herrn Nabokov noch Luft nach oben lässt. Heute, wo Frauen und Männer ja so einiges gemeinsam aus der ersten Reihe erleben …

Oder hat sich Frau Cohen gar alles nur ausgedacht? Nach einer behüteten Kindheit? Das darf …, das dürfte die Autorin natürlich. Ist schließlich Literatur. Immerhin schreiben auch Leute relativ überzeugend über den Krieg, welche ihn nie erlebt haben. Kuscheliger Externalisierungs-Fleece hin oder her – heutzutage findet unsere Zellstruktur, oder besser, unsere Psyche, – wie träge und blöd sie sich auch anstellt – schließlich so einiges da draußen im alltäglichen Leben, was sich bisweilen ziemlich kriegerisch anfühlt. Ein Jeder kann sich da gut was mitnehmen, das Biest ist schließlich für uns alle da. Der Rest besteht in einer blank gestrichenen Portion Abstraktion, vielleicht bewegen wir uns auch ein bisschen vor, oder besser zurück in der Zeitschiene und fertig ist der neueste Karl May. Oder ist das ganze Gerede über Allergien, Drogenmissbrauch und endlose Wartezeiten auf einen Gesprächstermin beim “Shrink” etwa vollkommen überbewertet? Heutzutage hört man uns doch immerhin zu. Oder etwa nicht?

Zum Teufel aber auch, wie kann man nur so zynisch sein!? Was, Ich? Aber nicht doch. Ich frage mich lediglich, warum, um alles in der Welt, wird bei dementsprechenden Buchempfehlungen – siehe Spoiler, siehe Klappentext, siehe Werbung – so gern mit sexuellem Missbrauch bzw. mit pädophilen Abartigkeiten hausieren gegangen? Oft vollkommen losgelöst vom Kontext, beziehungsweise, der Komplexität der jeweiligen Handlung?

“Ich glaub’, in dem Buch geht es um sexuellen Missbrauch von Kindern … ”

“Wow! Na da guck ich dann doch gleich mal rein.”

Geht’s noch?

2

Womit wir beim Klappentext wären.

Der Hammer.

Nein, ich zitiere den jetzt nicht hier herunter. Mein Text ist auch so schon zu lang. Zum einen, weil ich ihn nicht schreiben will, beziehungsweise, weil ich ihn viel zu sehr schreiben will, zum Anderen, weil sich zur Eitelkeit eine gewisse Formschwäche gesellt. Vertrauen Sie mir bitte einmal und kaufen Sie das Buch. Schlagen Sie es auf, sehen sie nach links oben auf der Umschlagsseite und versinken sie im Schnelldurchlauf. Dauert kaum länger als ein Like unter’m Katzenfoto und schon können Sie mitreden. Denn frisch von der Leber weg, (Frau Hendricks wird sicher gerade als Geheimwaffe gegen die Geschäftsgrundlage der fünften türkischen Kolonne in Deutschland installiert, sonst würde sie augenblicklich einschreiten) will sagen, saftig wie ein frisch weichgeklopftes Rindersteak wird hier der Inhalt von Satans Spielfeld brutusmäßig verraten, weil nahezu komplett ausgeplaudert. Der gleich an erster Stelle stehende, fast überfallartige Vorschlaghammerschlag, in Bezug auf die Premiumproblematik, siehe auch: sexueller Kindesmissbrauch, braucht sich in diesem Fall nicht allzu dämlich vorzukommen. Im Anschluss werden nämlich sämtliche weitere Triggerpunkte der Handlung ebenfalls wie wild angerubbelt. Kein Themenkomplex, welcher nicht genussvoll aufgezählt und abgerechnet würde. Zum Schluss knallts mir echt den Hut von der Glatze, wie sonst nur die Begegnung mit dem falschen Mann zur falschen Zeit, wo immer es Ihnen beliebt in Dresden: Das Ende des Buches wird hier um ein Haar nämlich auch gleich mit verwurstet.

