HESH on Kult.ch – “Er war alle”: Satans Spielfeld von Ute Cohen

 

“Er war alle.” Satans Spielfeld von Ute Cohen, ein Monster-Essay erschienen auf kult.ch

Wer mit 20 Wörtern sagt, was man auch mit 10 sagen kann, der ist auch zu anderen Schlechtigkeiten fähig.” (Giosué Carducci)

1

Kreide gefressen

Zu Anfang quäle ich mich von Satz zu Satz. Ich mag das Sujet nicht. Auch habe ich das Gefühl, da wäre nirgends Drive. Während des ersten Drittels denke ich, Frau Cohen hätte keinen Drive (oder wäre zu diversen Kürzungen gedrängt worden – besser ein Buch im Handel, als ein noch besseres auf der Festplatte).

Blödsinn. Die Sprache, jeder einzelne Satz ist staubtrocken, so reduziert, dass er mir wie eine Gräte im Hirn steckt. Seite um Seite kapiere ich: Frau Cohen lässt mich die Tristesse im Leben ihrer Protagonistin nicht allein in den Szenenbildern spüren – Sprache und Tempo werden ebenso konsequent herangezogen. Frau Cohen wirft in die Schlacht was sie hat, sie sorgt dafür, dass ich genau da bin, wo ich hingehöre: Dort, wo ihre tragische Heldin die ganze Zeit über leben muss. Ich werde gezwungen (mit-) zu leiden. Was verdammt nochmal härter ist als simples Mitleid. (Mitleid, längst der gebräuchlichste Vorname unter uns Externalisierungsmaden, bedeutet einen Scheiß.)

Ab der Mitte des Buches ändert sich wie von Zauberhand die Farbe der Sätze. Sie werden zu Flöhen, zu Parasiten, was weiß denn ich. Ich spüre, wie sie mich anspringen, muss am eigenen Leib erleben, dass sie gewisse Dinge treiben. Es ist ok. Alles was mich zwingt, nicht taub und blind zu grasen, zu grasen und immer weiter zu grasen bis die Schlachtbank naht, ist ok. Rede ich mir ein …

Irgendwann endlich die letzte Seite. Ich gehe raus und lese für drei Tage nicht mal ein verschissenes Straßenschild. Buchstaben, die zu Wörtern, zu Sätzen, zu Informationen werden, empfinde ich für’s Erste als unerträglich. Weil der Mensch hauptsächlich von allerlei debilen Angewohnheiten zusammengehalten wird, versuche ich es an Tag vier mit MDR Info:

Die Moderatorin schwafelt was von einem Gewaltverbrechen in Herne. Ein Teenager hat ein Problem mit seinem W-Lan Anschluss, was ihn aufregt, weswegen er sich abreagieren muss. Also ermordet er auf bestialische Weise zuerst einen Neunjährigen und weil er einmal dabei ist, metzelt er gleich noch einen Mittzwanziger dahin. Begründung: Das Leben wär Scheiße ohne 24/7 Flat auf voller Pulle. Dann wolle er lieber gleich für immer den Knast, da gäb’s wenigstens Fressen und Heizung für umsonst. Mord ist Arbeit, hört man aus IS-Kreisen immer wieder, wie der Knilch also schwer beschäftigt ist, mit Blut und Eingeweiden und all dem Kram, hat er wohl nicht mitbekommen, dass er im Falle des Neunjährigen ausgerechnet den Stiefsohn eines Vollmitglieds der Bandidos killt. In Anbetracht der Geschäftsfelder bzw. des Arbeitsumfeldes von Rockerbanden dürfte es mit der wohlverdienten Ruhe in der Zelle nicht allzu weit her sein…

Satans Spielfeld – Was immer Sie begehren.      

2

“Liebe gab es nicht umsonst.”

Marie ist elf, dann zwölf, am Ende schlägt’s Dreizehn. Sie lebt Mitte der Siebzigerjahren in Franken in einer katholischen Gemeinde. Dort ist nicht viel los. Die wilden Siebziger machen einen Bogen um die Gegend. Marie will, was alle hungrigen Kids wollen: Dass was los ist. Sie will Teil einer verschworenen Gemeinschaft sein: Gegen die verbitterten Eltern, die bleierne Schwere vor Ort, und überhaupt. Trotz ihres zarten Alters, riskiert Marie bereits den einen oder anderen Gedanken an die Liebe.

Die Sehnsucht nach Liebe kennt viele Wege. Abgesehen von der Sicherung des Atomwaffenpotenzials, ist die fehlende Resilienz bei Kindern – innerhalb von Familien, die diese Bezeichnung nicht verdienen – ein entscheidendes Thema. Was vor allem an der Halbwertzeit liegt, welche es locker mit der von Quecksilber aufnehmen kann.

Unfassbar viele Menschen fühlen sich nicht wahrgenommen. Konkret: Sie fühlen sich zu wenig gefragt, gehört, angefasst, gestreichelt. Die Sehnsucht nach einem aufreizend, eindeutigen Augenaufschlag gesellt sich alsbald hinzu, wofür auch sonst sind Liebesfilme da. Wann all dies beginnt liegt im Dunkeln des Mutterbauches, in einer heilen Welt kommen die jungen Mädchen naturgemäß eher drauf: Während sie dabei sind, sich schon mal ein bisschen umzusehen sowie die Wirkung von dem einen oder anderen knappen Ober- oder Unterteil zu testen, fasst sich einer von den großen Jungs irgendwann ein Herz und geht ran. Er schmiert ehrenvoll ab, oder erlebt den Himmel auf Erden, wenn sie ihm ein Yes hinhaucht.

Deshalb sind wir alle da.

Marie lernt zwei Schwestern kennen. Die sind hohl im Kopf, aber besser als nichts. Marie begegnet dem Papi der Gören, in ‘nem heißen Schlitten rauscht er in ihr Leben, er heißt Bauleitner und guckt sie komisch an. Der Herr Bauleitner nimmt sie wahr. Er scheint etwas in ihr zu sehen, etwas, das bisher überhaupt nicht zu existieren schien. Aber das tut es. Marie nimmt diverse Schwingungen wahr, auch wenn die noch keinen Namen tragen. Eines Tages, bald schon, wird sie fortgehen. Dorthin, wo die Songs herkommen, die sie liebt, wann immer ihre Ohrmuscheln einen von ihnen einfangen können.

Dies alles ist von Frau Cohen bemerkenswert schnell erzählt, und noch bedeutend schneller gehts zur Sache: Der Herr Bauleitner macht Marie ein Angebot. Eines, das sie nicht ablehnen kann, da sie weder umworben, geschweige denn um ihre Zustimmung gebeten wird. Er grabscht sie rüde an und genießt ihre an Lähmung grenzende Verwirrung. Immer wieder drollig so ein Rehkitz, wie es erstarrt, wenn Gefahr droht. Kurz darauf lockt er Marie zum nächsten Ort wo eine Tür ins Schloss fallen kann und entblößt die riesige, voll fette Überraschung. In Gestalt seines prallen Schwanzes rammt er ihr zuckendes, pulsierendes Leben in die knochentrockenen Eingeweide. Denn mit Spucke sparte der Herr Bauleitner, es musste schließlich schnell gehen. Dafür gibt’s von nun an allerlei praktische Tipps mit auf den Weg:

Komm, Marie! Lebe! Ich zeige dir die Welt! (Also stell dich nicht so dämlich an.) Werd ja nicht schwanger! (Wenn ja, nun gut, bin ich natürlich für dich da und kümmere mich, dass das wegkommt.) Apropos, halt schön die Schnauze! (Niemand wird dir glauben. Niemand will seinen Job verlieren – nur wegen dir!) Übrigens, fick ruhig auch mal einen meiner Bekannten, ich will das du was lernst. Solange ich einverstanden bin, ist es ok. (Außerdem mach ich ihm einen stolzen Preis für dich.) Apropos: Nicht, dass du was durcheinander bringst, jung und dumm wie du bist: Untersteh dich, es jemals mit einem dieser milchbärtigen Halbstarken zu treiben!

Bauleitner hat leichtes Spiel. Er ist älter, stärker und erfahren im Manipulieren ihm unterlegener Menschen. Und in seiner Welt, ist ihm so gut wie niemand überlegen: Als Bauunternehmer und feste Größe in der Lokalpolitik sitzt er am längeren Hebel; er hat diverse Jobs zu vergeben, nicht zuletzt Maries Vater profitiert davon. (Das willst du doch nicht alles kaputt machen, meine Kleene!? Schließlich ist dein Daddy nicht grade dick im Geschäft, oder irre ich mich da? Ach, und deinen Lebenshunger, dein blödes Staunen, das gewöhnen wir dir auch noch ab.) Nichts von all dem sagt der Herr Bauleitner so direkt, viel lieber stiert und grunzt er sich durch seine Zeit auf Erden. Allerdings muss er auch nicht wirklich viel erklären. Marie versteht auch so. Dafür versteht sie ansonsten gar nichts mehr …

Unsere Pechmarie hängt also an Bauleitners Leine und ich bin zirka auf Seite 80. Was soll jetzt noch kommen, außer weitere 100 Mal dieser Drecks-Bauleitner in einer mittlerweile Zwölfjährigen?

Tatsächlich war es bisher nicht mehr als das Intro. Nun beginnt das Buch.

3

Fahrstuhl zum Schafott in Technicolor

Einschub: Porno? Nee, plötzlich und unerklärlich: gewisse Hemmungen. Dann wenigstens Hollywood? Zur Ablenkung bewegte Bilder … No, Sir. Fliehen ist zwecklos – Satans Spielfeld von Ute Cohen ist wie geschaffen für einen rasanten Trip im Fahrstuhl zum Schafott – in Technicolor. Ich hoffe es wird ein Kino- und kein Fernsehfilm. Wir sind hier weder in Baltimore noch heißen Sie Soprano mit Nachnamen. Pluspunkt: Veronika Ferres sollte uns erspart bleiben, so unglaublich gut wie sie ist, für die Darstellung einer im Mittel Zwölfjährigen wird es wohl nicht mehr reichen.

 4

“Kein Gebet mehr, kein Gehör, kein Zuspruch, kein Vergessen.”

Wir wissen auch was. Wir haben davon gehört. Von Herrn Nabokov zum Beispiel, dass selbst ein erwachsener Mann bisweilen den Überblick verlieren kann. Wenn er, vollkommen unbeabsichtigt, in einem jungen Mädchen die Begierde zum Leben erweckt und diese potz Blitz zum Brandkraftverstärker ihrer scheinbaren, für sie sehr realen Frauwerdung wird. Worauf sie anfängt, quer zu schießen und alles im kompletten Chaos endet.

Gott, selbst vom Hardcore-Atheisten wird der Weißbart in den Wolken da mal angeheult – warum muss es nur immer so kompliziert sein mit den Mädels? Dass es auch einfach geht, hat unsere Jodie, die kleine Ms. Foster, doch bereits vor einer halben Ewigkeit bewiesen. Lange bevor die Lämmer schwiegen, wurde sie vollkommen zu Recht angeklagt! War schließlich selbst schuld, die geile Schlampe!