Ok, wenn man oft genug abschweift, läuft es wohl darauf hinaus, sich letztendlich um den gesamten Artikel zu drücken … Das orgiastische Exzerpt im Klappentext jedenfalls, erinnert penetrant an diverse journalistische Info-Häppchen im Netz. Brav wischen wir auf “Mehr lesen” herum. Fuhm …(!) und Trauerspiel ab:

Hey, hier gehts um dies und das, keine Sorge, das meiste haben wir extra für Sie weggelassen! Natürlich nur, um ihre kostbare Zeit zu sparen! Dafür ist unser Artikel schwer aktu…, wir meinen natürlich leicht und aktuell, er wurde sogar schon lange vor Ende der Abstimmung zum Verbot der NPD an die Redaktion gemailt. Wir denken, wir liegen richtig, wenn dem nicht so sein sollte, Sie wissen ja: “Wer nicht wagt usw. …, jedenfalls, wäre das auch egal, dann gäbe es halt ‘ne neue, brandheiße Nachricht. Von uns für Sie, morgen frisch auf’s Neue, und ab dafür! Achso: Lesezeit (mit Hochschulabschluss) eine Minute und 57 Sekunden, Abopreis 5,70 Euro die Woche…

Top.

Naja, vielleicht sollte ich, anstatt mich zu beschweren, lieber die Möglichkeiten entdecken? (Eine Ikea-Kommode steht auch ohne Rückwand leicht schief und wer will schon alles wieder auseinanderbauen, nur um dieses labbrige Pappding einzusetzen?) Zum Beispiel wäre, mit einer der kleinsten Arial-Schriftgrößen, eventuell sogar das gesamte Buch im Klappentext unterzubringen? Statt vollgekritzelten Seiten zwischen den Buchdeckeln, so wie immer, könnte man sich von Stephen King inspirieren lassen. Siehe auch: Knast – Buch – Steinhammer – Freiheit. In unserem Fall enthielte Satans Spielfeld dann eine Lupe inklusive, oder aber, einen zweiten, ganz anderen, ja, am Ende gar einen Überraschungs- Roman?! Eine Vorstellung, die das Potential in sich trägt, nichts weniger als eine Revolution im Buchhandel einzuläuten! Surprise, surprise! Buy one – get two! Septime macht’s möglich!

Es wird Sie an dieser Stelle sicherlich erfreuen zu erfahren, dass der soeben von ihnen überlebte, letzte Absatz – wir erinnern uns – sich lediglich auf den, innen im Buch auf der Umschlagsseite befindlichen Klappentext bezieht. Der (zusätzliche!) doppelt so lange, außen auf dem Buchrücken, hat hier bisher keinerlei Erwähnung gefunden. Das bleibt auch so. Nur soviel: Nach dem Genuss dieser weiteren halben Seite Generalzusammenfassung bleiben nicht einmal Fitzelchen diverser Fragenreste übrig, jegliche Eigeninterpretation des Geschehens gerinnt zu Essig-Essenz. Aber davon wissen Sie ja nichts. Ansonsten wäre ich wieder einmal arbeitslos und müsste weiter an meinem spannenden 2000 Seiten Werk schrauben, in dem die überaus spannende Tatsache, dass ich des Nachts nicht schlafen kann, einer umfassenden Analyse unterzogen wird. Apropos arbeitslos: Ich frage mich an den Selbstbedienungskassen bei IKEA und REWE jedes Mal, wie es eigentlich in den freundlichen Mitarbeiter*innnnnnnnninnen aussieht, während sie beflissen dabei behilflich sind, ihre eigene berufliche Existenz in naher Zukunft überflüssig zu machen.

Nicht, dass wir mit den Bildern durcheinander kommen: Ich zahle meinen Kram nur gerne selber und ziehe es vor ein Buch erst zu lesen, bevor ich es erklärt bekomme.

How.

3

Abgesehen von der äußeren Verschandelung und dem Verrat an der Sache, ist in diesem Buch auch das Lektorat das blanke Spielfeld Satans. Jetzt wird es leider wirklich gefährlich für den kostbaren Inhalt, denn das Lektorat eines Textes, ist, nun ja, im allgemeinen ja ziemlich nah dran am Text …