Auch auf Satans Spielfeld entwickeln sich die Dinge höchst unerfreulich. Zu keinem Zeitpunkt lässt mich Frau Cohen dahin wo Klarheit herrscht und die Welt noch in Ordnung ist – in Bauleitners Kopf. Es sei denn, Marie beschäftigt sich mit möglichen Erklärungen, dessen Fühlen(?), Denken(?) und Handeln(!) betreffend:

“Er fuhr zurück, getrieben von einer Ungeduld, die Marie unter die Haut kroch.”  

“Sah er denn nicht, wie sie langsam, aber unaufhaltsam, sich selbst entglitt?

“Glaubte er tatsächlich, er könnte sie mit seiner Abwesenheit strafen? Fahle Hoffnung, Verlogene Horizonte …”

Schade. Ich hätte gern mehr über Bauleitners innere Beweggründe erfahren. Vielleicht war ja auch sein Papa irgendwann einmal ein bisschen zu lieb zu ihm, als er klein war? So ließe sich alles auf- beziehungsweise weg erklären. Man könnte ein wenig … vielleicht sogar noch mehr Verständnis aufbringen und sähe sich nicht gezwungen, hier ohne Not einen ehrbaren Geschäftsmann … Naja. Aber ist doch wahr …!

Nein. Alles, das Reale, das Mögliche, das Ersehnte, selbst das, was niemals eintreffen wird, erleben wir aus weiblicher, aus Maries Perspektive. Es ist ganz allein ihre Vorstellung, in deren Verlauf die Angst- und Panikattacken jede einzelne Stunde für sich entscheiden werden – Marie hat das große Los gezogen, ihr winkt ein Rund-um-sorgenvoll-Paket: das Alptraum-Abo auf Lebenszeit.

Also, normal geht das ja so: Umso mehr der Mensch Scheiße fressen muss, umso mehr stumpft er im Allgemeinen ab, um es runterzukriegen. Pech für Marie, dass ihr das anscheinend nie jemand verklickert hat. Erbarmungslos sieht sie, was alle anderen vorziehen zu übersehen: “Küsse schmecken nach eingeweichten Brötchen.”/ “Gedanken kriechen wie Ameisen durch ihr Gehirn.”/ “Sein Geruch springt sie an wie ein wildes Tier.”

Maries Turbo-Einfühlungsvermögen wird selbst von ihrem Peiniger als abnormal empfunden, dessen Lieblingssatz spricht Bände, (zum Beispiel nach der nächsten Vergewaltigung, oder wenn er sie zwingt am Strand ein Schalentier herunterzuschlucken): “Mensch, Mädel, nun stell dich doch nicht so an!”

Fast könnte einem das Stück Scheiße leid tun.

Aus Marie wäre eines Tages eine verdammt gute Schriftstellerin geworden. Frau Cohen hätte Marie sein können. Also treffen sie sich in der Mitte. Marie, gezwungen im Schnelldurchlauf zu reifen, und eine Autorin die sich erinnern kann – stellvertretend für die Frauen, denen es nicht vergönnt war, ihre ganz persönliche Hölle auf Erden zu überleben. (Um sich anschließend durch Jahre des Abgesangs hindurch zu kämpfen, hinter denen eine Zukunft in Freiheit wenigstens eine – wenn auch noch so kleine – Option darstellen könnte …)

Und so rocken die beiden Ladies ihre Story aus einer Art Doppelperspektive: Frau Dr. Cohen steht Maries Augen, Ohren und Geschlechtsorganen schweigend bei, manchmal findet sie Worte für das Unsagbare. Marie scannt sich derweil durch die Kulissen im Irrenhaus ihres Lebens und schleppt uns erbarmungslos mit:

“Jimmy saß neben ihr, berührte mit klebrigen Fingern ihre Stirn…”

Meat Loaf, (war das nicht dieser Teig-gesichtige, übergewichtige Sänger? Ach, der war früher dünn?) Egal, der Mann weiß gar nicht, was er anrichtet:

‘Would you offer your throat to the wolf with the red roses?’

“Seiner Haut,” (ich zerre immer noch an dem armen Jimmy ‘rum) “entströmte ein süßlicher Geruch. Marie fragte sich ob er jetzt gleich zur Sache käme wie Bauleitner.”

Marie fühlt sich überlegen, zugleich zerreißt es sie, vor Angst, Unsicherheit und Selbstzweifel: Dann “fürchtet sie sich vor seiner Gleichgültigkeit, vor dem Verlust des Spiels, das sie so lebensnotwendig braucht.”

“Seine Zunge,” (hier erleben wir einen Versuch mit Michi), ”leckte wie ein Hündchen an ihrem Hals, versuchte auf ihre Lippen zu kriechen.”

Abgesehen von Michis Art ihren Schwanenhals abzuschlecken, fühlt es sich gut an in seiner Nähe. Ein zartes Pflänzli der Hoffnung ………………………? Nix is’! Nicht in dieser Geschichte. (Muss auch mal sein, sowas gibt es, denken Sie nur an den Syrienkrieg.) Dummerweise verhält Michi sich wie ein Gentleman. Er drängt Marie zu nichts. Was die natürlich nicht aushält:

“Sie ertrug die Sanftheit nicht, kniff sich in den Oberarm. Der Druckschmerz genügte ihr nicht. Sie grub die Nägel tief ins Fleisch, bis Blutströpfchen hellrot hervorquollen.”

Sie fragt sich: “War es Verliebtheit? Liebe? Verstanden sie das darunter, die anderen in der Schule? Plötzlich kam er ihr schwach vor, wenn er sich an sie schmiegte und ‘Ich liebe dich’ flüsterte. Wahrscheinlich war er das auch, ein verzogenes Muttersöhnchen, dem nichts abgeschlagen wurde.”

Von meiner alten Maxime, Wer ficken will, muss freundlich sein, bleibt in diesem Buch nicht ein einziger Lametta-Faden unzerfetzt. Marie kennt es nun mal anders:

“Außerdem war es doch normal was sie tat. Küssen, streicheln, dann der Penis. Männer erwarteten das. Marie wusste es. Bauleitner hatte es ihr beigebracht. Er war ein Mann.“

“Wolf, Jäger, Beute.” Bauleitner begleitet sie auf all ihren Wegen und gibt die Richtung vor: “Er war alle.”

Der ultimativ zu-Herzen-gehende Satz des ganzen Buches. Mir kommt der Titel von James Salters letztem Meisterwerk in den Sinn: Alles, was ist.

Alles, was wir noch erwarten können?

5

“This is my rifle. There are many like it, but this one is mine.”

In des Satans Spielfeld geht es am Rande, in der Mitte und gegen Ende, – eigentlich immer wenn die Protagonistin nicht gerade vergewaltigt wird -, um Problematiken die im großen, einst so fernen Westdeutschland irgendwann einmal Thema waren. Ich kann dazu nichts sagen. Ich hatte andere Probleme. Entweder saß ich in meinem Kokon ohne Schicksal, schwitzte im Stahlwerk, oder fuhr in Bautzen in den Knast ein. Dabei war ich lediglich losgezogen um ein bisschen Zug zu fahren. Gen Westen …

(Nee, schon gut. Meine Kumpels wollten ma’ am Bahnhof gucken. Wie ich also – wer bleibt schon gern allein zurück – nichtsahnend mitlief, gings – WUUUM! – gleich mal im Gefangenen-Transporter ab in die Lausitz, samt Zwischenstop inklusive Misshandlung in ‘ner Kaserne der Bereitschaftspolizei, als Erlebniseinlage.)

Hüben und Drüben. Kreisen, kreisen, umeinander kreisen. Dieselbe Sprache sprechen. Keinen Schimmer voneinander haben.

Aber so wie wir alle auf den Topp müssen, findet sich in Satans Spielfeld wiederum eine Gesellschaft beschrieben, welche mir durchaus vertraut vorkommt. Sie muss geradezu eine Zwillingsschwester der Heutigen sein.

Natürlich gibt es Unterschiede: Ich muss nicht in den Siebzigern in einem Dorf voller bigotter Unbarmherziger, sondern darf stattdessen im Jahre 2017 in der ranzigen sächsischen Landeshauptstadt, inmitten einer Schar bigotter Unbarmherziger leben.

(Von denen ich eine nicht unerhebliche Anzahl ins Herz geschlossen habe, wer will schon ständig von Politik reden, wenn man sich – so rein menschlich – mag, und es nun wirklich lohnendere Themen gibt:

“Jesus, ist das ‘ne heiße Trulla! Siehste wie die durch den Barraum stolziert? Meine Cindy, die war auch ein echt heißes Geschoss … leider isse zu so ‘nem reichen Spacko auf’s Land abgehauen …

“Was, echt jetz’?”

“Yeah …”)

Jedenfalls, darf ich vorerst noch die Hosen anbehalten. Letztendlich stehe ich am Ende des Buches aber trotzdem ohne Kleider da: Schließlich will kein Mensch im Westen heute an die eigene Verantwortung erinnert werden. An simple Zusammenhänge: Mein Reichtum, deine Armut. Unser Frieden, deren Krieg. Viele reden davon und zeigen mit dem Finger in alle Himmelsrichtungen. Ständig kommt Wind auf, der wieder abflaut. So oder so – im Allgemeinen, wird das Leben hierzulande als ziemlich schlimm empfunden.

 “Wie bitte? Der Kaufkraft-Index zeigt in den letzten Jahren konstant nach oben? Was geht uns das an? Jetzt wo diese ganzen Fremden unsere Frauen vergewaltigen, unsere Jobs, unsere Lebensart, ja, all das bedrohen, was wir auch so schon Scheiße …, äh, ich meine, was uns lieb und teuer ist?”

Braucht der Mensch klare, simple Vergleichsmöglichkeiten – ich sag mal, mindestens in Relation zur Hölle – um schätzen zu können, was er hat? Werden all die Kriegsgetauften aus dem letzten Jahrhundert deshalb minimum 1000 Jahre alt?

Apropos tausendjährige Ambitionen versus harte Wirklichkeit: Nach relativ kurzer Zeitspanne scheint auch der Kapitalismus bereits gehörig in die Jahre gekommen. Ganze Legionen verdienter Mitglieder unserer Gesellschaft fühlen sich an einem Punkt angekommen, wo sie selbst dann nicht mehr satt werden, wenn sie genug zu fressen haben. Das Ende des Westens? Nö, der neueste Trick: Man verabschiedet sich sang und klanglos vom Säkularen, und aktiviert die in unbarmherziger Barmherzigkeit* bereits seit Jahrtausenden erprobten Religionen, diese ach so bewährten Säulen eines jeden Imperiums, wenn es droht vor lauter Überdehnung allmählich den Überblick zu verlieren …

(*Mit der Barmherzigkeit hab ich’s heute. Gut, dafür gibts in Satans Spielfeld ja nirgends eine Spur davon.)

Der Roman Kaltblütig von Truman Capote, aus den späten Sechzigern, erzählt die Geschichte eines Verbrechens. Eine Familie wird ausgelöscht, die Schuld der Mörder wird (an)erkannt. Allerdings nicht ohne wenn und aber: Das Buch verweist schonungslos auf die Mitverantwortung einer kalten, jeglichen Einzelschicksalen gegenüber ignoranten Zivilgesellschaft, (zumindest immer dann, wenn’s kein Popcorn dazu gibt). Das Buch war eine Sensation – es begründete ein neues Genre, den Dokumentarroman.

Satans Spielfeld spielt Mitte der Siebziger. Schnee von Gestern? Aber nicht doch: Mit einiger Sicherheit gibt es auch im Deutschland von 2017 den einen oder anderen gestörten Traktorfahrer, der sich liebend gern ins Zeug legen würde, um das grindige Nest in dem er dahinvegetiert, zum Schauplatz von ein bisschen Spaß zusammen mit der Bäckerstochter zu machen. Kann er ja nichts für, dass die erst zehn ist …, andere Mädels gibts im Dorf doch gar nicht mehr!

Der Kerl sieht nicht durch, sonst würde er kapieren, dass es ein verdammtes Glück ist, dass die schlauen Mädels heutzutage nahezu geschlossen in die Städte abwandern. Wo sie stattdessen von einem koksenden Investmentbanker vergewaltigt, oder wenn sie Glück haben, nur von ihrem Boss sexuell belästigt werden.

Sie meinen, das ist eine böswillig zugespitzte Verklärung einer viel entspannteren Realität? Ihnen und ja, auch mir, wäre solch ein schreckliches Schicksal bisher erspart geblieben? Zum Einen stimmt das, glücklicherweise. Andererseits, wer ist schon jeder siebte Deutsche? Wenige. Lediglich jeder Siebte von uns, mit einschlägigen Erfahrungen. Laut einer neuen Studie, allein zum Thema Kindesmissbrauch …

Sie haben Recht; ich sollte schleunigst runterkommen … Ich tue ja gerade so, als gäbe es heutzutage genauso viel Sexismus, Rassismus und rohe Gewalt wie früher. Dabei gibt es Legionen von Leuten die sagen, dass früher alles besser war. Hm. Ja aber … was stimmt denn nun?

Ex-DDR’ler wie ich, kennen sich aus mit dem Bewusstsein, oder dem Fehlen desselben. Also muss ich zumindest eines anerkennen: Heutzutage haben wir Heiko Maas. Der versteht keinen Spaß. Ich auch nicht. Hm, der Heiko und der Heiko Maas, werden die jetzt Brüder oder was? Naja, sollte sich sein Ministerium zur Abwechslung mal nicht nur mit Käse befassen, sondern die bestehenden Gesetze konsequent anwenden, sowie endlich die Verjährungsfristen für Sexualstraftäter abschaffen, würde ich mich bereit erklären den Mann lediglich rein menschlich unsympathisch zu finden.

Apropos Sympathie: So wie in Kaltblütig zumindest einer der Killer, Perry Smith, etwas Kreatives, Schöpferisches, manchmal Liebenswertes an sich hatte, so ist der Herr Bauleitner – ein Mann der seine Töchter liebt, der für Fortschritt steht; ein Anpacker, ein über-den-Tellerrand-Blicker, quasi, ein Erbauer der Zukunft usw. – auf die ersten zwanzig Blicke nicht gerade das typische Vergewaltigermonster. Ein Mann, dem man den Teufel erst auf den einundzwanzigsten Blick ansieht. Aufgrund dessen der Durchschnitts-Honk seinen Nachwuchs nur schwer verspätet warnen kann …

“Guck ma. Böse, böse … “

“?”

“Dieter, der Junge sollte schon seit zwei Stunden von der Skateboardbahn zurück sein, jetzt tu doch endlich was!”

“Hmpf(.)”

So, wie wenn eine junge Frau heutzutage ihren BH-bra-ka-dabra ablegt, sieht die Wahrheit in Wahrheit jedoch oft ganz anders aus: Der Herr Bauleitner ist nichts anderes, als das klassische Dreckschwein. Schweine sind alles andere als dämlich; Kinderpornoringe, wie aktuell in Australien, werden von honorigen Großkopferten aus der Wirtschaft und/oder Politprominenz – samt ihren weißen, wie Fahnen im Wind flatternden Westen – nicht nur frequentiert und gedeckt, sondern auch betrieben. Ich bin nicht Maries Vater, also habe ich meinem Sohn einen simplen Rat gegeben:

“Wenn du belästigt wirst, sage laut und deutlich: Lassen Sie mich bitte in Ruhe!!!”

Nicht dass die drei Sahneschnitten samt Primark Tüten drei Meter weiter, oder der 90 Kilo Hoch- und Tiefbauarbeiter, der ihnen auf die auseinanderplatzenenden Nähte ihrer Leggings glotzt, denken, es handele sich um den lieben Opa plus renitentem Enkelsohn. Zusätzlich gab’s für meinen kleinen Mann noch ‘nen Marsriegel – er liebt Karamel… – und die Ansage, dass man einem Menschen den Anteil an Teufelsfleisch nicht unbedingt immer ansieht. Dass er vorhanden ist, davon könne er getrost ausgehen.

Wie sang David Sylvian samtig und weich: The banality of evil. Der Herr Bauleitner ist nichts besonderes. Marie schon. Nicht, dass es nicht vielleicht tausende namenlose Maries gibt, da draußen. Aber diese eine, macht sich verdammt schwer auf meinem Brustkorb – Facesitting, einmal ohne jeden Spaß daran.

Wie hieß es noch in Full Metal Jacket: “This is my rifle. There are many like it, but this one is mine.”

6

Bobby Kennedy versus LBJ.

We shall overcome?

Dass wir nicht alle von denselben Vorfahren abstammen, dürfte nach dem Genuss einer beliebigen Nachrichtensendung allen klar sein. Nicht zu reden von dem intensiven Sog, in den der verzückte Cocooner geraten kann, wenn es draußen stürmt und in der Glotze History Channel rockt und das bluttriefende, reißerische Schlachtengemetzel den Knabberimpuls anregt:

“Cindy, jetz’ kommt Landung in der Normandie! Bringste Bretzeln und’n neuet Sterni mit!? Wenn du schon zehnma in der Stunde aufs Klo rennst … Sach ma, hast du Blase oder was?!”

Andererseits, hat es ja nun nichts wirklich Ritterliches an sich, kleine Mädchen aufzubocken. Dürfte nicht ganz einfach sein, sich mit so etwas zu identifizieren …

Letzte Woche schrieb mir eine enge Freundin (auf die ich heimlich stehe, wie auf alle meine Freundinnen, schließlich sind es Frauen und daher in Friedenszeiten die erste Wahl) wie auch immer, jedenfalls schrieb mir die dunkelharrige Pantherina, sie hätte die Lektüre von Satans Spielfeld gleichermaßen als abscheulich wie sinnlich anregend empfunden. Was mich – wie selten – sprachlos zurückließ.

(Also … – Oh Lord, jetzt wirds zu intim – egal, wenn ich z.b. Pornos glotze, kommt nur bei Erika Lust auf, ich meine, ich komme nur zu Erika Lust Filmen, wenn’s hoch kommt, geh’ ich in Wien auch mal in die Oper, bedauerlicherweise tritt Frau Simonian aber gar nicht mehr öffentlich auf …)

Touché. Ich habe Sie soeben angelogen. Vorsätzlich. Geht gar nicht, so unter Freunden …

Frau Lust und Frau Simonian werden mit ihren feministischen, zum Teil durchaus wundervollen Filmchen Frau Schwarzers Meinung zur Pornoindustrie sicher nicht mehr ändern. Ihre PorNo-Kampagne von 1978 forderte ein absolutes Pornoverbot, mit der Begründung, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen Pornokonsum und Vergewaltigungen gäbe. Obwohl ich das exakt umgekehrt sehe, dafür das beste lebende Beispiel bin, sowie – im Gegensatz zur Argumentation einiger Artikel in der Emma Mitte der Siebziger – auch dem Sex mit Schutzbefohlenen, siehe auch: diversen Findelkindern nichts abgewinnen kann, stehe ich natürlich auf viel kränkeren Scheiß.

Auf den 214 Seiten des Satans habe ich allerdings auf keiner einzigen so etwas wie Sinnlichkeit wahrgenommen, geschweige denn wäre nur in einem meiner unzähligen Schwellkörperchen, auch nur ein Quäntchen Lust aufgekommen. Bin ich also seelisch gesund, oder was? Sicher nicht. Ich stehe nur auf dem Standpunkt, dass, wenn zwei oder fünf Leute gemeinsam ein Schwein schlachten wollen um sich in dessen Blut zu suhlen, dann bitteschön, sollen sie doch! (Sich anschließend mit diversen militanten Tierschützern auseinanderzusetzen, müssten sie halt lediglich zum nächsten Thrill (v)erklären; in einer Welt in der dem Politikwissenschaftler Werner Patzelt das Auto angezündet wird, weil ein paar Spackos ihre Sicht der Dinge als die einzig wahre ansehen, könnte es unsere Blut-Fetischisten glatt das Leben kosten. Aber, mal ehrlich, was ist das Leben ohne ein bißchen Spaß – inklusive Risiko? Zumindest, solange sich alle einig sind …

Zum Lohn für den Versuch (m)einer Standortbestimmung stieß ich bei Amazon auf die Rezension einer Frau, die sich ob der “kalkuliert” eingesetzten Vergewaltigungs- und Sexszenen in Satans Spielfeld, “nicht darüber wundert, dass es so viele positive, männliche Kommentare gibt.”

Also, entweder ist diese Dame innerlich vollkommen degeneriert, oder ich bin etwas Besonderes. Ein sensibler Outlaw, voller Herz, trotz all meiner exorbitant zur Schau gestell(z)ten Wildheit. Sozusagen, “The Koala bear of the road!

AU JA!

OH, No …

Dieser Ich-gegen-alle/Alle-gegen-einen/Und-du-bist-fremd-(!)Sing Sang, wird wohl nie aufhören. Ob es nun die deutsche Sprache ist, der Gewalt angetan wird, mit diesem unsäglichen Gender-Blödsinn. Nicht zu reden von den Minoritäten, oder aktuell, wie in diesem Fall, dem anderen Geschlecht …

Whatever.

Hauptsache das Trennende betonen und moralische Überlegenheit demonstrieren. Wen schert schon ein kleiner Rufmord hier und da, oder ein bißchen Sippenhaft? Eine selbsterklärte Feministin (eine aus der Apollo 4 Generation) warf mir mal an den Kopf: “Stellt Euch nicht so an, Jungs! Jetzt sind wir dran!”

 Ist es also naiv davon auszugehen, dass es sich nicht unbedingt verkaufsfördernd auswirken muss, wenn die Allgemeinheit sich dermaßen ekelt, dass die Lust am Amusement ins Rutschen gerät? Siehe auch: Satans Spielfeld – Missbrauch satt – für schlappe 19,90? Müsste Edward St. Aubyn nicht auch so berühmt sein? Einfach, weil er unglaublich faszinierende Bücher schreibt?

Blödsinn. Wozu habe ich einen Wahlspruch, wenn mein Horizont hinter ihm zurückfällt?

Alles was Menschen tun, ist per se menschlich.