Zwar verspüre ich keinerlei Lust, hier dezent auf einen Haufen Typos und Fehler wie z.b. doppelte Wörter einzugehen. Wie auch? Ich bin Legastheniker. Ein Korrekturleser sollte das allerdings nicht sein. Wer Romane schreibt, egal wie gut oder schlecht die am Ende geraten, der weiß es: Man sieht lange Zeit weit hinter die Wörter, spiegelverkehrt geben sie Räume frei, die Mathematik der Buchstaben verschwimmt wie hinter Milchglas. Du siehst es einfach nicht mehr, so wie ein Mann die falsche Frau heiratet, und/oder die Lady klandestin und ganz hush hush, einen noch viel größeren Mistkerl liebt. Apropos Frauen und Korrekturleser*innnnninnen: Ich bin mir ziemlich sicher, dass hinter dieser Stümperei eine Frau mittleren Alters steckt, (nur Frauen können derart stutenbissig vorgehen, sonst hieße es ja hengstbissig). Versuchsanordnung: Stellen wir uns die Lektorin als eine Dame vor, welche augenscheinlich lieber selber schreiben will. Eine Dame, mit der ein Mann eine Scheidung durchaus physisch überleben kann, nur um danach für immer pleite zu sein. Warum sollte also ausgerechnet diese, so dermaßen resolute Lady, mit Sorgfalt und Gründlichkeit am Text einer Rivalin arbeiten?

 Fein. Fein vom Leder gezogen. Unreflektiert, polemisierend, weniger moussierend …, was soll der Mist? Sonst gar nicht meine Art? Naja, eigentlich schon. Ich finde so etwas doch nur bei anderen Panne. Vielleicht besser regelmäßig ein wenig Dampf ablassen? Ist mittlerweile allgemein üblich …

Vielleicht können Sie und ich uns ja darauf einigen, dass der “Populist” am Ende auch nur ein Schimpfwort ist, bei Bedarf in nahezu allen Kleidergrößen lieferbar. Höllenhündisch hüten sollten wir uns hingegen vor jeder Art von Fake-News. Muss ja auch nicht sein, einem jeden von uns, natürlich auch und vor allem den am Weltgeschehen interessierten Frauen, steht es jederzeit frei, bei Google akribisch Quellensuche zu betreiben oder gleich bei Wikipedia nachzusehen. Dort wird alles auf den Wahrheitsgehalt hin kontrolliert.

Alternativ steht es Ihnen frei, jederzeit die Pressekonferenzen von Herrn Spicer verfolgen. Ok, deswegen war noch lange niemand von uns auch nur eine Sekunde vor Ort in Aleppo mit dabei. Würde ich uns verweichlichten, herzlosen Wiederkäuern auch nicht geraten haben. Obwohl ich natürlich verstehen kann, dass selbst in diesem Punkt kein Mensch mit seiner ganz eigenen Meinung hinterm Berg will. Wir lassen uns ja allen Ernstes auch über die Juden aus, für uns gibt es keinerlei Grenzen der Hybris. Sollte Sie trotzdem hin und wieder Skrupel plagen, so wäre das im Grunde zu begrüßen. Ich für meinen Teil kann nur immer wieder darauf verweisen: Nutzen Sie ihre Möglichkeiten! Sollte Spiegel Online Sie misstrauisch machen, schauen sie doch bei RT rein! legen Sie anschließend einfach beide Wahrheiten dort übereinander, wo sie sich überlappen (z.B. bei der geographischen Lage (Bautzen, Syrien, Weihnachtsmarkt) oder dem Thema (ein umstrittenes Buch, ein umstrittener Kriegseinsatz oder die umstrittenen Ursachen einer Preiserhöhung von Katzenfutter.) Nun müssen Sie sich selbst ein wenig einbringen, “e bissel mitmachen”, wie der Sachse sagt, wenn er nicht gerade singt oder Losungen brüllt: Starren sie jetzt bitte zirka fünf Minuten auf den bunten Matschhaufen, welcher durch das Zusammenlegen einander vollkommen widersprechender Wahrheiten entstanden ist. Und siehe da, nach einer Weile wird Ihnen das alles nicht mehr so wichtig sein. Sie werden Hunger bekommen, nochmal auf einen Sprung in die Mall gehen wollen, oder die Lust verspüren, ein gutes, ja geradezu phantastisches Buch zu lesen. Ein Buch, randvoll mit ungeschminkten Wahrheiten. Dann wird es Ihnen wie Schuppen an der Netzhaut vorbei rieseln:

 Satans Spielfeld for President.