Angebot und Nachfrage-

Angesichts eines ganz besonderen Video-Highlights letzte Woche auf Facebook (Bauleitner hoch fünf – siehe auch: Massenvergewaltigung), konstatierte der Wiesbadener Kriminalpsychologe Rudolf Egg lapidar:

 “Menschen machen das, was möglich ist. Und was ihnen gefällt. Also zeigen sie auch eine Vergewaltigung im Livestream – selbst wenn sie damit ein extrem großes Risiko eingehen.”

 Mutig, mutig, Jungs. Mindestens vierzig Knilche haben sich das Video reingezogen, kein einziger hat die Bullen gerufen.

Das Blut pulsiert und wird es weiter tun. Es passiert und wird wieder passieren: Macht, Sex, Begierde, künftige Diktatoren prügeln sich längst durch die Kindergärten und eifern ihrem Vorbild im Präsidentenamt nach. Wer nichts zu tun hat, vögelt in der Gegend herum und produziert Nachwuchs – Und bist du nicht willig … Die Gülle matscht die Felder zu, irgendwie muss man die ja alle satt kriegen. Und das immer so weiter, bis zu einem Atomunfall in einem unterirdischen Raketensilo, oder, wenn wir Glück haben, bis die Sonne kälter wird. Aber das Glück winkt bekanntlich nur dem Tüchtigen, ergo – entweder bekommen wir endlich unser’n Arsch hoch oder verbleiben herzlichst, auf …

Satans Spielfeld – wo immer sie etwas besitzen wollen, was anderen gehört.

Ob Frau Cohen das Schicksal Truman Capotes in seiner Eigenschaft als Nestbeschmutzer wird teilen müssen, ist bisher nicht entschieden. Um sich diesen Status zu erarbeiten hat Mr. Capote mit Erhörte Gebete gehörig nachlegen müssen, seinem tragisch- sagenumwobenen Spätwerk, in dem nicht allein mehr nur auf das im allgemeinen Verrottete einer abstrakt im Dunkeln existierenden Gesellschaft verwiesen wird, sondern in welchem die Biester mit Klarnamen über der Nacht von Manhattan glänzen. So feminin Capote auch immer veranlagt war, Frauen gegenüber, erst Recht denjenigen unter ihnen, welche es noch nicht geschafft haben, liegt die Messlatte dreifach höher. Ute Cohen wird sich nicht herausreden können: Sie legt mit ihrem Romandebüt nichts weniger, als eine – aus weiblicher Sicht erzählte – Version von Kaltblütig vor. Und sie nennt die Dinge bereits in ihrem Erstlingswerk beim Namen.

Große Literatur ist immer nah am Puls der Zeit – jedes wichtige Buch ist heute fast zwangsläufig zugleich auch Kriminalroman. Wen schert es, dass die Verlage das, ohne sich für den inhaltlichen Aspekt zu interessieren, gleichwohl ausnutzen, um in Deutschland die Renaissance von Jim Thompson anzukurbeln, Donald Ray Pollock irgendwie unterzubringen, Don Wins(b)low am Laufen zu halten, oder auch nur ein einziges Buch von Charles Willeford, Joseph Wambaugh, – meinem persönlichen Helden Mr. Pete Dexter, oder aktuell von Nic Pizzolatto zu verkaufen?

Auch Satans Spielfeld ist in jeglicher Hinsicht, durch und durch kriminell. Wieder einmal ist es Essig, mit der gemütlichen Runde am Lagerfeuer …

Schmoll.

Stattdessen eine weitere Version der alten Geschichte über die Ignoranz der Menschen, das Wegsehen, das Geschehenlassen. Über ein Klima, in dem es unmöglich scheint, sich mitzuteilen. In dem sich niemand traut, um Hilfe zu bitten, siehe auch: Nur den Starken gehört der Westen. Wenn die dann noch was von der Demokratie labern, sind wir zurück bei Adam Smith und müssten es endlich kapieren. Aber auf der Straße kennen die meisten Leute nur den anderen Mr. Smith respektive den Herrn Mustermann …

Außerdem, wollen wir wirklich den total guten Diktator? Wie könnten wir uns je sicher sein …?

Lieber lauschen wir den Ausführungen von Herrn Chomsky beinahe ebenso verzückt, als handele es sich um die Fortsetzung von Roland Emmerichs 2012. Kleiner Schönheitsfehler: In nicht einer einzigen Arche wird auch nur ein einziger Platz für unsereiner frei sein.

7

Flieg, schwarze Schwänin, flieg!

In den sozialen Netzwerken (Wer hat eigentlich entschieden, dass die sich sozial nennen dürfen?) wimmelt es von allerlei Tastatur-Wilden, übergriffigen Neandertalern und anderen in irgendeiner Lehmschicht des Pleistozäns gehirnverprässten freien Bürgern unseres – leider immer noch – so generösen Landes. Im Grunde sind es wahre Demokraten (vielleicht ein bisschen zu ideologisch, dafür umso weniger empathisch), die eben nur nicht aus Herne kommen. Die schlagen niemandem aus lauter Wut den Schädel ein und nehmen das Risiko in Kauf, dass der Wixer auch noch die Frechheit besitzt zu sterben, nur um ihnen den Rest ihres Lebens zu ruinieren.

Wobei das Leben, also das echte, natürlich auch kein Zuckerschlecken ist. Aber man muss es positiv sehen. Wenn schon niemand etwas mit ihnen zu tun haben will, so haben sie doch wenigstens Zeit. Viel Zeit. Also lauern sie, während sie sich unter Pseudonym einen abschwitzen. Ungeduldig warten sie darauf aus ihren Löchern zu kriechen, sich etwas rauszusuchen, sich zu empören, scharr, scharr …

Endlich(!) – wieder den Stab brechen. So kurz er auch ist.

Nicht über den Vergewaltiger, über den Herrn Bauleitner, den wilden Höllenhund. Aber nicht doch! Nein, über Marie werden sie herziehen. Sie werden sagen: Wie kann sie nur? Sie ist ein Biest. Eine Hure. Sie ist alles andere als ein artiges, korrektes Opfer. Damit zieht sie die anderen Opfer in den Dreck! Wir und nur wir – und natürlich der Bauleitner – wissen, wie sich ein Opfer zu benehmen hat. Damit das mal klar ist: Selbst die – sogenannten – Opfer haben da nichts mitzureden! Die sind doch traumatisiert, denen sollte man keine Stimme geben. Die brauchen professionelle Hilfe, beziehungsweise, so kaputt wie sie sind, stellen sie längst selbst eine Gefahr für unsere HEIL(!)e Gemeinschaft dar! Nein, wir (er)kennen unsere Pappenheimer und diese Marie, die ist so, äh, sie ist so … so anders. Zum Teufel mit ihr!

Aber an Marie kommt die Meute der Dogmatiker nicht heran. Also werden sie sich an der Autorin abarbeiten. Schließlich “ist sie alle” in diesem Buch, ergo – für alles verantwortlich.

Frau Cohen und ihr erster Roman Satans Spielfeld werden die Zeiten überleben, in die sie unweigerlich geworfen werden. Dieses Buch ist der sprichwörtliche Wackerstein unter einer verdammt dünnen Matratze. Ebenso wie Baldrian oder Heilerde macht es nicht gerade Spaß. Aber es hilft. Zum Beispiel uns unwohl dabei zu fühlen, wenn wir das nächste Mal denken: It’s none of my business.

Das Besondere an diesem Buch, beruht auf einer seltenen wie simplen Tatsache: Die Cohen hat die Eier unterm Designerkleid, ehrlich zu berichten.

Das Gerede von Authentizität und Glaubwürdigkeit spiegelt sich – natürlich – immer im Auge des Betrachters. Da dieser im Allgeḿeinen blind ist für eine Wahrheit, die nicht die seine ist, macht Frau Cohen die Sache wasserdicht. Was meinen Horizont angeht, so lässt nichts in diesem Buch, kein einziger Satz, einen Spielraum für Interpretation. Es steht alles ganz klar da. Eine Charakterstudie, die (kalt)stellt, eine dicke Schicht Asche auf hellgrauem Hut: Das Kostbarste, die eigene Ehrlichkeit, lediglich als die nächste, die ultimative Lüge anzubieten – das läuft hier nicht.

Naiv, staunend, empathisch; raub-tierisch wie nur eine Frau sein kann, reißt Ute Cohen riesige Löcher in die Watte der Ignoranz. Zur Kenntnis nehmen – hinsehen, zuhören, handeln. Verdammt viel Luft nach oben. Damit die Opfer der Bauleitners dieser Welt eines Tages zum tragischen Einzelfall werden, für deren Schicksal die Menschen noch Tränen übrig haben.

Heiko “the army of HESH” Schramm

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Blenderman – THE RALPH

Recorded by Berger at Daft Audio |
www.facebook.com/Daft-Audio-166005030112079/
Except “Radiation On A Summer Night”, which was recorded by Ralph Qno Kunze and Arno Jordan at Castle Studio Schloss Röhrsdorf | www.castle-rohrsdorf.com/de/recording-studio/
Crew: Heiko HESH Schramm – guitars, vocals, piano / Fran Dango – vocals, bass / Ralph Qno Kunze – drums / Matthias Macht – drums on “Radiation On A Summer Night”

Produced by Ralph Qno Kunze & Heiko HESH Schramm.
Mastered by Ralph Qno Kunze | www.qno-records.de

Cover artwork by Fran Dango | Hobo Hill Productions.

 

HESH on Kult.ch – Als Dresden im Februar 1945 brannte

Auszug aus Heiko Hesh Schramms Roman Die Meysers erschienen auf kult.ch

Gegen Ende des tausendjährigen Reiches brannte in Dresden, was als unbrennbar galt – die Häuserfassaden aus Sandstein und der Asphalt in den Straßen. Alles andere ließ sich bedeutend leichter entzünden: Ob die Ballkleider betuchter Dresdnerinnen, oder der braune Lederriemen einer geflüchteten Mutter aus Breslau, an den diese ihre 6 Kinder auf dem Frostbeulenmarsch über vereiste Felder, sowie der anschließenden Fahrt im Viehwaggon nach Dresden Hauptbahnhof festgebunden hatte, damit sie nicht verloren gehen. Einerlei ob ortsansässiger, in seiner eigenen Stadt quasi zu allem berechtigter Dresdner, oder ein Flüchtling, ohne Recht auf irgendwas: Dresden am 13. Februar 1945 war anders als Auschwitz, und anders als das Dresden von Heute: Wer die schutzbietende Stadt rechtzeitig erreichte, zum goßen Feuerwerk, wurde von diesem auch gerecht behandelt. Alles und jeder kam dran. Nur Juden gab es keine mehr, es war nicht zu ändern, wieder einmal sahen sie sich ausgeschlossen von den Feierlichkeiten, allesamt waren sie längst vergast. Selbst einen Juden konnte man ja schließlich nur einmal töten.

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HESH on kult.ch – The Story of my Tattoos

Photo by Mirko Glaser

The Story of my Tattoos veröffentlicht auf kult.ch

Mein Name ist Heiko Hesh Schramm. Geboren wurde ich am 8. Juni 1971. Einige Monate später, am 24. Oktober des selben Jahres, starb in Paris ein Mann namens George Dyer. Im Bad seines Hotelzimmers kotzte und schiss er sich die Seele aus dem Leib, und am Ende den Leib selbst noch hinterher.

Die Dauer dieses Ringens mit dem Tode blieb im Dunkeln, dem Beteiligten selbst könnte es quälend lange vorgekommen sein. Wohl bekannt hingegen ist, dass zum Zeitpunkt des Todeskampfes von George, der berühmte Maler Francis Bacon im Pariser Grand Palais die Vernissage zu einer umfassenden Retrospektive seines Werkes feierte.

Die Pariser Kunstmeute raste vor Begeisterung, für Bacon war der Abend ein Triumph.

Francis war der Geliebte von George.

Bacon’s Liebesbeziehungen trugen wiederholt, jeweils über die Zeitspanne eines Jahrzehnts, den Namen eines einzigen Mannes. George stand für die 60iger Jahre. Er bevorzugte, so wie ich, die schmalen Schlipse.

So gesehen waren die beiden Ende ‘71 spät dran, andererseits soll Dyer Bacon’s große Liebe gewesen sein.

1973 malte Bacon ein Triptychon: In Memory of George Dyer.

Es zeigt Dyer im Todeskampf.

Die Schatten werden im Verlauf der dreiteiligen Bildreihe zur obsiegenden Fratze des Todes. Die Bilder zeigen die Nacktheit eines Menschen, wenn es keine Chance gibt, ein weiteres Mal, “Oh bitte, zum allerletzten Mal…!”, noch einmal mit dem bisschen Leben davon zu kommen.

Schlimmer noch, man spürt den Hohn des Siegers.

Die Einsamkeit im ultimativ letzten Aufbäumen, kaltschweißig, nass glänzend – auf nackter Haut. …

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Blenderman at DAFT AUDIO

Recorded by Berger at Daft Audio |
www.facebook.com/Daft-Audio-166005030112079/
Except “Man Up!”, which was recorded by Ralph Qno Kunze and Arno Jordan at Castle Studio Schloss Röhrsdorf | www.castle-rohrsdorf.com/de/recording-studio/
Crew: Heiko HESH Schramm – guitars, vocals / Fran Dango – vocals, keyboard on “Trouble Soon Be Over” / Berger – beatbox and harmonica on “Inner City Lights” / Ralph Qno Kunze – drums on “Your Land Ahoy” / Matthias Macht – drums on “Trouble Soon Be Over & “Man Up”
Produced by Ralph Qno Kunze & Heiko HESH Schramm.
Mastered by Ralph Qno Kunze | www.qno-records.de
Cover photo by: Hesh & Fran
Cover artwork by Fran Dango | Hobo Hill Productions.

Studio B – HESH on Don Winslow

hesh on don winslow

HESH rezensiert Das Kartell von Don Winslow.

Intro

Am 22.05.2015, einem Freitag, erschien in Deutschland die Fortsetzung von Don Winslows großem Roman Tage der Toten, unter dem Namen: Das Kartell.

Am 07.06.2015, einem Sonntag, schrieb der stellvertretende Ressortleiter des Feuilletons der Welt, ein Mann namens Elmar Krekeler, in der Rezension des Buches: “Das Kartell” ist reine Unterhaltung. Und manchmal ertappt man sich dabei, dass man es – so gut es gemeint ist, es ist sogar den unzähligen Journalisten gewidmet, die im Kampf für die Wahrheit ihr Leben ließen – für zynisch hält.

Am 11.07.2015, einem Samstag, entkam einer der mächtigsten Drogenbarone der Welt, Archivaldo Guzmán Loera alias „El Chapo“, aus der Anstalt El Altiplano in der Stadt Almoloya de Juárez im zentralgelegenen Bundesstaat Mexiko. Es handelte sich um seinen zweiten Ausbruch aus einem mexikanischen Hochsicherheitsgefängnis innerhalb eines Jahrzehnts.

Am 01.08. 2015, ebenfalls an einem Samstag, wurde der mexikanische Fotoreporter Rubén Espinosa gefoltert und ermordet aufgefunden — zusammen mit der Menschenrechtsaktivistin Nadia Vera und drei weiteren Frauen.

Freitag, Samstag, Sonntag.

Und wieder beginnt eine Woche für die Unberührten …

1.)

In einem Land mit überdurchschnittlich vielen Rassisten in der Mittelschicht – die sich trotzdem fast ausschließlich von Döner ernähren wenn sie sich mal für “Außer Haus” entscheiden, überrascht es nicht sonderlich, bei McDonalds eine lange Schlange vorzufinden. Schließlich ist hierzulande auch der Antiamerikanismus tief verwurzelt.

Im Rest der Welt, ist McDonalds ziemlich out.

Der amerikanische Schriftsteller Don Winslow läuft seit geraumer Zeit schuldlos Gefahr, das selbe Schicksal zu erleiden.
Todesursache: Veröffentlichungsfrequenzerhöhung bis der Arsch platzt. Alle Bücher, die der Mann geschrieben hat, sind gut. Ganz egal, wann sie eigentlich geschrieben wurden. Das Impressum verrät es: Einige seiner Werke wurden bereits Anfang der Neunziger Jahre erstmals publiziert. Ohne dass sie damals besonders aufgefallen wären …
Die herrliche “Hau-die-Dschihadi’s-weg-!-Brandschrift” namens Vergeltung, geriet vor zwei Jahren dermaßen US-Government-kritisch, dass kein Verleger in den USA den Arsch in der Hode, ich meine natürlich, in der Hose hatte, das Buch herauszubringen. Zum Glück für Mr. Winslow und mich als seinen Leser, ist die deutsche Verlagswelt – zumindest was berühmte amerikanische Autoren angeht – ein Hort ungezügelter Bereitschaft zum Unternehmerrisiko. Das Buch war ein Hochgenuss.

Ich warte schon gespannt auf den allerneuesten Winslow gegen Ende Oktober, vielleicht in Zusammenarbeit mit Lee Child als Co-Autor, in dem Co-Star Jack Reacher als Anführer einer internationalen Einheit von Bodentruppen – unter Verzicht auf jegliche Luftunterstützung – dem IS im Irak und Syrien derart einheizt, dass der sich am Ende der 500 Seiten nur noch schlicht “I” nennen kann, “I” wie Incirlik, weil er umplanen und in der Türkei neu auferstehen muss. Was natürlich den Stoff für eine grandiose Fortsetzung auch dieses Buchprojektes liefern würde – voraussichtlicher Veröffentlichungszeitraum hier allerdings wohl erst Ende März 2016 – selbst Mr. Winslow muss schließlich abwarten was passiert, sollte Herr Erdogan sein großes, stolzes Land vollends vor die Wand fahren …

So viel Spaß wie es macht, es geht auch kürzer: Seit gefühlt jeden dritten Monat ein neuer oder wieder aufgelegter Don Winslow in den Läden dümpelt, war auch bei mir irgendwann die Luft raus.

Um noch einmal auf McDonalds zurückzukommen: Am besten ist der Fraß, wenn du lange nicht dort warst.

2.)

Tage der Toten.

Ganz und gar kein Fast Food.

Das Buch stach im Werkkatalog von Don Winslow schon damals heraus. Auf den ersten Blick klang die Sprache von Winslow leicht wie immer, die Leserin oder der Leser wurden auch diesmal, wie von einem stufenlos verstellbarem Duschkopf, ohne Chancen auf Gegenwehr in den Leitstrahl von Winslow’s süffigem Erzählstil gezogen. Auch die Eigenart des Autors, wie nebenher Fakten zur Geograpie und Geschichte seiner Thematiken zu vermitteln, fütterte gewohnt zuverlässig selbst das TWITTER-versauteste, geistiger Degeneration sowie dem Verlust jeglicher Orthographie gefeite Hirn, mit Informationen von Gehalt. Nur, sozusagen der Lehrstoff in diesem Buch, war eine ganz andere Nummer:

Mexiko. Drogenkrieg. Tausende von Toten. Die den Tagen, von denen im Buch die Rede ist, ihre Namen samt Buchtitel einbrannten. In jedem einzelnen Satz des dicken Wälzers schwang eine unverhohlene Wut die Rute, die damit verbunden Hitze machte das Buch zu einem unsterblichen Werk der Weltliteratur – Tage der Toten gilt als das Krieg und Frieden des 21. Jahrhunderts. In dem wunderbaren Essay in der Süddeutschen Zeitung vom 7. Oktober 2012, verfasst von Tobias Kniebe, beschreibt jener die Wirkung der Figuren in Tage der Toten auf sich:

“Zugleich aber blickt Winslow tiefer in die Seelen seiner Figuren, als ein Reporter das je könnte. Er sucht eine Wahrheit darin und besteht darauf, gerade die schockierendsten Details eben nicht zu erfinden, sondern eins zu eins aus der Wirklichkeit zu übernehmen.”

Das Kartell

Beide Bücher hintereinander, lesen sich wie in einem Stück durchgeschrieben. Ok, du hast 2000 Seiten, mach‘mer zweimal 800 draus, bißchen Schwund gibts ja immer – der Rest ist Marketing. Schönes Bild, aus mehreren Gründen aber Bullshit: Wie im Intro angeklungen, im Falle von Don Winslow verströmt die Marketingstrategie seines Verlags, wenn überhaupt vorhanden, einen welken Geruch, der an den einnehmenden Charme von multiplem Organversagen erinnert.

Auch: Viele der komplexen Handlungsstränge aus den Tagen der Toten, werden im Kartell nicht wieder aufgenommen, stattdesssen wirkt Don Winslow’s Schreibe wie das zunehmend einsame Agieren seines Art Keller: Fiebrig und verbissen.

Und schließlich: Zu dem Zeitpunkt als die Tage der Toten erschienen, lebten viele der Toten im Kartell noch fröhlich unter der Sonne Mexikos und hatten höchstens hin und wieder wässrigen Blähdurchfall von ‘nem fettigen Burrito.

Zum Buch:

Es geht also weiter mit Art Keller, dem Jäger der Top-Narcos, und mit Adan Barrera, dem so sanft auftretenden Erbarmungslosesten unter den Erbarmungslosen.
Die ultimative Chronik des mexikanischen Drogenkriegs nimmt ihren blutigen Lauf: Blende alle persönliche Geschichten und Handlungsstränge aus, und du hast eine klare Aufstellung aller eingegangenen Bündnisse unter den wichtigsten Kartellen, sowie jener unter großem Blutzoll wieder aufgekündgten.

Es fällt schwer über dieses Buch zu reflektieren. Steht alles drin. Den Opfern wird gehuldigt, die Täter haben das Wort bei der Wahl der eingesetzten Mittel, was die Herzen derer, die sie jagen für immer verändert. Die Schuld ist nicht wählerisch, sie bedient sich auf beiden Seiten. Manche der menschlichen Tötungswerkzeuge sind selbst nichts als Opfer, bar jeder Menschlichkeit bleiben sie dennoch Menschen, und werden zu Tätern in der Darkzone.

Darth Vader. Vom Clown bis zum Priester, er lauert in jedem von uns.