 Heiko “the army of HESH” Schramm

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Blenderman – The Thousand-Yard Stare


The Thousand Yard Stare by Blenderman recorded by Arno Jordan at Castle Studio Schloss Röhrsdorf
Except “John D – The Cohen Song”: recorded by Berger at Daft Audio Studio
Additional musicians: Matthias Macht – drums / Fran Dango – bass & vocals / Ralph Qno Kunze – drums & soundscapes / DJ Studio 17 – soundscapes on “Reality Has Been Sold Out” / Maria Ziegler – backing vocals on “Reality Has Been Sold Out” / Berger – soundscapes on “John D – The Cohen Song”
Produced by Ralph Qno Kunze & Hesh
Mastered by Ralph Qno Kunze | www.qno-records.de
Cover artwork by Fran Dango | Hobo Hill Productions
Cover pic by Ute Cohen

Hesh on Kult.ch – Fresse halten

Auszug aus Heiko Hesh Schramms Poem Fresse halten veröffentlicht auf kult.ch

Fresse Halten

Hello
Was
sabbelst
du
Die im
Dunkeln
die
sieht man
nicht
Nun
man
hört
Sie
munkeln
Ick
versteh dich
gut
Kleiner Tip
Mach
den Kopp zu
und
halt die
Fresse

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The Thousand-Yard Stare Song

Photo by Fluffy Hays Centner

Photo by Fluffy Hays Centner


The Thousand-Yard Stare Song

A 16-year-old girl – abused by her dad
A mother – her child kidnapped
A woman alone with her grandchildren
whose daughter died of Ebola
Two little girls orphaned by the war in the Ukraine
An adulteress waiting for her stoning in IRAN
The survivor of a terrorist attack on a bus in PAKISTAN

A convict – raped in his cell block
A family man with a mortgage on his back
An Israeli – lost his home in a bomb attack
A Palestinian working in Israel
His way to the border now a cul-de-sac.

A Syrian refugee in Germany
about to be deported from the country
A felon rejected by society
A man discharged from prison
getting no chance anymore

Lee Harvey Oswald, Sirhan Sirhan & James Earl Ray –
the scapegoats of all the coup d’états
A thousand yards, their gaze congealed
like a soldier’s in a wheat field
A thousand yards, their gaze congealed
like a soldier’s on a wheat field
Lee Harvey Oswald, Sirhan Sirhan, & James Earl Ray –
the scapegoats of all the coup d’états
A thousand yards, their gaze congealed
like a soldier’s in a wheat field
A thousand yards, their gaze congealed
like a soldier’s on a wheat field

HESH & Fran


Der 1000-Yard Starren Song

Eine 16 jährige – vom Vater misshandelt
Eine Mutter – deren Kind entführt
Eine Großmutter – deren Tochter an Ebola starb, allein mit ihren Enkelkindern
Zwei kleine Mädchen in der UKRAINE – denen der Krieg die Eltern nahm
Eine Ehebrecherin – vor der Steinigung im IRAN.
Die Überlebende eines Terroranschlags – auf einen Bus in PAKISTAN

Lee Harvey Oswald, Sirhan Sirhan & James Earl Ray –
Sündenböcke vergangener Staatsstreiche
Sie haben dieses 1000 Yard Starren im Blick
wie ein Soldat im Weizenfeld
Sie hatten dieses 1000-Yard Starren
wie die Soldaten in den Weizenfeldern

Ein Mann – im Zellenblock vergewaltigt
Ein Familienvater – der die Raten seines Hauses nicht zahlen kann
Ein Israeli – nach einem Bombenanschlag
Ein Palästinenser – mit Job in ISRAEL der an der Grenze zurückgewiesen wird

Ein syrischer Flüchtling in GERMANY – welcher abgeschoben werden soll
Ein Verbrecher – von der Gesellschaft für immer abgeschrieben
Ein aus dem Knast Entlassener – der einfach keine Chance mehr bekommt…

Lee Harvey Oswald, Sirhan Sirhan & James Earl Ray –
Sündenböcke vergangener Staatsstreiche
Sie haben dieses 1000- Yard Starren im Blick
wie ein Soldat im Weizenfeld
Sie hatten dieses 1000 Yard Starren
wie die Soldaten in den Weizenfeldern

HESH


Listen to The Thousand-Yard Stare Song