Don Winslow hat sein Buch den Journalisten gewidmet, die ihren Mut und ihre Zivilcourage mit ihrem Leben bezahlten. Der Blutzoll unter ihnen ist gewaltig. Besonders schmerzlich und für mich kaum zu ertragen ist, dass – wenn im Buch auch am Extrembeispiel beschrieben – ausgerechnet der anonyme Blog am wehrfähigsten erscheint. Zumindest für den Erhalt des nackten Lebens seiner Betreiber. Weil die offiziell agierenden Presseverteter regelmäßig zum Schweigen gebracht werden. Und kaum noch jemand bereit ist die Dinge offen anszusprechen, wenn ein Großteil der Redaktion bereits bestialisch ermordet unter der Erde verschimmelt.

Was man in all diesen Jahren so hörte und las aus der bunten Narco-welt:

Die meiste Zeit verläuft alles ruhig, kein Wort steht in der Zeitung, es wird richtig Geld verdient.
Bad news are …

Von Zeit zu Zeit dreht ein Narco-Papst, der niemandem erzählen kann, dass er letzte Woche die 100 Millionen Dollar Marke geknackt hat, komplett durch in seinem goldenen Käfig, fängt an zu rasen und will irgendjemandes Blut trinken. Z.B. wenn der nagelneue Flachbildschirm urplötzlich den Geist aufgibt, oder die aufmüpfige Fotze von undankbarer Ehefrau höllisch abnervt mit ihrem Gequengel.

Apropo Frauenhass und perverse Freizeitvergnügen reicher Yuppies aus dem Drogenmilieu: Von 1993 bis 2010 verschwanden in der Gegend um Ciudad Juarez an die 2000 junge Mädchen und Frauen, ihre Leichen wurden in der Wüste verscharrt. Bekannt geworden ist diese Tragödie unter dem Namen Feminizido. Zumindest ein Teil dieser Frauen passen laut Marisela Ortiz von der Organisation Nuestras Hijas de Regreso a Casa (Für die Rückkehr unserer Töchter nach Hause, NHRC) in das Mordschema der Drogenmafia.

Der Rest, ist die dunkle Seite vom Tagesgeschäft:
… abgeschnittene Köpfe, die durch die Restaurants von Ciudad Juárez im Bundesstaat Chihuahua rollen, Priester, Polizisten und Bürgermeister, die ermordet werden, dito Hunderte von Journalisten und diversem Fußvolk, jeder der im Weg steht und noch dessen Brüder und Schwestern und alle Babys und die eine Mutter; nur der Vater überlebt, er verkauft Chicken-Nachos mit Käse und schwarzen Bohnen in El Paso, Texas.

Zurück ins Land der Massenmorde in offiziellen Friedenszeiten und zur Abwechslung einmal brandaktuell: 43 Studenten, welche mit ihren Protesten dem Bügermeister von Iguala, Jose Luis Abarca samt Ehefrau etwas zu sehr auf die Eier- & Stöcke gingen: Allesamt ab auf die Müllkippe und vorher noch flux ein Snuffvideo gedreht. Eine Begegnung mit einer Truppe ZETAs überlebt nur ein ZETA: Alle anderen baumeln von der Brücke und haben keinen Sinn mehr für die Aussicht auf den Highway.

Zurück in die Vergangenheit und einem gigantischen Paukenschlag: Präsident Calderon setzte zur Zerschlagung der Kartelle das Militär im Inland ein.

Wow!

Später kam heraus: nicht zur Zerschlagung aller Kartelle, sondern nur derjenigen, welche einem ganz bestimmten Kartell im Weg standen, welches seinerseits die Regierung samt Militär in der Tasche hatte. Traffic, das Meisterwerk von Steven Soderbergh lässt grüßen, der Film ist 15 Jahre alt.

Also alles nichts neues: die Vernetzung der Mächtigen. Business as usual. Politik, Industrie, organisiertes Verbrechen. Gerade “El Chapo” Guzman’s Story ist exemplarisch: Der große Sohn aus Badiraguato, welcher immer mal im Knast landet und spektakulär wieder ausbricht …, oder heimlich freigelassen wird? Die wahren Bosse mit US-ID, so mächtig, dass niemand ihre Namen kennt, würden es wohl nicht wirklich gern sehen, wenn der Mann in den Staaten zum Kronzeugen würde …

Droht Octavio Paz’s El laberinto de la soledad, sein so gewaltiges Labyrinth der Einsamkeit, heutzutage seine Herrlichkeit zu verlieren und sich in eine Melodie des Schreckens zu verwandeln? Aber nicht doch. Die zynische Wahrheit ist: All die rational nicht mehr fassbare Gewalt, ist nichts als eine überaus rationale Angelegenheit. Sie hilft, ein Klima der Angst zu erzeugen. Und Angst ist schlicht der Hauptgewinn, wenn man anderen Leuten seinen Willen aufzwingen will. Keines der Opfer sollte das allzu persönlich nehmen, zugegeben, nicht ganz einfach, wenn man bereits tot ist. Das besondere, ja mystische Verhältnis der Mexikaner zu Schmerzen bringt gute Boxer hervor. Und das besondere, ja mystische Verhältnis zum Tod, sorgt für eine besonders saftige Augen und Köpfe rollende Variante im Kampf der Herrschenden um die alleinige Macht.

2

Es gibt Leute die sagen, Das Kartell wirke flach, fast kalkuliert. Trotz all der beschriebenen Realitätsnähe würde es eher einem Blockbuster Marke “Stirb langsam” Teil 7, 8, oder 9 ähneln, den kein Mensch mehr sehen will. Es wäre viel zu wenig Abwechslung in den Sujets, nur noch Gemetzel, keine Spur von dem feingewebten Kaleidoskop rund um die Welt aus Tagen der Toten …
Wird ein Mann zu seinem eigenen Anachronismus, wenn er immer weiter schreibt, weil der Kampf niemals aufhört? Beginnt die Welt sich zu langweilen, wenn sie Zeuge der immer gleichen Horrormeldungen wird?

Natürlich.

Diverse Katastrophen sollten sich bitteschön auch voneinander unterscheiden. Solange sie nicht zu nah heranrücken, an meinen Primark-behängten Kadaver, hab ich eh’ festen Stuhlgang, und gebe dir drei bis vier Sekunden. Ab 1000 Toten aufwärts auch mal fünf, mit Katzenbild garniert sogar bis zu sieben, will ja das Bild ‘runterladen, und an Franziska schicken …

Ergeht es also dem fiktiven Drogenfahnder Art Keller nicht anders, als seinem Schöpfer, dem Schriftsteller Don Winslow? Zu verbissen, hatten wir doch schon. Früher warst du cool, alles war so …, so aufregend!

Das Gewinsel diverser Literaturpäpste und fettgefressener Konsumenten übersetzt, lautet die Frage: War eine Fortsetzung von Tage der Toten wirklich notwendig? Und wenn ja, darf es auf jene Art unterhaltsam sein, welche ein Amerikaner zu bieten hat? Eine Gattung Mensch, die der gebildete Europäer verabscheut und für alles Übel in der Welt verantwortlich macht, Omaha Beach ist schließlich echt lange her. Wir gehen gern mal in ‘nen Schwarzenegger, aber huldigen können wir nur einer Herta Müller.

Und plötzlich kommt ein Typ wie Winslow daher – Error.

Es soll dir zu den Ohren ‘raus kommen. Und wenn es danach immer noch weiter geht, BIS DU ES NICHT MEHR AUSHALTEN KANNST, dann wird es vielleicht anfangen weh zu tun. Dein fucking limbisches System ist nichts als eine träge Sau, sie brauch’ immer und immer wieder voll auf die Fresse, bis sie aufwacht. Wenn dir nicht klar ist, ob du zu wenig oder gar zu viel unterhalten wirst, und wenn der Autor das ahnt, weil er deiner Larve samt ausgestelltem Unterkiefer einmal die Woche im WALMART begegnet, dann muss er eben die gestochen scharfen Bilder toter und zerfetzter Kinderkörper noch oben ‘drauf packen.

Embedded press sucks.
Eine smarte Scheißidee der US-Armee, eingeführt nach Vietnam, nicht ohne Grund. Die Bestie will in Ruhe werkeln, die Millionen von protestierenden Studenten, welche damals auf den Marmorstufen vor dem Kapitol herumlungerten, hielt ja keiner aus. Dito der Granit in Moskau, oder die grauen Platten unter den Wolken von Berlin. Back in the rear, with the gear.

Der Schlüsselmoment im Roman kommt ohne jedes Pathos aus:

“‘Das ist kein Spiel’, meint Ana.
‘Nein, das ist Krieg’, erwidert Jimena. “Der Krieg den es immer gab.’ Pablo versteht. Der Krieg zwischen Arm und Reich, zwischen den Mächtigen und den Ohnmächtigen. Die einzige Waffe der Schwachen ist es, die Mächtigen zu beschämen. Wenn sie denn der Scham fähig sind.”

Mit diesem Gedanken leistet sich Mr. Winslow einen seltenen Moment ultimativer Hoffnungslosigkeit. Die Mächtigen geben einen Scheiß auf das Fußfolk. Der amerikanische Finanzhai Warren Buffet schwadroniert: “Natürlich ist es ein Klassenkampf. Und wir sind dabei ihn zu gewinnen.” Nick Hanauer, Milliardär und Amazonmitbegründer, widerspricht: “Ich sehe die Mistgabeln!” Mr. Buffet hat eine kleine Wampe, er sollte besser hinhören …
… oder auch nicht. Es interessiert ihn einen Dreck – Hanauer ist der Außenseiter, nicht er.

Wie gesagt, auch Don Winslow ist Amerikaner: Die guten unter ihnen könnte man als romantische Realisten bezeichnen. Der Mann wird seine Zweifel haben, ob die Scham der Reichen reichen wird, uns vor der Hölle auf Erden zu bewahren.
Genau das ist der Grund, warum er sich und uns dieses Buch antut.

Outro:

What about us?

Wie begegnet man der Tatsache, dass wir in der Externalisierungsgesellschaft letztendlich alle Täter sind, in dem Sinne, dass wir uns der unterlassenen Hilfeleistung und des Schmarotzertums schuldig machen, jeden Tag, mit jeder Panik bzw. Konsumrausch-Attacke, mit jedem beschissenen Plastefussel T- Shirt eines Billig-Discounters, dass unfassbar arme Menschen unter maßlos schlechten Arbeitsbedingungen herzustellen gezwungen sind, dass sie jeden einzelnen Tag heilfroh darüber sind, wenn ihre Textilfabrik mal nicht über ihnen zusammenkracht.

Wir stellen uns kriminellem Handeln nicht entgegen. Den Regierenden, den CEO’s der Konzerne, den Ratingagenturen, die die Geldflüsse kontrollieren, oder dem IWF – der unseren Reichtum erst ermöglicht, weil er armen Ländern weltweit nur dann Kredite gewährt, wenn sie internationalen Konzernen den Zugang zu ihren Ressourcen gewähren, so dass sie förmlich ausbluten. Die Regierungen weltweit sind schwach, oder korrupt. Meist sind sie beides. Abhängig von der Gnade der Lobbyisten, weil sie sich von Leuten Geld leihen, deren Tun sie zum Wohle der Allgemeinheit in die Schranken weisen müssten. Hoheitsaufgaben und die damit verbunden Sicherheits-, Kontroll- und Einnahmemöglichkeiten landen im privaten Sektor. Den militärisch-industriellen Komplex gab es aber nicht nur in der Abdankungsrede von Präsident Eisenhower …

All den Mächtigen, also auch den Drogenbossen, all jenen die im Hintergrund die Fäden ziehen, ermöglichen diese Regierungen – sowie auch wir, die wir sie wählen – erst ihr Tun.
Weil wir schwach und leer, und einfach nicht glücklich zu kriegen sind. Weil wir uns leisten uns einzubilden, dass Kampf-shoppen daran etwas ändern kann. Weil wir alles sofort haben müssen, und anstelle von Geld was wir nicht haben, mit einem bunten Plastekärtchen bezahlen, welches direkt aus der Hölle kommt.

Weil wir uns unbedingt ablenken müssen!
Mit Dauerkonsum, und – mit allen Arten von Drogen. Der weiße Rauch der alten Indianer Nordamerikas wird zum kristallglitzernd betäubenden Rausch für die Sinne, weil wir es ja ansonsten hier unten nicht ertragen. Ein weiteres Allheilmittel klingt vom Namen her abstrakt, aber jeder scheint sich etwas tolles darunter vorstellen zu können: Wachstum. Wir denken: Super, Kaufkraft für mich und dich und unseren süßen Kleinen! In Wahrheit ist dieses Wachstum wohl eher das Wachstum des Reichtums all derer, die uns jene Matrix erschaffen, mit der wir unser Leben aushalten.

“Yep!”, sagt da natürlich auch die mexikanische Drogenmafia: “Wir sind dabei!”

Und eine Drogenbaronin aus Mexiko City raunt Art Keller zu:

“‘Sie wissen wie die Dinge laufen’, sagt sie. ‘Vielleicht dienen wir nicht dem Gemeinwohl, aber wir sind das kleinere Übel.’
Wenn sie mich für so katholisch hält, denkt Keller, müsste sie wissen, dass es für mich kein kleineres Übel gibt, nur das Böse an sich, ohne Abstriche.”

Womit wir zum Schluss den Umgang mit dem Terror streifen, eingedenk des immer blutigeren, immer verbissener geführten Kampfes des Drogenfahnders Art Keller, welcher langsam aber sicher dessen Seele zerstört, und ihn beim Nachdenken über den Preis für diese ganze Scheiße, schier verzweifeln lässt:

Entweder: Auge um Auge, gezielt die Köpfe der Hydra abschlagen, immer und immer wieder. Ups. Die Köpfer köpfen? Sondergesetze! Eine spezielle Rechts-, oder besser Schnellgerichtssprechung! Demokratie? Fuck it, ist doch zu deren Schutz, du Scheißliberaler! Zugeschnitten für Terroristen, Narcos, Mafiosi, und was uns bald sonst noch einfällt …
Oder sagen wir: Das machen wir nicht mit, so wollen wir nicht sein. So weit wollen wir uns nicht verändern. Dann hätten die Drecksäcke, die das World Trade Center in die Luft jagten, ja gewonnen. Terrorismus, Drogenhandel, Viren: Sie entdecken heutzutage ihre Möglichkeiten. Sie agieren global. So oder so, sie kommen. Alle miteinander. Mit einer 747 nach Frankfurt.

Flugzeugabstürze und Terroranschläge sind das ultimative Grauen, aber jährlich kommen mehr Leute im Straßenverkehr zu Tode.
Aber damit nicht genug. Zumindest an der Höhe der Opferzahlen, können wir drehen: Jeder Drohnenmord, erhöht die Zahl der Feinde der Sonne, die über unseren Köpfen scheint. Jeder Namenlose im Jemen hat einen Sohn oder eine Tochter, deren Hass auf uns wir gottverdammt nochmal ernst nehmen sollten.

Von Krieg und Terror einmal abgesehen: Die Menschen, an deren Chancen auf ein Leben in Würde, wir uns mit unserem als selbstverständlich empfundenen, nicht hinterfragten Reichtum versündigen, kommen nun über stürmische See und mit dem Zug aus Budapest. Hallo, Erde! München hat ein Problem! Seehofer wird nicht durchgestellt, Merkel zeigt zum ersten Mal Eier in ihrer Regentschaft, und siehe da, die sind viel größer, und auch nicht so haarig, wie die vom Horst.

Spaß beiseite: Den falschen Flüchtling gibt es nicht. Menschen haben zu allen Zeiten schweren Herzens ihre Heimat auch dann verlassen, wenn zwar das Haus noch stand, sie aber am verhungern waren. So etwas nennt man Völkerwanderung, und die brachten schon so manches Imperium ins Wanken. Wenn es allzu starr war, sogar zum Einsturz. Wir haben die Welt komplett vernetzt. In fast jeder Beziehung.

Nun hängt auch alles miteinander zusammen.
Hatte olle Struck mit seinem verqueren Bild von der “Freiheit Deutschlands, die am Hindukusch verteidigt werde”, am Ende recht? Ein Gedanke der meinen geliebten Vater, wenn er kein so glühender Atheist wäre, auf seine alten Tage noch hinter die dicken Mauern eines Klosters treiben könnte …

Sollten wir uns eines Tages aufmachen, den Gedanken an ein wucherndes Wachstum als Definitum unserer heilen Welt zu korrigieren, indem wir Gesellschaften aufbauen, die einem neuen Zauberwort folgen – und zwar dem der Lebensqualität und der Bewahrung der Würde eines jeden einzelnen Menschen, dann braucht sich auch niemand mehr zuzudröhnen, um über die Runden zu kommen. Den Drogenbossen dieser Welt wäre die Geschäftsgrundlage entzogen, die bärtigen mexikanischen Jungs aus Culiacan würden wieder zu Bauern, wühlten in ihrer Ahnen Erde, huldigten der Lady of Guadalupe und wären am Ende vielleicht sogar ganz glücklich dabei. Wie sagte doch die Mutter eines von den ZETAs getöteten Elitesoldaten zu Keller:

“Arturo – Sie vergelten einen Mord nicht durch Töten – Sie vergelten ihn durch Leben.”

Heiko Hesh Schramm

Zur kompletten Sendung.

STUDIO B – HESH on Andy Weir

aw

Idea, arrangement and photo by Alfred Edward Schramm

HESH rezensiert Der Marsianer von Andy Weir

Intro

Mein Boss schmeißt Pfandflaschen in den Mülleimer, nach langen Tagen im Klamottenladen. Ich liebe ihn dafür, denn ansonsten is’ er eher der Energie-Spar-Lampen-Typ. Herr Falschgold benimmt sich ebenfalls wunderlich: Er schenkt mir den Marsianer, und beklebt die Klappentexte mit einem weißem Papier, an dessen Rückseite ein superspezieller Weltraum-Leim haftet, der bei dem Versuch es wieder abzuziehen, das ganze Buch zerreißt. Keine Panik, Vorhaben sofort eingestellt. Und von dem Buch, welches ER in unserer heutigen Sendung besprechen will, verrät er noch nicht mal den Namen.

Kurz, mit solchen Leuten geht noch was.

Auch: Ich hatte überlegt mich zu pampern, (Windelgröße XXL), als ich vor 2 Monaten, direkt vorm Einfahren ins Hospital – zu einer klitzekleinen OP Namens Fundoplicatio – das neue Buch von James Ellroy, Perfidia, geschenkt bekam. Ebenfalls von Herrn Falschgold.

Nun, es kam anders. Anstatt lustvoller Tröpfchenbildung, eher Wüste Gobi: Ich schaffte, in einem für mich endlos langen sowie schmerzvollem Monat, geschlagene 60 Seiten von Perfidia, empfand jedes Wort als aufgesetztes Geschwätz, und war mir sicher: Du kannst grad kein Buch lesen. Nichts. Geh’ spazieren, spiel’ Gitarre oder an dir selber rum, denn Mr. Ellroy ist ja wohl mit Abstand der HERO deines Lebens, seit du lesen, denken, oder irgendwas kannst …,

… mal abgesehen vom selbsttherapeutischen Wortschwall in The Hilliker Curse – kein Mensch will wissen, welche Vollmeise, oder in diesem Fall, welch obskure Pathologie im Verhältnis zu Frauen, ein für sein Werk verehrter Schriftsteller hat. Wahrscheinlich hat der Mann deutsche Wurzeln, hin und wieder kommen die eben durch …

Anyway, den Marsianer von Andy Weir habe ich dann in drei Tagen, ja was, eingehaucht? Floss die Kehle runter wie ein gutes Vitello Tonnato, scheiß’ auf die künstliche Engstelle am Mageneingang.

Zum Buch:
1.)

Wie es dazu kam, dass ein Astronaut allein auf dem Mars zurückgelassen wurde, bleibt hier unbesprochen.
Was noch alles passiert, und erst recht, wie die ganze Sache am Ende ausgeht, wird auch nicht verraten.
Denn Stress mit Herrn Falschgold, ist in etwa so angenehm, wie wenn ein mit Chrystal vollgepumter Uhu, seine Krallen in deine Kopfhaut reinhackt.

Fest steht: Der Name des Astronauten lautet Mark Watney, und seine Crew, zurück an Bord der Hermes, dem einzigen Raumschiff seiner Klasse, lässt schwer den Kopf hängen. Es scheint ein einsamer Gang zu werden, dieser Heimflug zur Erde. Sie müssen davon ausgehen, dass Mark Whatney tot ist. Die Biodaten seines zerstörten Raumanzugs, waren in diesem Punkt unmissverständlich. Natürlich haben sie alles versucht seine Leiche zu finden, um wenigstens sie mit zurück zur Erde nehmen zu können. Niemand wird zurückgelassen, denn ein Sandsturm auf dem Mars, ist wie Krieg in der Ukraine: sobald Menschen zu schaden kommen, wird es inakzeptabel. Aber, hätten sie noch länger nach ihrem Kameraden gesucht, wäre im Sandsturm auch die Landefähre zerstört worden. Und sie wären alle draufgegangen.

Fest steht weiterhin: Mark Watney lebt. Und ist nun allein. Auf dem Mars. Die nächste planmäßige Mars-Mission ist in ungefähr vier Jahren geplant.
Oder so…

Nur leider nicht in der Gegend, wo seine kleine Bodenstation steht. Sondern zirka 4000 Kilometer weit entfernt, mitten im Schiaparelli-Krater
Immerhin, er verfügt über zwei Marsrover.
Welche dafür ausgelegt sind, ein wenig um die Station zu kurven, um Gesteinsproben zu nehmen.

Hm.
Food?
Äh, ich meine: Nahrungsmittelvorräte?
Reichen für ungefähr 100 Tage …

Ah ja.
Also allet eher Apollo.
Nix is’ mit Star Wars.

2.)
Mark Watney, sieht aus wie der US-Filmstar Matt Damon.
Passt wunderbar, denn zufälliger Weise hat Matt Damon, die Hauptrolle in der Verfilmung des Buches übernommen. So muss sich niemand umgewöhnen.

Und ganz hush-hush-Hesh: Einige Verschwörungstheoretiker wollen mittels schlampig zusammengepanschter Filmchen sogar beweisen können, dass Matt und sein Team, jene NASA Hallen als Kullissen für den Dreh benutzen wollten, in denen im letzten Jahrhundert Neil Armstrong den Mond betrat. Dabei weiß jeder Idiot, dass der Mars eine völlig andere Bodenbeschaffenheit hat, als der Mond.

Sowas.
Na Heshie, kommste in die Gänge?

Is’ halt nich ganz einfach, mal wieder über ein Buch zu schreiben, von dessen Inhalt man wenig, bis gar nichts preisgeben will. Und zwar, weil ich will, dass du, genau: du, das Buch selber verschlingen kannst! So wie, sagen wir mal, eine Urlaubsbekanntschaft. Zauberworte wären hier: Neu. Anders. Überraschung! And a loootta fun …. Wenn die Dame dabei nicht schwanger wird, gibts nicht mal Stress. Gut, jetzt isset’ raus: Hesh sitzt im Freibad Mockritz, weil- leider keene Kohle …
… für Kuba.

Was ihr hingegen ruhig wissen könnt:
Mark, unser einsamer Mars-Astronaut, hat so ungefähr eine Zillion Probleme zu lösen. Jedes einzelne davon ist, nicht potentiell, sondern richtig fett – lebensgefährlich.

Ein tödlicher Fehler darf aber, zumindest zu Anfang, einfach nicht passieren. Wer würde wohl schlappe 400 Seiten weiterlesen, über, “den Mann auf dem Mond”, äh Mars…, wenn der Hauptheld auf Seite 12, am Tag 5 der Mission, aufgrund einer lästigen Mondstauballergie (arrgh, ick geb’s auf…) potzblitz erstickt wäre, und der Rest des Buches nur noch verwackelte Bilder von der Marssonde Pathfinder zum Thema hätte? What? Pathfinder hat schon vor Jahren den Geist aufgegeben? Gut, die restlichen 380 Buchseiten wären also weiss, genau wie die Mondoberfläche …

Mein Dad früher, wenn klein Heshie nach 10 Minuten Spartakus gucken winselte:
“ Stirbt der Kirk jetz’?”
“Jetzt schon, Sohn? Da wär ja jetzt schon der Film zu Ende, Hö, Hö, Hö …!”

Also, ein paar seiner Probleme in seinem neuen fulltime job, genannt:
“Überleben auf dem Mars, sowie: herumreisen auf dem Mars und dabei möglichst auch noch zu überleben …”

… wird der liebe Mark schon lösen müssen, denn Short Storys verkaufen sich zäh bis gar nicht mehr, und seit Stand by me von Mr. King basiert erst Recht kein Hollywood-Film auf ihnen.
Und was würde dann bitteschön, aus Matt D., und dem lustigen Trailer auf YouTube?
Ok, Mr. Ridley Scott würde sicher wieder mal einen neuen, alten – oder alten, neuen – Kriegsfilm drehen.

Ist eh alles Sand, wo keine Erde ist.
Staub und Sand.
Ob auf Mars und Mond, oder in Afghanistan.

Jedenfalls:

Matt…, nein, Mark, ist Botaniker.
Humorvoller Typ.
Gelassen. Siehe auch: Mentale Stärke, wie olle Bierhoff das “sprechblasieren” würde … (zur Erklärung: Oliver Bierhoff – Mitglied im Stab der deutschen Nationalmannschaft, ohne näher gekennzeichneten Aufgabenbereich. Der Verf.)
Zurück zu Marky: Er ist klug, pfiffig und smart.
Ohne dabei zu nerven. ( Is’ zwar außer ihm eh’ keiner da, uff’m Mars, aber trotzdem …, UNS unterhält er prächtig …) Und zum Schluss, und extrem wichtig:

Mr. Watney, ist ein waschechter Ami.
Einer von der Sorte, die selbst in der ausweglosesten Situation immer straight, weiter nach vorn geht. Er gibt niemals nicht auf, das Spiel, weil, letzten Endes, ist das ganze Leben doch auch nichts anderes-

als ein Spiel.
Oder?

Manchmal schmeißt’s mich, vor lauter selbstauferlegtem Nachempfinden, (HALLO?, gibts ein Wort für deinen Blattsalat?), also, vor lauter Empathie für das Schicksal von Mr. Watney, lande ich bisweilen in der Schmollecke, z.b. wenn der Mann – nach einer kleinen Explosion seiner Bodenstation, und mit nichts als seinem Raumanzug zwischen sich und der Unendlichkeit des Universums – nichts besseres zu tun hat, als seine Panik mit ‘nem coolen Joke zu neutralisieren und im nächsten Moment bereits verschiedene Lösungen des, oder der, natürlich höllisch komplexen Probleme durchgeht.

Seit ihr Amerikaner wirklich so anders?
Maybe.
Cool.
On the other hand, it scares me in a way

Na ja, ein weites Feld. Womit wir bei Effi Briest wären. Und diesem anderen Roman: Werner Holt. Das eine Buch kotzlangweilig, das andere brandgefährlich, für die Seelen kleiner Jungs die gerne Krieg spielen.
Keine Wahl: Denn das war sie in etwa: die Schulbuch-Pflichtlektüre im Osten.
Immer wieder ein gutes Gefühl zu wissen, dass die Ex-SED Kader, in ihren einstöckigen Villen in weiß mit Holz-Umantelung, so schön am Stadtrand gelegen in all dem herrlichen Grün, hoffentlich bald alle miteinander verrottet sind …

Zur Roten Zora von Kurt Held, oder, dem Totenschiff von B. Traven, hätten die mich nicht zwingen müssen. Aber da gehts ja auch um die Freiheit, und darum, wie es sich anfühlt, wenn sie dir genommen wird.

Det ging natürlich nun nich’.

Für Ein plötzlicher Todesfall von J.K. Rowling hätte ich den Bonzen allerdings bereitwillig den Wartburg gewachst, und für Den Marsianer von Andy Weir, wäre ich sogar in die Partei eingetreten.

Auf der Stelle.
Es ist das Super-Duper-Schulbuch schlechthin.
Die Sendung mit der Maus meets Science Fiction: Sach- und Sozialkunde in 3D.
Voller deftiger und zugleich subtiler Erotik für Kids deren Säfte gerade erwachen, ganz ohne zu belehren oder gar zu missionieren erzählt diese Buch, was im ganzen Universum gilt, außer vielleicht hinterm Mond:
Lern was, streng dich an, irgendwann lohnt sich das, oder besser: du wirst es brauchen, denn manchmal wirds echt nicht anders gehen, Mann!

Darüber hinaus, macht diese Auffassung bei dem einzelnen Individuum nicht halt: Auch innerhalb einer Organisation, im Buch ist es die NASA, die amerikanische Raumfahrtbehörde: kann nur der Mut zum Risiko, die seelische Immunität bei Rückschlägen, sowie, nennen wir es mal: eine mehr als lebhafte Debatten-Kultur, zum Erfolg führen.
Womit wir bei den involvierten, in diesem Falle, so stolzen Nationen wären: Den USA, na klar, und der Volksrepublik China.

Und siehe da: Es geht. Vorurteile zerbröseln, Prestige-Projekte werden hinten angestellt: Mark Watney wird zum Ehrenbürger, nicht seines Heimatlandes, oder der gesamten westlichen Hemisphäre, nein – der ganzen Erde.

3.)
Am Schluss die Frage:
Was hätte ich in so einer Situation gemacht?
Ich meine, nach dem Blähdurchfall …

Mich gefreut, dass die schlimmste Gefahr für Leib und Leben, der Mensch – in all seinen Extrempositionen, vom Nazipansen aus Gorbitz und Freital, über den IS – zur Zeit noch – in Syrien und dem Irak, bis hin zum Sinaloa-Kartell in Mexiko – hier oben, nicht an mich ran kommt?

Dass ick endlich mal so richtig sicher bin, allein auf dem Mars?

Keine Umweltkatastrophen, Kriege, Anrufe von Ex-Frauen inklusive Unterhaltsforderungen, oder dieses flaue Gefühl beim Öffnen von Briefumschlägen, welche heutzutage eh nur noch besonders saftige Rechnungen umkuscheln. Und, was bitte schön, ginge mich hier das Gesülze der Grünen von der Erderwärmung an?

Oder hätte ich Sehnsucht? Nach all dem Pack, allen voran, nach Fran? Na sicher doch. Oh Baby …!
Was mir wirklich durch den Kopf schoss, ist schnell erzählt:
Du würdest es nicht packen.
Warum nicht?

Komm, lass mal sehen, was du drauf hast:
Wissen, siehe auch: umfassende Bildung
Könnte besser sein. Gefährliches Halbwissen ist Volksport, I’m in the rear with the gear…

Mut
Na eher Wut.

Mentale Stärke
Wenn’s ‘drauf ankommt, ja. Im Räderwerk des Alltags: eher dünne…

Leidensfähigkeit
Ups – Ganz gut.

Durchhaltevermögen
Null.

So wäre ich in die Geschichsbücher eingegangen. Der erste Tote auf dem Mars: ein Ex-DDR Bürger, aus dem Kernland des Döners: Sachsen.

Spaß beiseite,
Leseempfehlung: 100%

Heiko “Hesh” Schramm

Zur kompletten Sendung.

No Answer Under 666

no answer

No Answer Under 666

In the honeybee state
of collective understanding
all communication belongs
to one company

Everyone is being reduced
to a multiple-choice identity

The wisdom of the many
the meta-brain of the human race
is mashing everything
into a global sludge
of information

Cyber-bullying waits and hunts us all
no deed is ever forgotten
the net will forget nothing

The world is becoming abstract
money is withdrawn
but nothing is created

Advertising
the devilish hub of our civilisation
is reversing the course
of cultural development

Never before
has the restless crowd of evil
hunted
with so much vigour
through the network

A pack
like dogs
driven by the base instinct of denunciation
controlled
by the lords of the digital clouds
by Google
and the silent hedge funds

The world is following you
on your hellish trip
well prepared
for
World War III

And
no-one
ever
picks up the phone
when you dial
666

HESH

Keine Antwort unter 666

Im Bienenstaat
des kollektiven Verstehens
gehört jegliche Kommunikation
einem einzigen
Unternehmen

Jeder reduziert sich
auf eine beliebige Idendität
seiner Wahl

Die Weisheit all der Vielen
das Meta-Gehirn der menschlichen Rasse
matscht alles zusammen
zu einem einzigen globalen
Informationsbrei

Cyber-mobbing wartet darauf, uns alle zu jagen
nichts wird je vergeben –
das Netz vergisst niemals.

Die Welt wird abstrakter
Geld wird abgehoben –
aber nichts entsteht damit

Werbung –
der teuflische Mittelpunkt unserer Zivilisation
dreht den Kurs –
unserer kulturellen Entwicklung wieder um

Niemals zuvor
jagte das rastlose Böse
so energisch durch’s
Netz

Ein Rudel
wie Hunde –
getrieben vom Urinstinkt
der Denunziation.
Gelenkt von
den Meistern der digitalen Cloud –
bei Google
und den stillen Hedgefonds.

Die Welt folgt dir auf deinem Höllentrip
gut gerüstet –
für den
Dritten Weltkrieg

Und keiner
nimmt jemals
den Hörer ab –
wenn du
666 wählst

HESH

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